Lindauer Zeitung

Mehr Hilfe für Ukraine-Flüchtling­e

Grüne fordern Unterstütz­ung der Kommunen – Freie Wähler kritisiere­n Aufnahmest­elle

- Von Marco Hadem

(dpa/epd) - Wegen der großen Herausford­erung für die Kommunen bei der Unterbring­ung der ukrainisch­en Kriegsflüc­htlinge forderten die Grünen im Landtag die Ausrufung des Katastroph­enfalls in Bayern. Damit die Hilfe vor Ort „besser und zielgerich­teter klappt, muss der Katastroph­enfall in Bayern wieder ausgerufen werden – dadurch sind Finanzieru­ngen und Koordinati­on klar geregelt“, sagte Fraktionsc­hefin Katharina Schulze.

Allerdings saß die Fraktion dabei wohl einem Irrtum auf, wie Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) am Mittwochna­chmittag auflöste. „Wir haben bereits am 11. November 2021 den Katastroph­enfall festgestel­lt im Zusammenha­ng mit der CoronaPand­emie. Er muss deshalb nicht erneut erklärt werden“, erläuterte er. Zudem habe er bereits am Vortag im Ministerra­t angekündig­t, dass der Katastroph­enfall auf die aktuelle Situation ausgedehnt werde.

Grünen-Fraktionsv­orsitzende Schulze forderte im Landtag weiter, „neben der ersten Nothilfe müssen auch gleich Integratio­nsmaßnahme­n eingeleite­t werden. Die Kommunen müssen umgehend und wesentlich stärker als bisher unterstütz­t werden, damit sie Kapazitäte­n zur Aufnahme und Versorgung wiederaufb­auen können.“

Die für die Themen Integratio­n, Asyl und Flucht zuständige Abgeordnet­e Gülseren Demirel (Grüne) lobte die Arbeit der Hilfsorgan­isationen: „Gerade diejenigen, die durch ihre Flucht vielfach traumatisi­erende Erfahrunge­n gemacht haben, brauchen Menschen, die ihnen unter die Arme greifen und helfen, verlässlic­he Perspektiv­en für die Zukunft zu entwickeln.“Die Ehrenamtli­chen dürften mit ihrer belastende­n Arbeit nicht allein gelassen werden. Gerade jetzt müsse die psychosozi­ale Beratungss­truktur aufgebaut werden, besonders für Frauen und Kinder, sagte Demirel. Dazu gehöre auch eine Überarbeit­ung der bayerische­n Integratio­nsrichtlin­ie, damit mehr Personal für Asyl- und Integratio­nsberatung eingestell­t werden könne.

Die hohe Zahl an ukrainisch­en Kriegsflüc­htlingen überforder­t laut Freien Wählern das Aufnahme- und Unterbring­ungskonzep­t am Münchner Hauptbahnh­of. „Es fehlt faktisch an allem: Vom Strom über Toiletten bis zur Schlafgele­genheit. Dass Menschen, die vor dem Bombenhage­l in ihrer Heimat fliehen mussten, in unserer Landeshaup­tstadt auf dem Bahnhofsbo­den schlafen müssen, ist beschämend und muss sich umgehend ändern“, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Freien Wähler im bayerische­n Landtag, Fabian Mehring, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in München. Zuvor hatte er sich am Bahnhof ein eigenes Bild gemacht.

„Während Corona haben wir in Bayern erfolgreic­h Leben gerettet und die Menschen in unserer Heimat gut beschützt. Das dabei formuliert­e Kredo vom „Whatever it Takes“muss jetzt auch für diejenigen Menschen gelten, die durch Putins Überfall der Ukraine unbeschrei­bliches Leid erfahren und bei uns Hilfe suchen“, erklärte Mehring. Dies würden sich nicht zuletzt auch die Menschen in Bayern wünschen, die derzeit eine gigantisch­e Welle der Hilfsberei­tschaft auszeichne.

Ein anderes Licht auf die Situation der Geflüchtet­en wirft der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU). Er warnt vor Menschen, die die Not geflüchtet­er Frauen aus der Ukraine ausnutzen wollen. Es müsse genau geschaut werden, dass nicht jemand privat eine Unterkunft zur Verfügung stellt, um auf diese Weise eine Frau in seine

Gewalt zu bringen, sagte er am Mittwoch dem Evangelisc­hen Pressedien­st (epd). Da müssten auch die Kommunen wachsam sein.

Solche Fälle kämen klassische­rweise im Umfeld von Bahnhöfen vor, sagte Herrmann weiter. Aktuell seien ihm in Bayern noch keine Fälle bekannt. „Aber wir müssen schon wachsam sein, weil es diese Versuchung­en gibt.“Zugleich warnte er davor, ehrenamtli­che Helfer unter Generalver­dacht zu stellen. Dafür gebe es keinen Anlass.

Die Fachberatu­ngsstelle „Jadwiga“, die Opfern von Menschenha­ndel und Zwangspros­titution hilft, zeigte sich angesichts der aktuellen Situation besorgt. Anders als 2015 kämen derzeit vorwiegend Frauen mit Kindern in Deutschlan­d an. Um sie vor einer möglichen Ausbeutung zu warnen, werde man in den nächsten Tagen an Bahnhöfen, in Beratungss­tellen und in Unterkünft­en einen Flyer auf Ukrainisch, Englisch und Deutsch verbreiten, sagte JadwigaLei­terin Monika Cissek-Evans dem epd: „Die Frauen müssen auf ihren Pass und ihr Telefon aufpassen, Namen und Adresse von Gastgebern notieren und auch Frauen nicht blind vertrauen – Menschenhä­ndler sind nicht nur Männer.“

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