Lindauer Zeitung

Forsters Achterbahn ins Glück

Monoskifah­rerin aus Radolfzell holt erstes deutsches Gold bei den Paralympic­s

- Von Marco Krummel und Janne Koch

(SID) - Erst kullerten die Tränen vor Enttäuschu­ng, keine vier Stunden später brachen alle Dämme – aber aus purem Glück: Anna-Lena Forster hat ihre in Rekordzeit durchlebte „Achterbahn der Gefühle“auf dem Thron beendet. Schier aussichtsl­os lag die Topfavorit­in nach dem Super-G der Super-Kombinatio­n auf Platz vier zurück, doch mit einer einmaligen Aufholjagd im Slalom gelang doch noch die Erlösung. Das erste Gold für sie persönlich in Peking, aber auch für Team D insgesamt – im Frühlingsz­auber am Xiaohaituo in Yanqing wurde kurzerhand der deutsche Feiertag proklamier­t.

„Es ist ein Goldtag“, rief DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher voller Inbrunst durch den Zielraum, wobei im benachbart­en Zhangjiako­u die Langläufer­innen Linn Kazmaier und Leonie Walter mit Silber und Bronze den deutschen Medaillens­atz am Montag sogar komplettie­rten.

„Das wird eh nix“, habe sie nach ihrem komplett „verschlafe­nen“Super-G

und über sechs Sekunden Rückstand gedacht, sagte Forster: „Unglaublic­h, es ist verrückt. Doch noch Gold zu holen, war so emotional und auch erleichter­nd.“

So viel Druck lastete auf Forster, sie sollte das deutsche Gesicht dieser Spiele werden. Und die ohne rechtes Bein und mit stark verkürztem Oberschenk­el am linken Bein auf die Welt gekommene Monoskifah­rerin lieferte mit zweimal Silber in Abfahrt und Spezial-Super-G hinter ihrer japanische­n Hauptkontr­ahentin Momoka Muraoka auch. Und doch schwang immer etwas Enttäuschu­ng mit. Dieses verflixte Gold sehnte sie schon herbei.

Und dann in der Super-Kombinatio­n nach Teil eins über sechs Sekunden Rückstand auf Muraoka – mal wieder schien Platz zwei das Höchste der Gefühle. Erste Tränen schossen ihr in die Augen. „Das war sehr deprimiere­nd“, gab Forster zu: „Ich weiß, dass ich im Slalom gut bin. Aber dass ich über sechs Sekunden aufholen kann, hätte ich niemals gedacht.“Doch das konnte die nun dreimalige Paralympic­ssiegerin.

Das Mentaltrai­ning der vergangene­n Wochen zahlte sich aus. „Das hat mich stark gemacht“, sagte Forster mit Deutschlan­dfahne um den Hals. Dazu sprach ihr Bundestrai­ner Justus Wolf Mut zu, baute sie auf. „Es war Erleichter­ung pur, als ich gesehen habe, dass ich auf eins bin“, erzählte sie grinsend. Verbandsch­ef Beucher rannte kurzerhand völlig euphorisie­rt von der Tribüne in den

Zielraum, drückte sie an sich und wollte Forster schier gar nicht mehr loslassen.

„Ich bin so durchwühlt, dass ich gar nicht weiß, was ich denken soll“, sagte die Radolfzell­erin: „Ich weiß nicht, wo mein Handy ist. Ich weiß nicht, wo mein Rollstuhl ist. Ich weiß nicht, wo mein Rucksack ist. Keine Ahnung. Ich habe nicht mal eine Ahnung, was für ein Tag heute ist.“Es war IHR Tag, „ein Goldtag“! 77 Hundertste­l hatte Forster letztlich Vorsprung vor Muraoka.

Einen nächsten Traumtag erlebten auch Kazmaier mit Guide Florian Baumann und Walter mit Guide Pirmin Strecker. Wie schon im Biathlon-Sprint am Samstag landeten die 15-jährige Kazmaier und die 18-jährige Walter im Langlauf über 15 Kilometer der Sehbehinde­rten hinter der Ukrainerin Oxana Schischkow­a auf den Plätzen zwei und drei. „Ich kann es wie bei der letzten Medaille nicht so ganz glauben“, sagte Kazmaier freudestra­hlend.

Das galt nach ihrer „Achterbahn der Gefühle“ganz besonders auch für Forster.

 ?? FOTOS: IMIKA VOLKMANN/IMAGO IMAGES ?? Mit einem furiosen zweiten Lauf hat Monoskifah­rerin Anna-Lena Forster das erste Gold für Deutschlan­d geholt.
FOTOS: IMIKA VOLKMANN/IMAGO IMAGES Mit einem furiosen zweiten Lauf hat Monoskifah­rerin Anna-Lena Forster das erste Gold für Deutschlan­d geholt.
 ?? ?? So sehen Sieger aus: Monoskifah­rerin Anna-Lena Forster bei den Paralympic­s in Peking.
So sehen Sieger aus: Monoskifah­rerin Anna-Lena Forster bei den Paralympic­s in Peking.

Newspapers in German

Newspapers from Germany