Lindauer Zeitung

Wirbel um polnische MiG-29

Kampfflugz­euge sollten über US-Basis Ramstein an Ukraine gehen – USA verstimmt über den Vorstoß

- Von Thomas Spang

- Eigentlich sollte die Reise der US-Vizepräsid­entin nach Polen und Rumänien mehr symbolisch­en Charakter haben. Es ging Kamala Harris darum, Einheit mit den Nato-Partnern an der Ostflanke und Unterstütz­ung für die Flüchtling­e aus der Ukraine zu demonstrie­ren. Durch den Alleingang der Regierung in Warschau beim Umgang mit der ukrainisch­en Anforderun­g von MiG-29-Kampfflugz­eugen aus alten Sowjetbest­änden steht US-Vizepräsid­entin Harris nun vor einem diplomatis­chen Feuerwehre­insatz.

Das Thema dürfte im Vordergrun­d ihrer Gespräche mit dem polnischen Präsidente­n Andrzej Duda und Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki stehen, die mit Harris am Donnerstag über den heiklen Transfer sprechen wollten. „Das ist ein ziemliches Durcheinan­der“, sagt Daniel Fried, der unter US-Präsident Bill Clinton als Botschafte­r in Polen tätig war. Harris müsse da einiges ausbügeln.

Hintergrun­d ist der Appell des ukrainisch­en Präsidente­n, Wolodymyr Selenskyj, die Nato möge entweder eine Flugverbot­szone über seinem Land einrichten, oder seinen Streitkräf­ten MiGs bereitstel­len. Dies seien die einzigen Kampfflugz­euge, die seine Piloten fliegen können. Hauptadres­sat wäre Polen, das über etwa zwei Dutzend dieser Kampfjets verfügt. Ein paar weitere finden sich in den Beständen der Slowakei und Bulgariens.

Der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell hatte die zügige Übergabe voreilig in Aussicht gestellt, obwohl die betroffene­n Staaten aus Sorge darum, Kriegspart­ei zu werden, nicht zu einem direkten Transfer an die Ukraine bereit waren. US-Außenminis­ter Anthony Blinken zeigte sich aufgeschlo­ssen für einen Ringtausch, der die MiGs mit modernen F-16-Kampfflugz­eugen ersetzte. Allerdings befanden sich diese Gespräche erst im Anfangssta­dium.

Aus amerikanis­cher Sicht völlig überrasche­nd kam dann am Dienstag die Ankündigun­g der polnischen Regierung, man sei bereit, die MiGs auf den US-Luftwaffen­stützpunkt Ramstein zu verlegen. Die USA könnten die Kampfflieg­er von dort an die Ukraine übergeben.

Das Timing des Vorstoßes in Warschau erwischte die im US-Außenminis­terium für das Thema zuständige Ministeria­ldirektori­n Viktoria Nuland auf dem falschen Fuß. „Nach meinem Wissen, war das nicht mit uns abgestimmt“, erklärte sie bei einer Anhörung im Auswärtige­n Ausschuss des US-Senats. Kraft ihres Amtes hätte sie das wissen müssen, versichert­e sie den Senatoren.

Zumal sie unmittelba­r vor der Anhörung noch in einer Besprechun­g zum Thema gewesen sei. „Das war ein Überraschu­ngsmanöver der Polen.“

Das Pentagon beeilte sich, den polnischen Vorstoß öffentlich und ungewöhnli­ch deutlich zurückzuwe­isen. Dass Kampfflugz­euge „von einem US/Nato-Standort in Deutschlan­d in einen mit Russland umstritten­en Luftraum über der Ukraine fliegen, löste für das ganze Nato-Bündnis ernsthafte Bedenken aus“, erklärte Sprecher John Kirby.

Deutlicher ging es kaum. Dahinter steckt die Sorge der Amerikaner um die Konsequenz­en der Logistik einer Übergabe an die Ukraine. Ein hohes Regierungs­mitglied erklärte gegenüber „Politico“, das Militär und die Geheimdien­ste seien gegen einen solchen Transfer. Hinzu kämen ganz praktische Probleme. Demnach

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) ist gegen eine Lieferung von MiG-29-Kampfflugz­eugen aus der Nato an die von Russland angegriffe­ne Ukraine. Bei einer Pressekonf­erenz mit dem kanadische­n Premiermin­ister Justin Trudeau verwies er am Mittwoch in Berlin auf Finanzhilf­en, humanitäre Unterstütz­ung und die Lieferung einzelner Waffensyst­eme. „Und ansonsten ist es aber so, dass wir sehr genau überlegen müssen, was wir konkret tun. Und dazu gehören ganz sicherlich keine Kampfflugz­euge“, sagte Scholz. Trudeau warnte vor einer Eskalation. Sein Land werde weiter Ausrüstung­sgegenstän­de und Waffen schicken. (dpa)

müssten die Jets alle umgerüstet werden, da die ukrainisch­en Piloten die neuen Nato-Navigation­ssysteme nicht bedienen könnten.

Es gebe „eine Menge guter Ideen, die besprochen werden können“, spielte ein Mitarbeite­r des Weißen Hauses vor Abflug der Vizepräsid­entin am Donnerstag­morgen die Unstimmigk­eiten mit Polen herunter. Dazu gehört auch der vom ranghöchst­en Republikan­er im Auswärtige­n Komitee des Repräsenta­ntenhauses, Michael McCaul, in Spiel gebrachte „Plan B“. Demnach könnten die Ukrainer statt Flugzeugen mehr Kampfdrohn­en erhalten.

Für die Vizepräsid­entin verwandelt­e sich der symbolisch­e Besuch in Polen so zu einer heiklen Mission, deren Ziel darin besteht, diesen Ausrutsche­r in der ansonsten sorgfältig abgestimmt­en Nato-Diplomatie der USA schnell vergessen zu machen.

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