Wachsen und schrumpfen
Die Genossenschaftsbanken in Baden-Württemberg werden weniger, machen aber bessere Geschäfte
- Die 144 Volks- und Raiffeisenbanken im Südwesten haben das vergangene Jahr mit ordentlichen Ergebnissen abgeschlossen. Sowohl im Kredit- als auch im Einlagengeschäft legten die genossenschaftlichen Institute kräftig zu. Wie Verbandspräsident Roman Glaser am Mittwoch in Stuttgart mitteilte, stiegen die Ausleihungen an Unternehmen und Selbstständige 2021 um 7,8 Prozent auf 50,2 Milliarden Euro, die an Privatpersonen um 7,9 Prozent auf 70,8 Milliarden Euro.
Während im Firmenkundengeschäft die robuste Konjunktur für eine lebhafte Kreditnachfrage gesorgt habe, seien es im Privatkundengeschäft vor allem Immobilienfinanzierungen gewesen. „Dieses erfreuliche Wachstum zeigt, dass die Kreditversorgung jederzeit gewährleistet war und auch weiterhin ist. Gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen können sich Unternehmen und Selbstständige sowie Privatkunden voll auf uns verlassen“, sagte Glaser.
Die Kundeneinlagen bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken legten ebenfalls zu – und zwar um 5,9 Prozent auf 149,7 Milliarden Euro. Besonders hoch waren die Zuwächse bei kurz- bis mittelfristigen Geldanlagen sowie bei täglich fälligen Kundeneinlagen. Spareinlagen wie Sparbücher oder Sparpläne wurden hingegen abgebaut. Glaser führte Ersteres auf die anhaltende Konsumzurückhaltung der Menschen im Zuge der Corona-Pandemie zurück, Letzteres auf die noch immer sehr niedrigen Zinsen am Markt.
Vor dem Hintergrund der hohen und sich verfestigenden Inflation wiederholte der Verbandspräsident den eindringlichen Appell an die Europäische Zentralbank (EZB), geldpolitisch gegenzusteuern. „Wir brauchen ein anderes Zinsniveau“, sagte Glaser – wohl wissend, in welchem Umfeld sich die Notenbank mit dem Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen Konjunktursorgen befindet.
Eine Zinswende würde, sagte Glaser, auch das Thema Strafzinsen – im Fachjargon: Verwahrentgelte – obsolet machen. Zwar kenne er kein Institut, das Strafzinsen „in der Breite“ berechne oder das vorhabe. Doch bei sechsstelligen Summen würden einzelne Volks- und Raiffeisenbanken den von der EZB erhobenen Einlagensatz von aktuell minus 0,5 Prozent an die Kundschaft durchreichen, wobei dies bei Firmenkunden häufiger als bei Privatkunden der Fall sei.
Die Ertragslage der Institute beschrieb der oberste Genossenschaftsbanker in Baden-Württemberg als „sehr ordentlich“. Demnach stieg das operative Ergebnis der Banken 2021 um 12,5 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro – getrieben vor allem von einem kräftigen Anstieg des Provisionsüberschusses infolge eines „lebhaften Wertpapiergeschäfts der Kundschaft“und unterdurchschnittlich gestiegenen Verwaltungskosten
– sowie einem Einmaleffekt: Ende 2021 hatte nämlich die DZ Bank, das Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken, die im Jahr 2020 ausgefallene Dividende nachgeholt.
Auf die Gewinnausschüttung war damals verzichtet worden, weil die Finanzaufsicht Bafin im Einklang mit der EZB angesichts der Corona-Pandemie und der tiefen Rezession ein faktisches Dividendenverbot erlassen hatte. In Summe überwies die in Frankfurt ansässige Bank im vergangenen Jahr also 145,3 Millionen Euro an die Volks- und Raiffeisenbanken im Südwesten – rund doppelt so viel wie in normalen Jahren.
Glaser schränkte deshalb auch ein, über das Ergebnis zwar „froh“zu sein, den Wachstumstrend aber nicht „fortschreiben“zu können. Der
Jahresüberschuss werde etwa 545 Millionen Euro betragen, nach 285 Millionen Euro im Vorjahr.
Parallel zu den Wachstumsraten bei den wichtigsten Geschäftzahlen ging die Schrumpfkur der Volks- und Raiffeisenbanken auch 2021 unvermindert weiter: Ende des Jahres gab es noch 144 Institute, im Vorjahr waren es dem Verband zufolge noch 157. Mit Blick auf das Jahr 2022 seien derzeit zehn Fusionsvorhaben bekannt, sagte Glaser. Darunter die Fusion der Volksbank Ulm-Biberach und der Raiffeisenbank Biberach, die im Herbst dieses Jahres umgesetzt sein soll.
Der Juniorpartner, die Raiffeisenbank Biberach, war erst 2017 aus der Fusion der Banken Riss-Umlach und Rottumtal hervorgegangen. Als Begründung
nennen die beiden Banken – wie auch schon bei vorherigen Fusionen – die andauernden Niedrigzinsen, die regulatorischen Auflagen, aber auch den Fachkräftemangel.
Glaser rechnet damit, dass der „Strukturprozess“, wie er die Konzentration im Bankwesen nennt, weitergeht. „Dafür braucht man keine große Phantasie“, sagte der Verbandspräsident. Entscheidend sei, dass sich die Institute zukunftsfähig aufstellten. Gleichzeitig machte er deutlich, die seiner Meinung nach „extrem hohe Präsenz in der Fläche“auch künftig aufrecht erhalten zu wollen. In Zahlen ausgedrückt stellte sich das per Ende 2021 wie folgt dar: 2263 Bankstellen, davon 144 Hauptstellen, 1402 klassische Filialen und 717 SB-Stellen.