Ukrainischen Kindern stehen Kitas und Schulen offen
Welche Regelungen für die Kriegsflüchtlinge in Deutschland gelten – Zehntausende sind inzwischen angekommen
- Die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge, die Deutschland erreichen, wächst Tag für Tag. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind bereits rund 80 000 Menschen hierzulande registriert worden. Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein, da Ukrainer einfach mit einem biometrischen Pass einreisen können. Ein Blick Richtung Osten legt nahe, dass noch sehr viel mehr Kriegsflüchtlinge kommen könnten. Hier die wichtigsten Fakten zum Thema.
Wie viele Ukrainer haben seit dem russischen Angriff ihr Land verlassen?
Laut Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sind 2,2 Millionen Menschen (Stand 8. März) aus der Ukraine geflohen. Knapp 1,3 Millionen Kriegsflüchtlinge haben den Weg nach Polen gewählt. Viele Ukrainer haben Verwandte in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – beispielsweise in Italien, Tschechien – oder auch in Deutschland, wo offiziell rund 135 000 ukrainische Staatsbürger leben. Es wird erwartet, dass die Geflüchteten versuchen werden, dort unterzukommen, wo sie Familie und Freunde haben. In den vergangenen Tagen hat sich bereits gezeigt, dass vor allem Frauen und Kinder auf der Flucht sind. Ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen ihr Heimatland nicht verlassen.
Werden die Flüchtlinge an den Grenzen zur EU kontrolliert?
An den Außengrenzen der EU – in Polen, Ungarn, der Slowakei und Rumänien – werden die Reisepässe der Flüchtlinge überprüft. Die EU unterstützt die Kontrollen mit der Agentur Frontex. Nach Angaben der Europäischen Kommission sind mehr als 200 Frontex-Mitarbeiter an der Grenze zur Ukraine in Rumänien und im Nicht-EU-Land Moldau im Einsatz.
Was passiert mit Ukrainern, die nach Deutschland wollen?
Wer sein Auto in der Ukraine zurücklassen musste, kann beispielsweise von Polen kostenfrei mit dem
Zug nach Deutschland reisen. Die Deutsche Bahn hat auf der Strecke von Warschau nach Berlin sogenannte Entlastungszüge eingesetzt, um den Menschen den Weg Richtung Westen zu erleichtern. Gleichzeitig bemühen sich Bund und Länder um eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge auf das gesamte Bundesgebiet. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums transportieren Busse von Cottbus, Frankfurt/Oder und Berlin die Menschen in andere Bundesländer. Am Hauptbahnhof in Berlin waren in den vergangenen Tagen mehrere Zehntausend Flüchtlinge angekommen. Es gebe große Anstrengungen, die Behörden in Berlin zu entlasten, sagte Maximilian Kall, Sprecher des Innenministeriums, am Mittwoch.
Wer kann überhaupt auf die Bundesländer umverteilt werden? Wenn ukrainische Flüchtlinge privat unterkommen, sind sie in der Wahl ihres Aufenthaltsortes frei. Alle anderen, die keine Unterkunft haben oder weitere Unterstützung brauchen, werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auf die Länder verteilt. Soweit möglich würden hierbei familiäre Bindungen berücksichtigt, teilte das Bamf am Mittwoch mit. Die Verteilung erfolge in enger Koordination zwischen Bund und Ländern. Die Bundesländer meldeten, wie viele Flüchtlinge sie für einen bestimmten Zeitraum unterbringen könnten, die Feinplanung werde täglich abgestimmt.
Mit welchen Hilfen zum Lebensunterhalt können ukrainische Flüchtlinge rechnen?
Obwohl die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine – anders als beispielsweise syrische Flüchtlinge – keinen Asylantrag in der Europäischen Union stellen müssen, bekommen sie bei Bedürftigkeit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dafür müssen sie zuvor bei der zuständigen Ausländerbehörde registriert sein. Die finanzielle Unterstützung für eine alleinstehende Person liegt derzeit bei insgesamt 367 Euro, bezahlt von den Bundesländern. Auf Hartz-IV-Leistungen, die über diesen Sätzen liegen, haben die ukrainischen Flüchtlinge keinen direkten Anspruch. Sie dürfen aber auf jeden Fall selbstständig arbeiten in Deutschland, ein Beschäftigungsverhältnis kann nach Paragraf 24 des Aufenthaltsgesetzes erlaubt werden.
Auf welcher rechtlichen Basis bekommen die Kriegsflüchtlinge Schutz in der EU?
Die Europäische Union hat in der vergangenen Woche einstimmig beschlossen, die „Richtlinie über vorübergehenden Schutz“zu aktivieren, um den Aufenthalt der aus der Ukraine geflohenen Menschen einfach und unbürokratisch zu regeln. Mit dem Beschluss hat sich die EU auch zur Solidarität verpflichtet. Die Mitgliedstaaten, die Flüchtlinge aufnehmen, können zusätzliche finanzielle Mittel erhalten. Die Umverteilung der geflohenen Menschen soll durch eine „Solidaritätsplattform“erleichtert werden. In den vergangenen Jahren war eine gemeinsame Linie in der Migrationspolitik in der EU gescheitert, weil gerade die Länder im Osten Europas sich weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen.
Dürfen ukrainische Kinder in Deutschland zur Schule gehen? Gegen einen Schulbesuch der Flüchtlingskinder spricht rechtlich nichts. Auch die Kitas stehen für die Kinder aus der Ukraine offen. Die badenwürttembergische Kultusministerin Theresa Schopper warb bei Schulen und Kommunen dafür, ihnen einen leichten Einstieg in den Unterricht zu ermöglichen. „Von unserer Seite ist klar: Wenn ein Kind in die Schule möchte, dann darf es auch in die
Schule gehen“, sagte die Ministerin der „Südwestpresse“. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht deshalb große Herausforderungen auf die Bildungseinrichtungen zukommen. Notwendig seien zusätzliche Fachkräfte, insbesondere in den Bereichen Schulsozialarbeit und -psychologie sowie für die Sprachbildung. „Wir sehen einen dramatischen Lehr- und Fachkräftemangel an Kitas, in den sozialen Diensten und an Schulen“, teilte GEW-Vorsitzende Maika Finnern der „Schwäbischen Zeitung“mit. Die Pädagogen seien zwar gut vorbereitet auf die Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen, aber nach fast zwei Jahren Arbeiten in der Corona-Pandemie erschöpft. Die Folgen der russischen Invasion in die Ukraine beschäftigen auch die Kultusministerkonferenz, die am Donnerstag in Lübeck beginnt.
Welchen Impfstatus bringen die ukrainischen Flüchtlinge mit?
Nur etwa ein Drittel ist laut Bundesgesundheitsministerium gegen Corona geimpft. Von den Geimpften habe wiederum rund ein Drittel den chinesischen Impfstoff Sinovac bekommen, der in der EU nicht zugelassen ist. Internationale Studien zeigen, dass Sinovac grundsätzlich weniger gut vor Ansteckung schützt als die bei uns verwendeten Vakzine. Allerdings zeigen Studien auch: Nach zwei Dosen Sinovac kann ein Booster mit mRNA-Impfstoffen von Biontech oder Moderna den Schutz deutlich erhöhen. Omikron ist nach dem Siegeszug in West- und Mitteleuropa laut Weltgesundheitsorganisation mittlerweile nach Osteuropa gezogen und hatte dort im Februar die Fallzahlen mehr als verdoppelt. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC geht zudem davon aus, dass viele Flüchtlinge aus der Ukraine auch gegen Masern und Kinderlähmung geimpft werden müssen.
„Schwäbische bringt zusammen“: Hilfe für die Ukraine in der Region auf www.schwäbische.de/ ukrainehilfe