Inflation überholt Ampel-Pläne
Entlastungspaket der Koalition gegen hohe Energiepreise wohl zu knapp bemessen – Bürger müssen tiefer in die Tasche greifen
(dpa/hego) - Die steigenden Energiepreise machen Verbrauchern bereits seit Monaten zu schaffen. Jetzt ziehen die Preise für Gas, Strom und Rohöl als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine noch einmal rapide an. Auch auf Dauer ist kein Ende der Preisspirale absehbar.
„Der Anstieg der Energiepreise und der Logistikkosten durch den Ukraine-Krieg wird sich bei den Menschen im Alltag bemerkbar machen – bei jedem Einkauf im Supermarkt oder beim Discounter“, sagte der Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH), Boris Hedde. Die Preise würden noch stärker steigen als sie es zuletzt ohnehin schon taten. „Das wird eine Herausforderung sein – gerade für sozial schwächere Familien.“
Die Partei Die Linke schlägt bereits wegen der immer weiter steigenden Spritpreise Alarm. „Zwei Euro und mehr sind inakzeptabel und erfordern ein unverzügliches Gegensteuern der Bundesregierung“, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch am Wochenende. Mobilität dürfe kein Luxusgut werden.
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer macht wenig Hoffnung auf eine Besserung der Lage. Sie sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“, dass sie eine Inflationsrate von bis zu sechs Prozent für das Jahr 2022 nicht ausschließt. „Angesichts der durch die Krise vermutlich länger anhaltend hohen Energiepreise wird die Inflation in diesem Jahr sicher höher ausfallen, selbst eine fünf oder sechs vor dem Komma kann nicht ausgeschlossen werden“, sagte sie. Der Aufschwung werde „in diesem Jahr deutlich schwächer ausfallen“als im vergangenen Herbst prognostiziert.
Die Ampel-Koalition hatte Ende Februar ein Entlastungspaket beschlossen, das die Folgen der steigenden Strompreise abfedern soll. Doch dieses wird einer neuen Studie zufolge die Verluste der Bürger in diesem Jahr nicht ausgleichen. Das jährliche Gesamtvolumen von schätzungsweise zwölf Milliarden Euro relativiere sich angesichts des aktuellen Preisanstiegs, heißt es in einem Kurzbericht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. „Die Entlastungen werden die Kaufkraftverluste der Bürger lediglich teilweise auffangen können.“
Die Entlastungen, die von SPD, Grünen und FDP beschlossen worden waren sehen vor, dass in der Steuererklärung rückwirkend zum Jahresbeginn Grundfreibetrag, Werbungskostenpauschale und, befristet bis 2026, auch die Pendlerpauschale für Fernpendler angehoben werden. Die EEG-Umlage für Ökostrom wird im Juli von der Stromrechnung gestrichen und über den Bundeshaushalt finanziert. Außerdem soll es einen Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder geben.
Für den Fiskus seien die Maßnahmen „ohne Weiteres finanzierbar“, weil die Steuereinnahmen im Schatten
der Inflation ebenfalls zunähmen, heißt es im IW-Bericht. Je Prozentpunkt Inflation stiegen die Steuereinnahmen um schätzungsweise mehr als zehn Milliarden Euro.
Nach Rechnung des IW Köln muss ein Single mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von 25 000 Euro durch die steuerlichen Maßnahmen und die Abschaffung der EEG-Umlage in diesem Jahr rund 150 Euro weniger zahlen. Je mehr man verdient, desto höher die Entlastung. So werde ein Single mit einem Jahreseinkommen von 75 000 Euro rund 185 Euro weniger zahlen. Ob man die höhere Pauschale für Fernpendler oder die höhere Werbungskostenpauschale ansetzt, macht demnach kaum einen Unterschied. Ohne die höhere Pendlerpauschale ab dem 21. Kilometer würde sich für Pendler mit weiten Strecken demnach in der Regel gar keine Entlastung ergeben.