Wenn aus Rivalität Liebe wird
DVon Stefan Rother
er deutsche Filmtitel lässt keine Zweifel: „Küss mich, Mistkerl!“möchte sich gerne in die Galerie turbulent-romantischer Komödien wie „Is’ was, Doc?“oder „Leoparden küsst man nicht“einreihen. Von solchen Klassikern ist die Verfilmung eines Romans der Australierin Sally Thorne dann zwar doch recht weit entfernt. Dennoch bietet die Komödie eine gute Gelegenheit, mal für 100 Minuten der tristen Wirklichkeit zu entfliehen.
Im Original heißen Buch und Film „The Hating Game“, und dieses Hass-Spiel entfaltet sich zunehmend zwischen Lucy Hutton (Lucy Hale) und Joshua Templeman (Austin Stowell). Beide müssen sich ein Büro teilen, nachdem die Verlage, bei denen sie beschäftigt waren, fusioniert sind.
Die Unterschiede zwischen den Kontrahenten beginnen schon bei der Optik und hören beim Verhalten am Arbeitsplatz nicht auf: Lucy ist zierlich, mag bunte und gemusterte Kleidung und will mit allen im Unternehmen befreundet sein. Joshua ist dagegen groß, muskulös, ordnet seine Textmarker nach Farben und wird von den Kollegen eher gefürchtet als gemocht. Damit repräsentieren sie auch ihre jeweiligen Verlage: Lucys Chefin Helen (Sakina Jaffrey) hat vor allem eingefleischte Bücherliebhaber im Visier, wohingegen Joshuas Boss Bexley (Corbin Bernsen) das Produkt letztlich egal ist, solange es ihm Profit einbringt. Und während die eine Yoga im Büro macht, ist der andere ein Sexist schlechter alter
Schule – womit die Fronten zwischen den Lagern endgültig geklärt wären.
Zunächst belassen es die an gegenüberliegenden Schreibtischen platzierten Lucy und Joshua noch dabei, sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen und kleine Sticheleien auszutauschen. Doch dann wird es ernst für die aufstrebenden Verlagsmanager: Eine neue Führungsposition wird ausgeschrieben, die für die Geschäfte beider Verlage zuständig ist. Selbstverständlich halten sich beide für bestens geeignet und kündigen ihre Bewerbung an, gekoppelt an die Vereinbarung, dass der Unterlegene den Verlag verlässt. „Dem werd ich’s zeigen“, denkt sich Lucy – und erwacht eines Nachts aus einem erotischen Traum, in dem Joshua eine zentrale Rolle spielt. Sollte die alte Weisheit „Was sich neckt, das liebt sich“etwa auch hier greifen?
Natürlich wäre es keine romantische Komödie, wenn sich die beiden
Hauptfiguren im Laufe der Handlung nicht näherkämen. Entscheidend ist dann auch weniger das „Was“als das „Wie“. Und in dieser Kategorie hat „Küss mich, Mistkerl!” durchaus seine gelungenen Momente. So stimmt eines der wichtigsten Kriterien in dem Genre: die Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren. Lucy Hale („Pretty Little Liars“) ist dabei die Charismatischere, zumal die Geschichte wie schon im Buch vor allem aus ihrer Perspektive erzählt wird. Neben dem charmanten Wirbelwind nimmt sich Austin Stowell („Catch-22“) eher steif aus, was aber seiner Figur entspricht, die im Laufe des Geschehens noch einiges an Facetten gewinnen soll.
Zudem versucht der Film, seine im Kern berechenbare Handlung nicht komplett auf Autopilot abzuspulen. So stehen sich die gegenseitigen Anziehungs- und Abstoßungseffekte der beiden Hauptfiguren eine ganze Zeit lang im Wege, bevor so etwas wie eine Beziehung in den Bereich der Möglichkeit rückt. Und über die Hintergründe und Motivationen der Protagonisten erhält man auch einige Einblicke, die die anfänglichen Klischees etwas relativieren. Was dagegen fehlt aus dem Romantische-Komödien-Fundus ist der quirlige beste Freund oder die weise enge Freundin der Hauptfiguren. Zwar lernt man deren Familien kennen, ansonsten scheinen sich die sozialen Beziehungen aber ganz auf die Arbeit zu beschränken. Joshua hat praktisch keine Freunde, während Lucy eher aus Verlegenheit mit dem nerdigen Kollegen Danny (Damon Daunno) zu flirten beginnt. Der wird dann immerhin mit etwas mehr Respekt behandelt, als sie solchen Nebenfiguren für gewöhnlich zuteilwird.
Die Studienlage ist nicht allzu eindeutig, aber die Tendenz geht in die Richtung, dass sich mindestens 30 Prozent der Arbeitnehmer schon einmal am Arbeitsplatz verliebt und dort oft auch eine Beziehung angefangen haben. Ob an deren Anfang zunächst ein „hating game“stand, wurde dabei nicht abgefragt. Erhoben wurden diese Zahlen allerdings vor der weitverbreiteten Umsiedlung ins Homeoffice der vergangenen beiden Jahre. Bis sich der Trend wieder ändert, kann man sich zumindest im Kinosaal einmal ganz der Büroromanze hingeben.
Küss mich, Mistkerl! Regie: Peter Hutchings. Mit Lucy Hale, Austin Stowell, Damon Daunno. USA 2021. 102 Minuten. FSK ab 12.