Öffentliche Informationen zu Abtreibung bald straffrei
Kabinett bringt Streichung des Paragrafen 219a auf den Weg – Entsetzen bei der CDU
- Werbung und öffentliche Information für Abtreibung steht bislang unter Strafe. Die Ampelkoalition will das ändern und den Paragrafen 219a streichen. Das Kabinett brachte am Mittwoch den entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg. Die CDU lehnt das ab und plädiert für eine Alternative.
„Wir wollen gerade im Sinne des Lebensschutzes sicherstellen, dass jede Frau ihre Entscheidung möglichst gut informiert abwägen und treffen kann“, sagte Justiz-Staatssekretär Benjamin Strasser aus Berg bei Ravensburg im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Gleichzeitig haben wir darauf geachtet, dass anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche über das Heilmittelwerbegesetz verboten ist und sanktioniert wird.“
Frauen sollen sich den Plänen zufolge künftig auf zwei Wegen über Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruchs informieren können – wie bisher im Gespräch in der Arztpraxis und jetzt zusätzlich auch über das Internet. Weiterhin gilt, dass nicht intensiv für Schwangerschaftsabbrüche geworben werden darf. Um dies zu erreichen, soll parallel zum Verzicht auf den Paragrafen 219a die Geltung des Heilmittelwerbegesetzes auf Abtreibungen erweitert werden. In dem Gesetz ist unter anderem festgelegt, dass „irreführende Werbung über die Art und Weise der Verfahren oder Behandlungen verboten“ist.
Außerdem hält die Bundesregierung in ihrem Beschluss fest, dass „strafgerichtliche Urteile, die nach dem 3. Oktober 1990 ergangen sind, aufgehoben und die Verfahren eingestellt werden“. Verurteilte Ärztinnen und Ärzte würden so „von ihrem Strafmakel befreit“. Dies beträfe unter anderem die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die 2019 wegen unzulässiger Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.
Gegen eine Abschaffung des Paragrafen 219a wendet sich die CDU. „Mit der Streichung sehe ich die Gefahr einer offenen Werbung für
Schwangerschaftsabbrüche zum Beispiel mit Flyern im Wartezimmer oder in der S-Bahn“, sagte die CDUBundestagsabgeordnete Mechthild Heil der „Schwäbischen Zeitung“. Statt der kompletten Streichung befürworte sie das Anlegen öffentlich zugänglicher Arztverzeichnisse etwa durch die Beratungsstellen oder die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, betonte die Politikerin, die zugleich Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands ist.
Schärfer in ihrer Kritik wurde die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz (CSU). Sie erklärte, „Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist falsch, unethisch und muss durch den Gesetzgeber verboten bleiben“, erklärte Lindholz. „Der
Beschluss der Ampel ist verfassungsrechtlich fragwürdig und ideologisch getrieben.“Auch Bayerns Sozialministerin und Frauenbeauftragte der Staatsregierung, Ulrike Scharf (CSU), sprach sich gegen die Streichung des Paragrafen aus. „Das Selbstbestimmungsrecht von Frauen wird dadurch definitiv nicht verbessert“, erklärte Scharf. Stattdessen müsse die neutrale Beratung der Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung zögen, im Mittelpunkt stehen.
Weitergehende Überlegungen, etwa den gesamten Abtreibungsparagrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, waren bei der Kabinettssitzung am Mittwoch kein Thema. „Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Paragrafen 218 ergebnisoffen zu prüfen“, sagte FDP-Justizstaatssekretär Strasser. „Ich bin aber sehr skeptisch, ob es juristisch haltbar wäre, Schwangerschaftsabbrüche ganz aus dem Strafgesetzbuch zu streichen und statt dessen zum Beispiel nur noch als eine Ordnungswidrigkeit zu werten.“Das Bundesverfassungsgericht habe mehrfach klar gemacht, dass der Schutz des ungeborenen Lebens abzuwägen ist mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen. „Und das sehe ich persönlich nur gegeben, wenn man die Regeln des 218 im Strafgesetzbuch belässt“, so Strasser.