Das Allgäu rüstet sich für die Flüchtlinge
So bereiten sich die Kreise und Kliniken vor – Wie der Lebensmittelhandel die Krise spürt
(sih/ene/lw/ml) - Städte und Kreise richten Unterkünfte für Geflüchtete ein, auch Privathaushalte nehmen Menschen auf, Kliniken und Impfzentren stellen sich ebenfalls auf Flüchtlinge ein: Der Krieg in der Ukraine ist im Allgäu immer stärker spürbar und macht sich beispielsweise auch im Lebensmittelhandel bemerkbar.
Unterkünfte: Städte und Kreise bereiten Unterkünfte für Menschen aus der Ukraine vor. „Bisher sind nur einzelne Geflüchtete gekommen, die bei Privatpersonen untergebracht wurden“, sagt eine Sprecherin der Stadt Memmingen. Man will aber vorbereitet sein: Die Turnhalle der Johann-Bierwirth-Schule bietet nun Platz für etwa 100 Menschen. Auch in Kaufbeuren werden städtische Unterkünfte hergerichtet, sie sollen im Laufe der Woche bezugsfertig sein. „Das sind mindestens 100 Plätze“, sagt der zuständige Referatsleiter Markus Pferner.
Der Kreis wisse derzeit von etwa 30 Personen, die im Unterallgäu angekommen seien, berichtet eine Sprecherin des Landratsamtes. „Wir gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus, da Ukrainer ein dreimonatiges Aufenthaltsrecht haben.“Das ist auch am Allgäu Airport spürbar. Flüge aus Nachbarländern der Ukraine seien stark belegt und hätten deutlich mehr Frauen und Kinder an Bord als üblich, sagt ein Sprecher. Auch im Unterallgäu soll eine Erstaufnahme-Einrichtung entstehen. Als Option gilt das derzeitige Impfzentrum in Bad Wörishofen.
Hilfsbereitschaft: Viele Allgäuer wollen helfen. „Wir können derzeit etwa 150 Plätze in Gastfamilien anbieten“, sagt der Kaufbeurer Sozialreferatsleiter Markus Pferner. Die Geflüchteten werden dabei aber nicht einfach auf Haushalte verteilt. Diese würden von Fachleuten kontaktiert, sagt Pferner. Bei den Gesprächen gehe es beispielsweise darum, ob die Haushalte geeignet sind und wie lange sie jemanden aufnehmen können. Und die Geflüchteten werden von Sozialpädagogen begleitet. „Wir sind uns bewusst, dass wir eine Mutter mit dreijährigem Kind nicht irgendwohin schicken können. Das wird alles geprüft“, sagt Pferner. Man wolle Probleme so gut es geht ausschließen – auch materielle. „Wir haben auch eine Versicherung abgeschlossen, falls in einem Haushalt mal etwas kaputt gehen sollte.“
In Kempten sind bereits etwa 140 Menschen angekommen. Einige von ihnen sind über die Lebenshilfe untergebracht, 87 Geflüchtete wohnen in Privathaushalten. „In einer Turnhalle mussten wir bisher noch niemanden unterbringen. Darauf sind wir zwar vorbereitet, aber das ist für uns nur eine kurzfristige Lösung zur Erstversorgung“, sagt Sozialreferatsleiter Thomas Baier-Regnery. Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung sei groß. Außerdem arbeite die Stadt eng mit Sozialdiensten und beispielsweise dem Bayerischen Roten Kreuz zusammen, um den Schutz der Geflüchteten zu gewährleisten: „Vor allem Familien, alleinstehende Frauen und unbegleitete Jugendliche brauchen jetzt einen sicheren Ort.“Auch finanzielle Hilfe kommt aus dem Allgäu. So spendet etwa die Hans Hundegger AG aus Hawangen (Kreis Unterallgäu) 50 000 Euro an die Hilfsorganisation Humedica für die Soforthilfe in der Ukraine.
Krankenhäuser: „Zurzeit besprechen wir mit anderen Kliniken und der bayerischen Krankenhausgesellschaft, wie wir uns auf die ankommenden Flüchtlinge vorbereiten können“, heißt es seitens des Klinikverbunds Ostallgäu-Kaufbeuren. Jedoch gebe es derzeit noch keine konkreten Planungen. „Wir haben eine aktuelle Dolmetscherliste mit hauseigenem Personal, das uns im Bedarfsfall zur Verfügung steht.“Eine solche Liste gibt es auch beim Klinikverbund Allgäu. Dieser beteiligt sich zudem an einer Materialsammlung für das Kriegsgebiet.
Impfzentren: Nur knapp 35 Prozent der Ukrainer sind vollständig geimpft. „Wenn es Sammelunterkünfte für Geflüchtete gibt, werden wir den Menschen unter anderem dort ein Impfangebot machen“, sagt Gregor Blumtritt, Leiter der Ostallgäuer Impfzentren. Es gebe ausreichend Kapazitäten. „Wir können problemlos größere Gruppen auf einmal impfen“, sagt auch Alexander Schwägerl, der für das Impfzentrum in Kempten zuständig ist. Laut Robert-Koch-Institut gilt in Deutschland auch als ungeimpft, wer ein Präparat erhalten hat, das in der EU nicht zugelassen ist. Darunter fällt beispielsweise der in der Ukraine häufig verwendete chinesische Impfstoff Sinovac.
Hamsterkäufe: Supermarkt-Betreiber in der Region stellen eine erhöhte Nachfrage nach haltbarer Nahrung fest. „Besonders Mehl und Konserven werden in unseren Märkten – egal ob in München oder auf dem Land – mehr gekauft als sonst“, sagt Martin Glöckner, Sprecher des Unternehmens Georg Jos. Kaes (VMärkte) im Ostallgäuer Mauerstetten.
In den V-Märkten gebe es aber noch keine Engpässe. Allerdings sei nicht nachzuvollziehen, „ob die Lebensmittel in den privaten Keller wandern oder als Spenden in die Kriegsgebiete geschickt werden“, sagt Glöckner.
In Apotheken gebe es noch keine hohe Nachfrage nach Jodtabletten, sagt der Oberallgäuer Sprecher der Bayerischen Landesapothekerkammer, Arndt Botzenhardt. Die Tabletten schützen die Schilddrüse vor Strahlung.
Aus Sorge vor zerstörten Atomkraftwerken gab es zuletzt immer wieder Meldungen über Menschen, die sich mit Jodtabletten eindecken. „Die Nachfrage ist aber sehr, sehr gering“, sagt Arndt Botzenhardt. Er rät auch davon ab, die Tabletten schon im Voraus einzunehmen: „Das kann sehr schädlich sein.“