Lindauer Zeitung

Immer größer, länger und teurer

Im Zuge der Russland-Sanktionen geraten Megayachte­n in den Fokus – Viele stammen aus deutschen Werften

- Von Thomas Kaufner

(dpa) - Mit den Sanktionen gegen russische Milliardär­e sind Megayachte­n ins Scheinwerf­erlicht der Weltöffent­lichkeit gerückt. Eine Woche nach Kriegsbegi­nn in der Ukraine nahm der Zoll an der französisc­hen Mittelmeer­küste die Yacht eines russischen Oligarchen in Arrest. In Hamburg ranken sich seit Tagen Spekulatio­nen über eine bevorstehe­nde Beschlagna­hme der in einem Dock der Werft Blohm+Voss liegenden Superyacht „Dilbar“. Und auch das Weiße Haus in Washington nimmt Vermögensw­erte russischer Eliten ins Visier und nennt dabei ausdrückli­ch auch deren Yachten. Mehr als alles andere symbolisie­ren die glamouröse­n Schiffe den Reichtum von Wirtschaft­smagnaten, schließlic­h sind sie – anders als abstrakte Geld- oder Aktienverm­ögen – für jedermann in den Häfen dieser Welt sichtbar.

Der Bau solcher Schiffe gehört zu den wenigen kleinen, aber feinen Nischen im Weltschiff­bau, in denen deutsche Werften zur Weltspitze gehören. Das Massengesc­häft mit Tankern, Fähren und Containers­chiffen ist dagegen schon vor langer Zeit gen

Asien abgewander­t. Der deutsche Schiffbau konzentrie­rt sich nun auf technologi­sch anspruchsv­olle Bereiche, wie der Verband Schiffbau und Meerestech­nik (VSM) betont: Den Bau von Kreuzfahrt­schiffen, Spezialfah­rzeugen für Behörden und das Militär – und eben Megayachte­n.

Harte Zahlen zum Volumen dieses Geschäftes gibt es nicht. Nicht einmal dem VSM als Branchenve­rband liegen präzise Angaben zu Aufträgen und Umsätzen der Werftindus­trie vor. Die Faustregel der Branche lautet: Megayachte­n sichern über die vergangene­n Jahre gesehen in etwa 20 Prozent des Geschäftsv­olumens. Sie sind so – wenn auch mit gehörigem Abstand – zweitwicht­igster Bereich hinter dem Bau von Kreuzfahrt­schiffen. Die wichtigste internatio­nale Konkurrenz verortet VSM-Geschäftsf­ührer Ralf Sören Marquardt vor allem in den Niederland­en und Italien.

Nach einem Ordervolum­en von durchschni­ttlich 4,3 Milliarden Euro pro Jahr war der Wert von Neubestell­ungen 2020 insgesamt allerdings auf unter eine Milliarde eingebroch­en. Mit 49 Schiffen im Gesamtwert von 16,6 Milliarden Euro war der Auftragsbe­stand des deutschen zivilen

Seeschiffb­aus so auf den niedrigste­n Wert seit fünf Jahren gefallen. Im Vorjahr hatte der Verband die Sorge geäußert, dass die Auftragsfl­aute neben dem hart getroffene­n Kreuzfahrt­sektor andere Bereiche treffen könnte. „Auch neue Aufträge bei Fähren, Yachten und Offshore-Fahrzeugen könnten in den nächsten Jahren Mangelware bleiben.“Frischere Daten dürften erst vorliegen, wenn der VSM im Mai seinen neuen Jahresberi­cht veröffentl­icht.

In den von Fachmagazi­nen veröffentl­ichten Toplisten der längsten, größten und teuersten Luxusyacht­en finden sich reihenweis­e Schiffe „made in Germany“. „Die meisten der 20 größten Yachten der Welt wurden von Lürssen gebaut“, heißt es bei der Bremer Werften-Gruppe. Darunter ist auch die 2016 ausgeliefe­rte „Dilbar“– laut Werft die nach Bruttotonn­age größte Yacht der Welt und zudem „eine der komplexest­en und anspruchsv­ollsten Yachten, die jemals gebaut wurden, sowohl bezüglich ihrer Dimensione­n als auch ihrer Technologi­e“. Unbestätig­ten Schätzunge­n zufolge soll allein diese Yacht bis zu 600 Millionen Euro gekostet haben. Zum Vergleich: Für solch einen Betrag könnten in etwa vier Containers­chiffe

der 400 Meter langen Megamax-Klasse in Auftrag gegeben werden.

Der wirkliche Kaufpreis und die Auftraggeb­er bleiben indes stets ein Geheimnis. Höchste Diskretion gehört zum Geschäftsm­odell. „Jedes unserer Superyacht-Projekte ist einmalig, aber dennoch haben sie eines gemeinsam: Auf Wunsch ihrer Eigner sind sie alle streng geheim“, heißt es etwa bei Nobiskrug. Die Werft hat sich ebenfalls auf den Bau von Superyacht­en spezialisi­ert und widmet dem Thema Privatsphä­re eine eigene Rubrik auf ihrer Homepage. „Dank der Größe und Ausstattun­g unserer Fertigungs­anlagen in Rendsburg und Kiel können wir problemlos große Schiffsbau­ten bis 400 m Länge vor der Öffentlich­keit – auf Kundenwuns­ch bis zur ersten Seeerprobu­ng – verbergen“, heißt es dort. Auch die „Dilbar“liegt in Hamburg komplett unter Planen verborgen.

Neben Lürssen und Nobiskrug haben sich die Werften Abeking & Rasmussen in der Nähe von Bremen sowie Lloyd in Bremerhave­n einen Namen im Yachtbau der Luxusklass­e gemacht. Und das Segment erhält weiteren Zulauf: Vor dem Hintergrun­d der Flaute bei Kreuzfahrt­schiffen

will sich auch die Meyer-Werft in Papenburg ein zweites Standbein im lukrativen Yachtbau schaffen „Wir haben bereits sehr positive Rückmeldun­gen erhalten, weil wir fast grenzenlos­e Ideen und Schiffsgrö­ßen realisiere­n können – auch die scheinbar verrücktes­ten“, hatte Werftchef Bernhard Meyer im vorigen September gesagt. „Wir sehen aktuell, dass die Nachfrage nach Megayachte­n steigt und Platz für eine weitere Werft in diesem Segment ist.“

Neben dem reinen Geschäftse­rfolg ist der Yachtbau für deutsche Schiffbaue­r vor allem interessan­t, weil er im Auftrag gut betuchter Kunden ein „Testfeld für neue Technologi­en“bietet, wie VSM-Geschäftsf­ührer Marquardt sagt. Vor ein paar Jahren habe man sich noch vor allem auf möglichst edle Ausstattun­gen konzentrie­rt, doch mittlerwei­le gebe es auch unter den Yachtkunde­n „Menschen mit grünen Ambitionen“. Für zukunftswe­isende Projekte beispielsw­eise bei klimaneutr­alen Antrieben mit Brennstoff­zellen und Batterien sieht der Branchenve­rband gerade im Yachtbau gute Voraussetz­ungen. „Das sind Kunden, wo es auf den Euro nicht ankommt.“

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