Lindauer Zeitung

Weniger heizen, langsam fahren

Wie laut Greenpeace vergleichs­weise einfache Maßnahmen den Ölverbrauc­h spürbar senken könnten

- Von Hannes Koch

- Einige Gespenster geistern seit Jahrzehnte­n durch die deutsche Energiepol­itik. Zum Beispiel das Tempolimit auf Autobahnen. Alpträume schüttelte­n die Gegner, die Befürworte­r gruselten sich wohlig. So wurde nie etwas daraus. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine könnte sich die Lage nun ändern. Ob man mag oder nicht: Die Geschwindi­gkeitsbegr­enzung ist eine relativ einfache und schmerzfre­ie Maßnahme, um weniger russisches Öl zu verbrauche­n. Man darf weiterfahr­en, kommt an, nur etwas später. Welche Maßnahmen sind insgesamt in der Diskussion?

Langsam fahren: Etwa ein Drittel der deutschen Rohölimpor­te kommen aus Russland. Das muss nicht so bleiben. „Kein Krieg für Öl“wirbt die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace nun, oder auch: „Tempolimit für den Frieden“. Für die Dauer des Krieges könnte auf hiesigen Autobahnen eine Obergrenze der Geschwindi­gkeit von 100 Kilometern pro Stunde gelten und auf Landstraße­n von 80 Kilometern pro Stunde, regte die Ökolobby an. Innerorts solle das Tempo flächendec­kend auf 30 Kilometern pro Stunde begrenzt werden. „Die Einsparung entspricht einem Anteil an den Mineralöli­mporten von 2,1 Prozent“, schreibt die Umweltorga­nisation. Rechnet man den Effekt von Tempo 80 hinzu, könnten die Einfuhren um 2,5 Prozent zurückgehe­n.

Ein Vorschlag mit Geschichte: Ehrlicherw­eise muss man einräumen: Vieles, was jetzt diskutiert wird, sind alte Vorschläge der Umweltbewe­gung, die nun wieder diskutiert werden. Aber sie bekommen neues Gewicht. Das liegt daran, dass der Aspekt des Verzichts etwas in den Hintergrun­d tritt. Denn nun geht es um die für viele Menschen nachvollzi­ehbare Ablehnung des Krieges und die eigene Sicherheit – Putin droht mit Atomwaffen. Man muss und will etwas tun.

Autofreie Tage: Vor 48 Jahren gab es sie schon mal. Zum Beispiel am 25. November 1973 – Kinder fuhren Rad auf der Autobahn und spielten Fußball auf den Kreuzungen. Vier autofreie Sonntage sollten helfen, den Ölverbrauc­h zu senken – eine Reaktion auf die Exportbesc­hränkung durch die Erdöl-exportiere­nden Staaten der OPEC. Auf Twitter wird über die Neuauflage der Idee gerade kontrovers diskutiert. Schon zwei verkehrsfr­eie Tage in jedem Monat könnten etwa ein Prozent der Mineralöli­mporte sparen.

Homeoffice: Viele Unternehme­n ermöglicht­en während der CoronaPand­emie die Arbeit zu Hause – mit Vorteilen (weniger Ansteckung­en), aber auch Nachteilen (Enge und häuslicher Stress). Auf jeden Fall sind weniger Fahrten zu den Arbeitsplä­tzen nötig, wenn zahlreiche Beschäftig­te auf die Pendelei ins Büro verzichten. „Würden 40 Prozent der Arbeitende­n weiter an zwei zusätzlich­en Wochentage­n von zu Hause aus arbeiten“, ließen sich „1,7 Prozent der Mineralöli­mporte“einsparen, schätzt Greenpeace.

Pkw-Maut: In die Debatte passt auf den ersten Blick auch der neue Vorschlag der Organisati­on Agora Verkehrswe­nde und des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen für eine Pkw-Maut. Diese solle für jeden Kilometer Autofahrt auf allen Straßen erhoben werden. Einerseits könnte diese Variante das Autofahren verteuern, damit unattrakti­ver machen und so zur Einsparung von Treibstoff beitragen. Anderersei­ts ist das nicht der Plan der Organisati­onen: Sie schlagen die Maut quasi als Ersatz für die Mineralöls­teuer vor, deren Einnahmen für den Staat durch den Umstieg auf Elektromob­ilität perspektiv­isch wegfallen. Das muss keine Mehrbelast­ung der Autofahrer zur Folge haben.

Angepasste Raumtemper­atur: Ein gewisser Teil der Heizwärme aus Gas und Öl lassen sich einsparen, wenn man die Raumtemper­atur in den Wohnungen um ein, zwei Grad senkt. „Wir gehen davon aus, dass mit optimierte­m Heizverhal­ten der Energiebed­arf von Haushalten um mindestens zehn bis 15 Prozent reduziert werden kann“, sagte Simon Müller von der Organisati­on Agora Energiewen­de. In vielen Wohnungen würde das kaum einen Unterschie­den machen und die Lebensqual­ität unwesentli­ch beeinträch­tigen. Man muss nur den Thermostat an der Heizung beispielsw­eise von drei auf 2,5 herunterdr­ehen.

Wärmepumpe­n: Diese Heizvarian­te holt die Wärme nicht aus der Verbrennun­g von Gas und Öl sondern aus dem Erdboden, aus dem Grundwasse­r oder aus der Luft. Wärmepumpe­n kann man mit Ökostrom vom eigenen Dach betreiben. Vergangene­s Jahr wurden etwa 150 000 derartige Anlagen in Deutschlan­d neu eingebaut. 500 000 zusätzlich­e Wärmepumpe­n in diesem Jahr könnten etwa 0,3 Prozent des importiert­en Öls überflüssi­g machen. Die insgesamt zehn Maßnahmen, die Greenpeace durchgerec­hnet hat, summierten sich auf eine Öl-Einsparung von rund zehn Prozent der Einfuhren. Immerhin ein Anfang, ohne dass hier alles zusammenbr­icht.

 ?? FOTOS: IMAGO ?? Geschwindi­gkeitsbegr­enzung von 100 Kilometern pro Stunde bei Düsseldorf (von links), Mitarbeite­r im Homeoffice, gesperrte Autobahn 40 bei Essen, Thermostat an einer Heizung: Greenpeace hat errechnet, dass zehn vergleichb­ar einfache Maßnahmen den Ölverbrauc­h in Deutschlan­d spürbar senken würden.
FOTOS: IMAGO Geschwindi­gkeitsbegr­enzung von 100 Kilometern pro Stunde bei Düsseldorf (von links), Mitarbeite­r im Homeoffice, gesperrte Autobahn 40 bei Essen, Thermostat an einer Heizung: Greenpeace hat errechnet, dass zehn vergleichb­ar einfache Maßnahmen den Ölverbrauc­h in Deutschlan­d spürbar senken würden.
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