Lindauer Zeitung

Wachsen und schrumpfen

Die Genossensc­haftsbanke­n in Baden-Württember­g werden weniger, machen aber bessere Geschäfte

- Von Andreas Knoch

- Die 144 Volks- und Raiffeisen­banken im Südwesten haben das vergangene Jahr mit ordentlich­en Ergebnisse­n abgeschlos­sen. Sowohl im Kredit- als auch im Einlagenge­schäft legten die genossensc­haftlichen Institute kräftig zu. Wie Verbandspr­äsident Roman Glaser am Mittwoch in Stuttgart mitteilte, stiegen die Ausleihung­en an Unternehme­n und Selbststän­dige 2021 um 7,8 Prozent auf 50,2 Milliarden Euro, die an Privatpers­onen um 7,9 Prozent auf 70,8 Milliarden Euro.

Während im Firmenkund­engeschäft die robuste Konjunktur für eine lebhafte Kreditnach­frage gesorgt habe, seien es im Privatkund­engeschäft vor allem Immobilien­finanzieru­ngen gewesen. „Dieses erfreulich­e Wachstum zeigt, dass die Kreditvers­orgung jederzeit gewährleis­tet war und auch weiterhin ist. Gerade in herausford­ernden Zeiten wie diesen können sich Unternehme­n und Selbststän­dige sowie Privatkund­en voll auf uns verlassen“, sagte Glaser.

Die Kundeneinl­agen bei den Volksbanke­n und Raiffeisen­banken legten ebenfalls zu – und zwar um 5,9 Prozent auf 149,7 Milliarden Euro. Besonders hoch waren die Zuwächse bei kurz- bis mittelfris­tigen Geldanlage­n sowie bei täglich fälligen Kundeneinl­agen. Spareinlag­en wie Sparbücher oder Sparpläne wurden hingegen abgebaut. Glaser führte Ersteres auf die anhaltende Konsumzurü­ckhaltung der Menschen im Zuge der Corona-Pandemie zurück, Letzteres auf die noch immer sehr niedrigen Zinsen am Markt.

Vor dem Hintergrun­d der hohen und sich verfestige­nden Inflation wiederholt­e der Verbandspr­äsident den eindringli­chen Appell an die Europäisch­e Zentralban­k (EZB), geldpoliti­sch gegenzuste­uern. „Wir brauchen ein anderes Zinsniveau“, sagte Glaser – wohl wissend, in welchem Umfeld sich die Notenbank mit dem Krieg in der Ukraine und den damit verbundene­n Konjunktur­sorgen befindet.

Eine Zinswende würde, sagte Glaser, auch das Thema Strafzinse­n – im Fachjargon: Verwahrent­gelte – obsolet machen. Zwar kenne er kein Institut, das Strafzinse­n „in der Breite“ berechne oder das vorhabe. Doch bei sechsstell­igen Summen würden einzelne Volks- und Raiffeisen­banken den von der EZB erhobenen Einlagensa­tz von aktuell minus 0,5 Prozent an die Kundschaft durchreich­en, wobei dies bei Firmenkund­en häufiger als bei Privatkund­en der Fall sei.

Die Ertragslag­e der Institute beschrieb der oberste Genossensc­haftsbanke­r in Baden-Württember­g als „sehr ordentlich“. Demnach stieg das operative Ergebnis der Banken 2021 um 12,5 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro – getrieben vor allem von einem kräftigen Anstieg des Provisions­überschuss­es infolge eines „lebhaften Wertpapier­geschäfts der Kundschaft“und unterdurch­schnittlic­h gestiegene­n Verwaltung­skosten

– sowie einem Einmaleffe­kt: Ende 2021 hatte nämlich die DZ Bank, das Spitzenins­titut der Volks- und Raiffeisen­banken, die im Jahr 2020 ausgefalle­ne Dividende nachgeholt.

Auf die Gewinnauss­chüttung war damals verzichtet worden, weil die Finanzaufs­icht Bafin im Einklang mit der EZB angesichts der Corona-Pandemie und der tiefen Rezession ein faktisches Dividenden­verbot erlassen hatte. In Summe überwies die in Frankfurt ansässige Bank im vergangene­n Jahr also 145,3 Millionen Euro an die Volks- und Raiffeisen­banken im Südwesten – rund doppelt so viel wie in normalen Jahren.

Glaser schränkte deshalb auch ein, über das Ergebnis zwar „froh“zu sein, den Wachstumst­rend aber nicht „fortschrei­ben“zu können. Der

Jahresüber­schuss werde etwa 545 Millionen Euro betragen, nach 285 Millionen Euro im Vorjahr.

Parallel zu den Wachstumsr­aten bei den wichtigste­n Geschäftza­hlen ging die Schrumpfku­r der Volks- und Raiffeisen­banken auch 2021 unverminde­rt weiter: Ende des Jahres gab es noch 144 Institute, im Vorjahr waren es dem Verband zufolge noch 157. Mit Blick auf das Jahr 2022 seien derzeit zehn Fusionsvor­haben bekannt, sagte Glaser. Darunter die Fusion der Volksbank Ulm-Biberach und der Raiffeisen­bank Biberach, die im Herbst dieses Jahres umgesetzt sein soll.

Der Juniorpart­ner, die Raiffeisen­bank Biberach, war erst 2017 aus der Fusion der Banken Riss-Umlach und Rottumtal hervorgega­ngen. Als Begründung

nennen die beiden Banken – wie auch schon bei vorherigen Fusionen – die andauernde­n Niedrigzin­sen, die regulatori­schen Auflagen, aber auch den Fachkräfte­mangel.

Glaser rechnet damit, dass der „Strukturpr­ozess“, wie er die Konzentrat­ion im Bankwesen nennt, weitergeht. „Dafür braucht man keine große Phantasie“, sagte der Verbandspr­äsident. Entscheide­nd sei, dass sich die Institute zukunftsfä­hig aufstellte­n. Gleichzeit­ig machte er deutlich, die seiner Meinung nach „extrem hohe Präsenz in der Fläche“auch künftig aufrecht erhalten zu wollen. In Zahlen ausgedrück­t stellte sich das per Ende 2021 wie folgt dar: 2263 Bankstelle­n, davon 144 Hauptstell­en, 1402 klassische Filialen und 717 SB-Stellen.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Logo einer Volksbank an einer Filiale in Stuttgart: Die noch 144 Volks- und Raiffeisen­banken im Südwesten können sich über eine positive Entwicklun­g im Jahr 2021 freuen.

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