Weniger heizen, langsam fahren
Wie laut Greenpeace vergleichsweise einfache Maßnahmen den Ölverbrauch spürbar senken könnten
- Einige Gespenster geistern seit Jahrzehnten durch die deutsche Energiepolitik. Zum Beispiel das Tempolimit auf Autobahnen. Alpträume schüttelten die Gegner, die Befürworter gruselten sich wohlig. So wurde nie etwas daraus. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine könnte sich die Lage nun ändern. Ob man mag oder nicht: Die Geschwindigkeitsbegrenzung ist eine relativ einfache und schmerzfreie Maßnahme, um weniger russisches Öl zu verbrauchen. Man darf weiterfahren, kommt an, nur etwas später. Welche Maßnahmen sind insgesamt in der Diskussion?
Langsam fahren: Etwa ein Drittel der deutschen Rohölimporte kommen aus Russland. Das muss nicht so bleiben. „Kein Krieg für Öl“wirbt die Umweltschutzorganisation Greenpeace nun, oder auch: „Tempolimit für den Frieden“. Für die Dauer des Krieges könnte auf hiesigen Autobahnen eine Obergrenze der Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde gelten und auf Landstraßen von 80 Kilometern pro Stunde, regte die Ökolobby an. Innerorts solle das Tempo flächendeckend auf 30 Kilometern pro Stunde begrenzt werden. „Die Einsparung entspricht einem Anteil an den Mineralölimporten von 2,1 Prozent“, schreibt die Umweltorganisation. Rechnet man den Effekt von Tempo 80 hinzu, könnten die Einfuhren um 2,5 Prozent zurückgehen.
Ein Vorschlag mit Geschichte: Ehrlicherweise muss man einräumen: Vieles, was jetzt diskutiert wird, sind alte Vorschläge der Umweltbewegung, die nun wieder diskutiert werden. Aber sie bekommen neues Gewicht. Das liegt daran, dass der Aspekt des Verzichts etwas in den Hintergrund tritt. Denn nun geht es um die für viele Menschen nachvollziehbare Ablehnung des Krieges und die eigene Sicherheit – Putin droht mit Atomwaffen. Man muss und will etwas tun.
Autofreie Tage: Vor 48 Jahren gab es sie schon mal. Zum Beispiel am 25. November 1973 – Kinder fuhren Rad auf der Autobahn und spielten Fußball auf den Kreuzungen. Vier autofreie Sonntage sollten helfen, den Ölverbrauch zu senken – eine Reaktion auf die Exportbeschränkung durch die Erdöl-exportierenden Staaten der OPEC. Auf Twitter wird über die Neuauflage der Idee gerade kontrovers diskutiert. Schon zwei verkehrsfreie Tage in jedem Monat könnten etwa ein Prozent der Mineralölimporte sparen.
Homeoffice: Viele Unternehmen ermöglichten während der CoronaPandemie die Arbeit zu Hause – mit Vorteilen (weniger Ansteckungen), aber auch Nachteilen (Enge und häuslicher Stress). Auf jeden Fall sind weniger Fahrten zu den Arbeitsplätzen nötig, wenn zahlreiche Beschäftigte auf die Pendelei ins Büro verzichten. „Würden 40 Prozent der Arbeitenden weiter an zwei zusätzlichen Wochentagen von zu Hause aus arbeiten“, ließen sich „1,7 Prozent der Mineralölimporte“einsparen, schätzt Greenpeace.
Pkw-Maut: In die Debatte passt auf den ersten Blick auch der neue Vorschlag der Organisation Agora Verkehrswende und des Bundesverbands der Verbraucherzentralen für eine Pkw-Maut. Diese solle für jeden Kilometer Autofahrt auf allen Straßen erhoben werden. Einerseits könnte diese Variante das Autofahren verteuern, damit unattraktiver machen und so zur Einsparung von Treibstoff beitragen. Andererseits ist das nicht der Plan der Organisationen: Sie schlagen die Maut quasi als Ersatz für die Mineralölsteuer vor, deren Einnahmen für den Staat durch den Umstieg auf Elektromobilität perspektivisch wegfallen. Das muss keine Mehrbelastung der Autofahrer zur Folge haben.
Angepasste Raumtemperatur: Ein gewisser Teil der Heizwärme aus Gas und Öl lassen sich einsparen, wenn man die Raumtemperatur in den Wohnungen um ein, zwei Grad senkt. „Wir gehen davon aus, dass mit optimiertem Heizverhalten der Energiebedarf von Haushalten um mindestens zehn bis 15 Prozent reduziert werden kann“, sagte Simon Müller von der Organisation Agora Energiewende. In vielen Wohnungen würde das kaum einen Unterschieden machen und die Lebensqualität unwesentlich beeinträchtigen. Man muss nur den Thermostat an der Heizung beispielsweise von drei auf 2,5 herunterdrehen.
Wärmepumpen: Diese Heizvariante holt die Wärme nicht aus der Verbrennung von Gas und Öl sondern aus dem Erdboden, aus dem Grundwasser oder aus der Luft. Wärmepumpen kann man mit Ökostrom vom eigenen Dach betreiben. Vergangenes Jahr wurden etwa 150 000 derartige Anlagen in Deutschland neu eingebaut. 500 000 zusätzliche Wärmepumpen in diesem Jahr könnten etwa 0,3 Prozent des importierten Öls überflüssig machen. Die insgesamt zehn Maßnahmen, die Greenpeace durchgerechnet hat, summierten sich auf eine Öl-Einsparung von rund zehn Prozent der Einfuhren. Immerhin ein Anfang, ohne dass hier alles zusammenbricht.