Mehr Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge
Grüne fordern Unterstützung der Kommunen – Freie Wähler kritisieren Aufnahmestelle
(dpa/epd) - Wegen der großen Herausforderung für die Kommunen bei der Unterbringung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge forderten die Grünen im Landtag die Ausrufung des Katastrophenfalls in Bayern. Damit die Hilfe vor Ort „besser und zielgerichteter klappt, muss der Katastrophenfall in Bayern wieder ausgerufen werden – dadurch sind Finanzierungen und Koordination klar geregelt“, sagte Fraktionschefin Katharina Schulze.
Allerdings saß die Fraktion dabei wohl einem Irrtum auf, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwochnachmittag auflöste. „Wir haben bereits am 11. November 2021 den Katastrophenfall festgestellt im Zusammenhang mit der CoronaPandemie. Er muss deshalb nicht erneut erklärt werden“, erläuterte er. Zudem habe er bereits am Vortag im Ministerrat angekündigt, dass der Katastrophenfall auf die aktuelle Situation ausgedehnt werde.
Grünen-Fraktionsvorsitzende Schulze forderte im Landtag weiter, „neben der ersten Nothilfe müssen auch gleich Integrationsmaßnahmen eingeleitet werden. Die Kommunen müssen umgehend und wesentlich stärker als bisher unterstützt werden, damit sie Kapazitäten zur Aufnahme und Versorgung wiederaufbauen können.“
Die für die Themen Integration, Asyl und Flucht zuständige Abgeordnete Gülseren Demirel (Grüne) lobte die Arbeit der Hilfsorganisationen: „Gerade diejenigen, die durch ihre Flucht vielfach traumatisierende Erfahrungen gemacht haben, brauchen Menschen, die ihnen unter die Arme greifen und helfen, verlässliche Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln.“Die Ehrenamtlichen dürften mit ihrer belastenden Arbeit nicht allein gelassen werden. Gerade jetzt müsse die psychosoziale Beratungsstruktur aufgebaut werden, besonders für Frauen und Kinder, sagte Demirel. Dazu gehöre auch eine Überarbeitung der bayerischen Integrationsrichtlinie, damit mehr Personal für Asyl- und Integrationsberatung eingestellt werden könne.
Die hohe Zahl an ukrainischen Kriegsflüchtlingen überfordert laut Freien Wählern das Aufnahme- und Unterbringungskonzept am Münchner Hauptbahnhof. „Es fehlt faktisch an allem: Vom Strom über Toiletten bis zur Schlafgelegenheit. Dass Menschen, die vor dem Bombenhagel in ihrer Heimat fliehen mussten, in unserer Landeshauptstadt auf dem Bahnhofsboden schlafen müssen, ist beschämend und muss sich umgehend ändern“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler im bayerischen Landtag, Fabian Mehring, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in München. Zuvor hatte er sich am Bahnhof ein eigenes Bild gemacht.
„Während Corona haben wir in Bayern erfolgreich Leben gerettet und die Menschen in unserer Heimat gut beschützt. Das dabei formulierte Kredo vom „Whatever it Takes“muss jetzt auch für diejenigen Menschen gelten, die durch Putins Überfall der Ukraine unbeschreibliches Leid erfahren und bei uns Hilfe suchen“, erklärte Mehring. Dies würden sich nicht zuletzt auch die Menschen in Bayern wünschen, die derzeit eine gigantische Welle der Hilfsbereitschaft auszeichne.
Ein anderes Licht auf die Situation der Geflüchteten wirft der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er warnt vor Menschen, die die Not geflüchteter Frauen aus der Ukraine ausnutzen wollen. Es müsse genau geschaut werden, dass nicht jemand privat eine Unterkunft zur Verfügung stellt, um auf diese Weise eine Frau in seine
Gewalt zu bringen, sagte er am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Da müssten auch die Kommunen wachsam sein.
Solche Fälle kämen klassischerweise im Umfeld von Bahnhöfen vor, sagte Herrmann weiter. Aktuell seien ihm in Bayern noch keine Fälle bekannt. „Aber wir müssen schon wachsam sein, weil es diese Versuchungen gibt.“Zugleich warnte er davor, ehrenamtliche Helfer unter Generalverdacht zu stellen. Dafür gebe es keinen Anlass.
Die Fachberatungsstelle „Jadwiga“, die Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution hilft, zeigte sich angesichts der aktuellen Situation besorgt. Anders als 2015 kämen derzeit vorwiegend Frauen mit Kindern in Deutschland an. Um sie vor einer möglichen Ausbeutung zu warnen, werde man in den nächsten Tagen an Bahnhöfen, in Beratungsstellen und in Unterkünften einen Flyer auf Ukrainisch, Englisch und Deutsch verbreiten, sagte JadwigaLeiterin Monika Cissek-Evans dem epd: „Die Frauen müssen auf ihren Pass und ihr Telefon aufpassen, Namen und Adresse von Gastgebern notieren und auch Frauen nicht blind vertrauen – Menschenhändler sind nicht nur Männer.“