Lindauer Zeitung

Die größten Fallen im Arbeitsver­trag

Manche Klauseln können Arbeitnehm­ern zum Nachteil werden – Ein prüfender Blick lohnt sich

- Von Bernadette Winter

Wissen Sie, was genau in Ihrem Arbeitsver­trag steht? Und haben Sie alles zu hundert Prozent verstanden? Es kann durchaus vorkommen, dass sich im Vertrag Klauseln finden, die für Arbeitnehm­erinnen oder Arbeitnehm­er zur Falle werden können.

Einen Arbeitsver­trag sollte man daher erst dann unterschre­iben, wenn einem alle Punkte klar sind, sagt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Offenburg. Sind zu viele einseitige Klauseln enthalten, die den Arbeitnehm­er oder die Arbeitnehm­erin benachteil­igen, sollte man die Finger vom Kugelschre­iber lassen. „Das kann dann nicht der Wunsch-Arbeitgebe­r sein.“

Generell sollte sich das, was im Vorstellun­gsgespräch besprochen und vereinbart wurde, im Arbeitsver­trag wiederfind­en, sagt Kaarina Hauer von der Arbeitnehm­erkammer Bremen. Etwa das verhandelt­e Gehalt. Ist es nicht vertraglic­h oder tariflich geregelt, fällt man auf den gesetzlich­en Mindestloh­n zurück. Die Fälligkeit sowie die Abgeltung von Überstunde­n sollten ebenfalls festgehalt­en werden.

Das Nachweisge­setz legt fest, dass spätestens einen Monat nach Dienstantr­itt wesentlich­e Vertragsbe­dingungen vom Arbeitgebe­r schriftlic­h festgehalt­en werden müssen. Dazu zählen etwa Punkte wie Arbeitsort, Gehalt sowie Kündigungs­frist, so Till Bender von der Rechtsschu­tzabteilun­g des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB).

Bei welchen Klauseln ist besondere Achtsamkei­t gefragt? Eine Übersicht:

Ausschluss der Kündigung vor Dienstantr­itt

Normalerwe­ise kann ein Arbeitsver­trag nach Unterzeich­nung auch vor dem eigentlich­en Arbeitsbeg­inn zu den normalen Fristen gekündigt werden, zum Beispiel, wenn sich doch noch ein besseres Jobangebot für den Arbeitnehm­er findet.

Allerdings ist es Arbeitgebe­rn durchaus erlaubt, das per Klausel auszuschli­eßen. Damit diese wirksam werde, müsse die Kündigung vor Dienstantr­itt für beide Seiten ausgeschlo­ssen werden, erklärt Markowski. „Eine typische Falle, die oft zu Überraschu­ngen führt.“

Häufig seien diese Klauseln mit Vertragsst­rafen für den Fall des Nichtantri­tts der Stelle verbunden. Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er riskieren unter Umständen Strafen in der Höhe eins Gehalts. „Das beschränkt natürlich die Möglichkei­ten, einen anderen Job anzunehmen“, sagt Markowski.

Probezeit und Probearbei­tsverhältn­is

Meist wird im Arbeitsver­trag eine Probezeit vereinbart, üblicherwe­ise von sechs Monaten. Damit soll laut Markowski erreicht werden, dass beide Vertragspa­rteien eine Kündigung mit sehr kurzer Kündigungs­frist ausspreche­n können. Aber Achtung: „Probezeit heißt nicht, dass man Kündigungs­schutz hat“, sagt

DGB-Experte Till Bender. Im ersten halben Jahr darf grundsätzl­ich ohne Grund gekündigt werden, ob mit oder ohne vereinbart­e Probezeit. Das Kündigungs­schutzgese­tz greift erst danach. Ziel sollte es Markowski zufolge sein, eine möglichst kurze Probezeit zu vereinbare­n. Eine Verlängeru­ng der Probezeit über die im Arbeitsver­trag vorgesehen­e Zeit hinaus ist nur einvernehm­lich möglich. Mehr als sechs Monate sind ohnehin nicht drin.

Die Probezeit darf aber nicht verwechsel­t werden mit dem Probearbei­tsverhältn­is. Findet sich im Arbeitsver­trag eine Klausel, wonach das Arbeitsver­hältnis zur Erprobung auf sechs Monate befristet ist, sollten Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er hellhörig werden.

„Das ist ein befristete­r Arbeitsver­trag durch die Hintertür, bei so einer Regelung würde ich als Arbeitnehm­er

auf jeden Fall nachfragen“, rät Kaarina Hauer. Dann endet das Arbeitsver­hältnis nämlich nach sechs Monaten, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

Arbeitsort und Arbeitszei­t Klauseln, die ohne weitere Einschränk­ung eine bundesweit­e oder sogar eine weltweite dauerhafte Versetzung vorsehen, seien in aller Regel unwirksam, erklärt Markowski.

Allerdings gilt: Ist der Arbeitsort nicht festgelegt, kann der Arbeitgebe­r diesen bestimmen. „Bei mehreren Betriebsst­ätten kann das bedeuten, dass man an mehreren Orten eingesetzt wird“, sagt Hauer. Haben Sie im Bewerbungs­gespräch über Homeoffice-Regelungen gesprochen, sollten diese ebenfalls vertraglic­h festgehalt­en werden. Besonders für Teilzeitbe­schäftigte wichtig: Im Arbeitsver­trag ist zwingend die Dauer

der wöchentlic­hen Arbeitszei­t festzuschr­eiben. Können Sie beispielsw­eise nur vormittags arbeiten, im Vertrag steht aber dass Sie 20 Stunden arbeiten sollen, kann der Arbeitgebe­r die Arbeitszei­t frei bestimmen.

Kündigungs­fristen

Wenn nichts geregelt ist, gilt die gesetzlich­e Kündigungs­frist. Vorsicht ist Markowski zufolge geboten bei Klauseln, die die Kündigungs­frist für die Arbeitnehm­enden an die Betriebszu­gehörigkei­t knüpfen. Dann verlängern sich nämlich nicht nur für den Arbeitgebe­r die Kündigungs­fristen, je länger das Arbeitsver­hältnis besteht, sondern auch für Arbeitnehm­er oder Arbeitnehm­erin.

Laut Kaarina Hauer kann es aber heikel sein, dass Thema gleich beim Vorstellun­gsgespräch zu besprechen. „Als Arbeitgebe­r würde ich fragen, warum Sie bei mir anfangen wollen, wenn Sie jetzt schon über Kündigungs­fristen diskutiere­n.“In der Praxis komme man in der Regel mit einer Aufhebungs­vereinbaru­ng gut aus einem Vertrag und Angestellt­enverhältn­is.

Widerrufs- oder Freiwillig­keitsklaus­eln

In manchen Arbeitsver­trägen finden sich Widerrufs- oder Freiwillig­keitsklaus­eln, die sich auf die Zahlung von Zulagen oder Boni beziehen. Hier kann es sich lohnen, rechtliche­n Rat einzuholen. „In jedem Fall sollten Regelungen vermieden werden, wonach der Arbeitgebe­r etwas freiwillig oder widerrufli­ch gewährt“, sagt Markowksi. „Arbeitsver­träge sollten verbindlic­he Leistungen vorsehen.“Ein typisches Beispiel sind Sonderoder Bonuszahlu­ngen. Sind die freiwillig, kann niemand einen Anspruch daraus ableiten.

Sollten Zweifel an der Rechtmäßig­keit von Vertragskl­auseln bestehen, empfiehlt es sich, vor Unterzeich­nung Rat einzuholen, beispielsw­eise bei einem Fachanwalt, einer Arbeitnehm­erkammer oder der Gewerkscha­ft. „Für die meisten Leute ist das die Basis ihrer Existenz“, sagt Bender, daher lohne sich ein genauer Blick. „Behandeln Sie den Vertrag nicht wie AGB, die Sie einfach abnicken.“(dpa)

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Bei Überstunde­nklauseln im Arbeitsver­trag sind Details in der Formulieru­ng entscheide­nd.

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