„Ein außergewöhnliches Jubiläum“
Das Leutkircher Spielwarenfachgeschäft Zorn ist seit 175 Jahren durchgehend in Familienhand
- Das Spielwarenfachgeschäft Zorn in Leutkirch feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum: 1847 eröffnet, ist es seither durchgehend in Familienhand. Trotz verschiedener Umzüge in diesen 175 Jahren ist das Geschäft dabei immer in der Marktstraße geblieben, wie der heutige Inhaber Burkhard Zorn im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erklärt. Außerdem erzählt er, warum das Geschäft kurzzeitig für einen französischen Buchladen weichen musste, wie ein Glockenzug über die Straße Geschäft und Werkstatt verbanden und warum es zuletzt wieder einen Aufschwung gab.
Eigentlich, so Zorn beim Blick auf die Historie, sei der Betrieb sogar noch länger als diese 175 Jahre in der Hand der Familie. Die Drechslerei, aus der das Geschäft 1847 entstand, gab es da bereits seit drei Generationen. Vor der Gründung des festen Geschäfts wurde „hausiert“. Der erste Laden war dann dort, wo heute das Modegeschäft Ankleide ist. „Das Gebäude hat damals den Schwiegereltern gehört“, so Zorn. Beim Gespräch liegt vor ihm ein großes Album mit alten Bildern, in dem unter anderem auch die Eröffnungsanzeige von 1847 noch aufbewahrt wird.
1862 sei dieses Haus dann verkauft worden und das Geschäft zog in ein Haus um, das es heute nicht mehr gibt. Es stand im vorderen Bereich des heutigen Kornhausplatzes, erklärt Zorn. Kurios damals: „Die Werkstatt des Geschäfts befand sich im Kanzleigebäude hinter dem historischen Rathaus, also auf der anderen Seite der Marktstraße. Werkstatt und Laden waren mit einem Glockenzug über die Straße hinweg verbunden, sodass es im Geschäft läutete, wenn jemand an der Werkstatttür klingelte“, erzählt Zorn.
In der Marktstraße 22, dem heutigen Standort, befindet sich das Geschäft seit 1893. Es war der Urgroßvater von Burkhard Zorn, unter dessen Leitung der Umzug damals stattfand. Aus diesen Räumen
musste das Geschäft seither nur nach dem Zweiten Weltkrieg kurz raus – die Franzosen errichteten 1945 nach ihrem Einmarsch dort einen französischen Bücherladen. In dieser Zeit war das Spielwarengeschäft in der Kürschnerei Zettler untergebracht, wo heute die Zweigstelle ist. Wohin der Kürschner während dieser Zeit ausweichen musste weiß Zorn nicht.
Beim Blick auf die alten Bilder, die Zorn in dem Album gesammelt hat, sieht man, dass immer mehr als nur Spielwaren verkauft worden sind. Bis vor etwa 20 Jahren, so Zorn, hatten sie eigentlich immer ein Mischsortiment. Waren das am Anfang noch Pfeifenköpfe, wurden es später Kinderwagen und Babyartikel. Nur alleine von Spielwaren zu leben, sei lange Zeit nicht möglich gewesen. Derzeit ist Zorn vor allem für das Modelleisenbahn-Sortiment bekannt, für das die Kunden auch von weiter weg kommen. Seit wann Modelleisenbahnen im Geschäft verkauft werden, kann er nicht sicher sagen, erste Lieferverträge mit Märklin gebe es jedenfalls seit Anfang der 30er-Jahre.
Einen Aufschwung hat der Spielwarenladen zuletzt durch die Urlauber aus dem Ferienpark bekommen. In Mittel- oder Norddeutschland, so Zorn, gebe es solche Spielwarenfachgeschäfte gar nicht mehr, weswegen die Urlauber von seinem Geschäft immer wieder begeistert seien. Mit Blick auf das Sortiment des Geschäfts erklärt er, dass es natürlich immer wieder Änderungen gebe, allerdings hätten sie bisher nie auf die extremen Trends gesetzt. „Wir haben schon immer eher zeitlose Spielwaren verkauft“, so Zorn.
Immer wieder passiere es auch, dass Sachen zum Verkauf stehen, von denen er weiß, dass sie eigentlich nicht verkäuflich sind. Etwa, weil niemand 150 oder 200 Euro für ein Holzspielzeug bezahlt. Da er aber auch immer mal wieder etwas Besonderes im Schaufenster stehen haben möchte, kommt es trotzdem ins Sortiment – „und wenn es nicht verkauft wird, ist das auch nicht schlimm, dann wandert es in die Familiensammlung“, erklärt Zorn schmunzelnd.
Besonders sei auch, dass er rund 200 Lieferanten hat. „Nur so komme ich auch an die Nischenprodukte, die für mich den Spaß ausmachen“, sagt Zorn. Außerdem schätze er es sehr, wenn er die Lieferanten persönlich kenne. Demnächst soll das Altstadthaus einen frischen Anstrich bekommen und der Ausleger wird wieder aufgehübscht. Eigentlich sollte beides bereits im letzten Jahr passieren, damit das Geschäft zum Jubiläum strahlt, so Zorn. Innen werde er dagegen nicht mehr so viel machen. Denn 1971 hat sein Vater für den Umbau noch einen Innenarchitekten und zwei Schreiner beauftragt, diesen individuellen Charme des familiengeführten Geschäfts merke man auch heute noch im Innenraum.
Wie es mit dem Traditionsgeschäft in den nächsten Jahren weiter geht? „Einen Nachfolger aus der Familie gibt es nicht“, betont Zorn. Es müsste jemand von außen dazustoßen, was es in der Branche aber selten gebe. Das bedeute aber nicht, dass das Spielwarengeschäft zwangsläufig schon in ein paar Jahren schließen wird. Auf die Frage, wie lange er denn noch weitermacht, verweist Zorn, der in diesem Jahr 60 wird, auf seine 90-jährige Mutter, die bis vor wenigen Jahren auch noch im Geschäft stand. Auch seine Großtanten hätten bis 80 dort gearbeitet.
Vor allem, da es ihm derzeit wieder sehr viel Spaß mache, kann er sich Stand heute auch vorstellen, selbst bis 80 im Laden zu stehen. Damit wären auch die nächsten 20 Jahre des Traditionsgeschäfts gesichert. Dass es ihm derzeit so viel Spaß macht, liege zum einen an den neuen Kunden durch den Ferienpark, bei diesen der individuelle Laden eine große Wertschätzung erfahre. Außerdem mache auch das Geschäft mit den Modelleisenbahnen wieder mehr Spaß. Der extreme Preiskrieg, den es hier eine Zeit lang gab, sei inzwischen vorbei, da viele Geschäfte komplett vom Markt verschwunden seien.
Wie groß das Alleinstellungsmerkmal des Spielwarengeschäfts durch diesen langen Betrieb in Familienhand über Leutkirch hinaus ist, ist gar nicht so einfach festzustellen, wie Nachfragen sowohl beim Handelsverband Deutschland als auch beim Handelsverband Baden-Württemberg zeigen. Während aus Stuttgart die Rückmeldung kommt, dass es im Land tatsächlich eine große Anzahl familiengeführter Unternehmen gibt, die auf sehr lange Geschichten zurückblicken können, spricht der Pressesprecher des Bundesverbands von einem „außergewöhnlichen Jubiläum“. Daten kann aber auch er nicht nennen.