Von der Ikone der Hippies zum Helden der Hipster
Neue alte Bulliwelt – So will der ID.Buzz die elektrische Revolution bei VW befeuern
Sie sind technisch auf der Höhe der Zeit und mittlerweile auf Monate ausverkauft – doch so gut VW mit ID.3, ID.4 und bald auch ID.5 vorankommt auf der ElektrikAvenue, so fehlt es den Stromern bisweilen doch ein bisschen an Sex-Appeal. Doch aus unterkühlt wird ultra cool, wenn fünf Jahre nach dem Debüt des Showcars nun endlich der ID.Buzz in Serie geht. Im März wird er enthüllt, ab Sommer verkauft und im Herbst ausgeliefert, sagt Kai Grünitz, der als Entwicklungschef der Nutzfahrzeugsparte zur ersten Fahrt im Prototyp bittet.
Mit der ersten elektrischen Großraumlimousine auf einer dezidierten Akku-Architektur wollen die Niedersachsen nicht einfach nur die bemannte Raumfahrt fortschreiben und nebenbei mit einer Cargo-Version auch noch der Gewerbekundschaft einen Weg ins Grüne weisen. Zugleich schlagen sie mit dem MaxiModell ihres Modularen Elektrifizierungsbaukastens MEB den Bogen zurück zum Bulli, der 1950 seinen Einstand gab und binnen 70 Jahren zum Traumwagen ganzer Generationen geworden ist. Erst Motor des Wirtschaftswunders, dann Ikone der Hippies und bis heute blech gewordenes
Fernweh für Camper, Studienräte und Familienväter – es gibt neben dem Käfer kaum einen anderen VW, an den so viele Generationen so viele positive Erinnerungen haben.
Dumm nur, dass die Studie viel charmanter und detailverliebter war, als es in der Serie je durch die Kostenkontrolle gegangen wäre. Von Gimmicks wie dem versenkbaren Lenkrad oder dem Sofa im Fond ganz zu schweigen. Von außen mag der sentimentale Gedankensprung dabei noch klappen, weil der ID.Buzz wie der originale Bulli ein extra großes VW-Logo trägt, weil das Serienmodell genau wie die Studie eine süße Stupsnase hat und weil die Proportionen einfach passen.
Doch drinnen gibt es weder Retro-Charme noch Augenzwinkern – und den schwebenden Buddha aus dem Showcar sucht man vergebens. Stattdessen erkennt man auch unter der Tarnmatte die bekannte Bedienlandschaft aus ID.3 und ID.4. Zumindest der Wählhebel fürs Getriebe ist vom Bildschirmrand ans Lenkrad gewandert. Gleichzeitig ärgert man sich aber über die schier endlose Platte, die sich bis zur Frontschiebe erstreckt wie die Norddeutsche Tiefebene zwischen Wolfsburg und Hamburg: Weil es keinen Vorbau mehr gibt, muss darunter die gesamte Klimatechnik und Steuerungselektronik verschwinden, rechtfertigt Grünitz das mächtige Tableau.
Aber Achtung: Was dem ID.Buzz an Augenzwinkern zur Studie fehlen mag, macht er mit Alltagstauglichkeit wieder wett: Anders als beim handgeschnitzten Einzelstück gibt’s für die Serie Ablagen wohin das Auge blickt und reichlich smarte Ladetechnik. Nicht nur, dass man mehr Handys gleichzeitig aufladen kann, als es Sitzplätze gibt; mit der Premiere
des smarten Riesen führt VW zudem Plug & Charge ohne leidige Authentifizierung an der Ladesäule und bidirektionales Laden ein – so wird der Bus zum Pufferspeicher für das heimische Solardach.
ID-Cockpit hin, Sprachsteuerung her: Der Fahrer fühlt sich schnell zu Hause in der neuen alten Bulliwelt. Schließlich ist die Sitzposition näher am Bus als in jedem anderen VWModell, die Rundumsicht ist besser als bei allen anderen ID und wie bei den Verbrennern schon seit über 30 Jahren nicht mehr hat der NeuzeitBulli wieder Heckantrieb. Auch das Tempo erinnert an die Jugendjahre des Dauerbrenners. Denn mit Rücksicht auf die Reichweite, die dem Borddisplay zufolge bei 400 Kilometern liegen wird, zieht die Elektronik bei 145 km/h den Stecker. Bis dahin beschleunigt der ID.Buzz so schneidig und seidig wie jeder andere Stromer auch. Der Wendekreis von gerade mal elf Metern ist so handlich wie sonst allenfalls beim Golf.
Die Hinterbänkler aber müssen sich erst mal umstellen. Ja, sie haben dem großen Radstand sei Dank jede Menge Beinfreiheit. Denn obwohl der ID.Buzz mit 4,70 Metern rund 20 Zentimeter kürzer ist als der Multivan, stehen die Achsen ebenfalls fast drei Meter weit auseinander. Und bei genauem Hinschauen entdecken sie ein paar liebevolle Details wie die Halteschlaufen anstelle der Griffe über den Schiebetüren, die seit 70 Jahren zum Bulli gehören wie der Golfball auf dem Schaltknauf zum GTI. Doch sitzt man im Fond auf einer konventionellen Bank und mit der Variabilität ist es nicht allzu weit her. Das Sofa ist zwar geteilt und man kann es etwas verschieben – doch weder verschwindet die Bank für maximalen Stauraum im Boden, noch kann man sie gar ausbauen. „Geduld, Geduld“sagen da die Niedersachsen. Schließlich kommt im nächsten Jahr ein XL-Buzz mit nochmal 25 Zentimetern mehr Radstand und Platz für eine dritte Sitzreihe. Auch soll es bis dahin für den Fond auch vier Captain-Chairs geben, mit denen man dann wie eh und je Stühlerücken spielen kann.
Während es zum Start erst mal nur den 77-kWh-Akku mit einem 150Woder 204-PS-Motor im Heck gibt, kommen später noch mindestens zwei weitere Varianten: Der „Pure“mit etwas mehr als 50 kWh für runde 300 Kilometer und das Topmodell mit einer zweiten E-Maschine für Allradantrieb und sportliche 300 kW oder knapp 400 PS.
Das Preisband beginnt bei 63 000 Euro für die erste Auflage und soll später mit einem Einstiegsmodell auf 55 000 und dem Cargo auf 45 000 Euro sinken. Dafür schickt einen der ID.Buzz auf eine Zeitreise – in beide Richtungen. Während die Erinnerungen in der Vergangenheit schwelgen, ist man gleichzeitig auf dem Weg in die Zukunft.