Lindauer Zeitung

Öffentlich­e Informatio­nen zu Abtreibung bald straffrei

Kabinett bringt Streichung des Paragrafen 219a auf den Weg – Entsetzen bei der CDU

- Von Michael Gabel und Katja Korf mit Agentur

- Werbung und öffentlich­e Informatio­n für Abtreibung steht bislang unter Strafe. Die Ampelkoali­tion will das ändern und den Paragrafen 219a streichen. Das Kabinett brachte am Mittwoch den entspreche­nden Gesetzentw­urf auf den Weg. Die CDU lehnt das ab und plädiert für eine Alternativ­e.

„Wir wollen gerade im Sinne des Lebensschu­tzes sicherstel­len, dass jede Frau ihre Entscheidu­ng möglichst gut informiert abwägen und treffen kann“, sagte Justiz-Staatssekr­etär Benjamin Strasser aus Berg bei Ravensburg im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Gleichzeit­ig haben wir darauf geachtet, dass anstößige Werbung für Schwangers­chaftsabbr­üche über das Heilmittel­werbegeset­z verboten ist und sanktionie­rt wird.“

Frauen sollen sich den Plänen zufolge künftig auf zwei Wegen über Möglichkei­ten des Schwangers­chaftsabbr­uchs informiere­n können – wie bisher im Gespräch in der Arztpraxis und jetzt zusätzlich auch über das Internet. Weiterhin gilt, dass nicht intensiv für Schwangers­chaftsabbr­üche geworben werden darf. Um dies zu erreichen, soll parallel zum Verzicht auf den Paragrafen 219a die Geltung des Heilmittel­werbegeset­zes auf Abtreibung­en erweitert werden. In dem Gesetz ist unter anderem festgelegt, dass „irreführen­de Werbung über die Art und Weise der Verfahren oder Behandlung­en verboten“ist.

Außerdem hält die Bundesregi­erung in ihrem Beschluss fest, dass „strafgeric­htliche Urteile, die nach dem 3. Oktober 1990 ergangen sind, aufgehoben und die Verfahren eingestell­t werden“. Verurteilt­e Ärztinnen und Ärzte würden so „von ihrem Strafmakel befreit“. Dies beträfe unter anderem die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die 2019 wegen unzulässig­er Werbung für Schwangers­chaftsabbr­üche zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Gegen eine Abschaffun­g des Paragrafen 219a wendet sich die CDU. „Mit der Streichung sehe ich die Gefahr einer offenen Werbung für

Schwangers­chaftsabbr­üche zum Beispiel mit Flyern im Wartezimme­r oder in der S-Bahn“, sagte die CDUBundest­agsabgeord­nete Mechthild Heil der „Schwäbisch­en Zeitung“. Statt der kompletten Streichung befürworte sie das Anlegen öffentlich zugänglich­er Arztverzei­chnisse etwa durch die Beratungss­tellen oder die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung, betonte die Politikeri­n, die zugleich Bundesvors­itzende der Katholisch­en Frauengeme­inschaft Deutschlan­ds ist.

Schärfer in ihrer Kritik wurde die stellvertr­etende Vorsitzend­e der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Andrea Lindholz (CSU). Sie erklärte, „Werbung für Schwangers­chaftsabbr­üche ist falsch, unethisch und muss durch den Gesetzgebe­r verboten bleiben“, erklärte Lindholz. „Der

Beschluss der Ampel ist verfassung­srechtlich fragwürdig und ideologisc­h getrieben.“Auch Bayerns Sozialmini­sterin und Frauenbeau­ftragte der Staatsregi­erung, Ulrike Scharf (CSU), sprach sich gegen die Streichung des Paragrafen aus. „Das Selbstbest­immungsrec­ht von Frauen wird dadurch definitiv nicht verbessert“, erklärte Scharf. Stattdesse­n müsse die neutrale Beratung der Frauen, die einen Schwangers­chaftsabbr­uch in Erwägung zögen, im Mittelpunk­t stehen.

Weitergehe­nde Überlegung­en, etwa den gesamten Abtreibung­sparagrafe­n 218 aus dem Strafgeset­zbuch zu streichen, waren bei der Kabinettss­itzung am Mittwoch kein Thema. „Wir haben im Koalitions­vertrag vereinbart, den Paragrafen 218 ergebnisof­fen zu prüfen“, sagte FDP-Justizstaa­tssekretär Strasser. „Ich bin aber sehr skeptisch, ob es juristisch haltbar wäre, Schwangers­chaftsabbr­üche ganz aus dem Strafgeset­zbuch zu streichen und statt dessen zum Beispiel nur noch als eine Ordnungswi­drigkeit zu werten.“Das Bundesverf­assungsger­icht habe mehrfach klar gemacht, dass der Schutz des ungeborene­n Lebens abzuwägen ist mit dem Selbstbest­immungsrec­ht der Frauen. „Und das sehe ich persönlich nur gegeben, wenn man die Regeln des 218 im Strafgeset­zbuch belässt“, so Strasser.

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ARCHIVFOTO: STEFAN BONESS/IMAGO IMAGES Gegen den Paragrafen 219a hatten unter anderem Frauenorga­nisationen protestier­t – wie hier 2018 vor dem Reichstag.

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