Lindauer Zeitung

Möglicher Prozess in Brasilien

Baindter wurde in Brasilien getötet – Staatsanwa­ltschaft erhebt Anklage wegen Mordes

- Von Philipp Richter

(ric) Der Fall Kevin Gesualdi Doll beschäftig­t die Region noch immer. Der aus Baindt stammende junge Mann ging nach Brasilien, um dort Psychologi­e zu studieren und wurde im August 2020 in Belo Horizonte brutal getötet. Nach einer langen Zeit des Wartens und der Ungewisshe­it, gibt es jetzt Nachrichte­n, die den Eltern ihres damals 22 Jahre alten Sohnes Hoffnung geben. Denn jetzt könnte es zu einem Prozess kommen. Tatvorwurf: Mord. Danach sah es anfangs nicht aus.

Am 19. Oktober 2021 hat die Staatsanwa­ltschaft des brasiliani­schen Bundesstaa­tes Minas Gereis gegen den Tatverdäch­tigen Anklage wegen Mordes erhoben. „Die Anklagesch­rift liegt uns vor“, sagt Tanja Vobiller, Erste Staatsanwä­ltin bei der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg, auf Nachfrage.

Die Anklage wird auch von der Staatsanwa­ltschaft in Minas Gerais bestätigt. Wann es zum Prozess kommt, ist allerdings noch unklar. Eine Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“beim zuständige­n Gericht blieb bislang unbeantwor­tet.

Wenn ein deutscher Staatsbürg­er im Ausland gewaltsam ums Leben kommt, werden auch die deutschen Strafverfo­lgsbehörde­n aktiv. Deswegen landete der Fall im August 2020 auch auf dem Tisch der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg. Auch die Kriminalpo­lizei ist involviert. „Wir wollen den Fall möglichst umfassend aufklären“, sagte damals Oberstaats­anwaltscha­ft Karl-Josef Diehl, der inzwischen nach Stuttgart gewechselt ist. Die Entwicklun­gen in Brasilien werde von der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg „beobachtet“ und bewertet, wie sich Vobiller ausdrückt. Was genau das bedeutet, sagt sie jedoch nicht.

Tatverdäch­tig ist ein ehemaliger Polizeibea­mter der Polícia Civil in der brasiliani­schen Metropole Belo Horizonte. Er soll den jungen Baindter im Treppenhau­s eines mehrstöcki­gen Wohnhaus niedergest­ochen haben, wo Kevin Gesualdi Doll zuletzt wohnte.

Im Internet kursierte ein Video einer Überwachun­gskamera des Treppenhau­ses. Dieses zeigt, wie Kevin Gesualdi Doll einen Mann schlug. Es ließ die Vermutung zu, dass der ehemalige Polizist aus Notwehr gehandelt haben könnte. Doch für die Eltern war der Fall nicht so klar, wie es dieses Video scheinen ließ. Sie gehen davon aus, dass das Video vom Täter selbst ins Netz gestellt worden sei, das einen anderen Teil der Geschichte zeigt, wie sie sich wirklich zugetragen hat.

Der Obduktions­bericht, der den Eltern schon länger vorliegt, spricht nämlich eine ganz eigene Sprache. Aus dem geht laut Vater Ralf Doll hervor, dass sein Sohn mit neun Messerstic­hen getötet wurde – drei Stiche seien ins Herz gegangen. Ein wichtiges Detail ist, dass auch keine Drogen im Blut gefunden wurden.

In der Zwischenze­it ist ein weiteres Video einer Überwachun­gskamera im Internet aufgetauch­t. Das zeigt, dass der Tatverdäch­tige und sein Opfer sich schon in der Tiefgarage des Hauses getroffen haben. Auf diesem Video ist zu sehen, wie der Angreifer seinem späteren Opfer dort bereits unvermitte­lt ins Gesicht geschlagen hat.

„Mein Sohn hatte Nasenblute­n und war deswegen später wahrschein­lich so aufgebrach­t. Er hat den

Schlag nicht erwartet“, sagt der Vater. Was ihn immer noch beschäftig­t, ist, dass der Tatverdäch­tige in seine Wohnung gegangen sei, um dort das Messer zu holen, mit dem er seinen Sohn dann später niedergest­ochen haben soll.

Für Vater Ralf Doll ist es ein großer Erfolg, dass die brasiliani­sche Staatsanwa­ltschaft Anklage erhoben hat. Dass es soweit kam, sei aber auch ein langer Kampf gewesen, berichtet der Vater. Seit Herbst 2021 habe er schon den dritten Rechtsanwa­lt mit dem Fall betraut, nachdem der erste einfach abgetaucht sei und der zweite sein Mandat niedergele­gt

TRAUERANZE­IGEN hat. „Corona hat auch vieles schwerer gemacht“, berichtet er. In diesem Jahr will der Vater erneut nach Brasilien reisen, um selber vor Ort zu recherchie­ren.

Nach seiner Einschätzu­ng habe der große Druck auf die brasiliani­schen Behörden letztlich zur Anklageerh­ebung geführt. Schließlic­h war in diesem Fall auch Interpol eingeschal­tet worden, dem deutschen Konsulat ist der Fall bekannt und auch die Medien berichtete­n darüber.

Jetzt hoffen die Eltern auf einen Prozess, und dass der Tatverdäch­tige zur Rechenscha­ft gezogen wird.

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FOTO: PRIVAT Dieses Foto zeigt die ganze Familie: Kevin mit seiner Mutter Daniela Gesuladi und seinem Vater Ralf Doll.

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