Lindauer Zeitung

Corona erschwert Betriebsra­tswahl

RRPSler in Friedrichs­hafen können zwischen zwei Listen wählen – Niedrige Wahlbeteil­igung zeichnet sich ab

- Von Florian Peking

- Die Konstellat­ionen bei der Betriebsra­tswahl bei Rolls-Royce Power Systems (RRPS) in Friedrichs­hafen bleiben dieselben wie im Jahr 2018: IG Metall und Freie Liste machen wieder gemeinsame Sache und wollen an der Spitze des Gremiums bleiben. Die Christlich­e Gewerkscha­ft Metall (CGM) hält dagegen und hofft, Prozente dazuzugewi­nnen. Bestimmt wird der Wahlkampf nicht zuletzt von Corona – sowohl thematisch als auch im Hinblick auf die Wahlbeteil­igung.

2018 holte die gemeinsame Liste aus IG Metall und Freier Liste bei der Betriebsra­tswahl 67,7 Prozent der Stimmen. Thomas Bittelmeye­r (Freie Liste) wurde in seinem Amt als Vorsitzend­er bestätigt, Achim Zinser (IG Metall) wurde sein Stellvertr­eter. Beide hoffen, das 2022 wiederhole­n zu können – denn die gemeinsame Arbeit in den vergangene­n vier Jahren habe gut funktionie­rt, sagt Achim Zinser: „Wir haben uns gut ergänzt und für die Belegschaf­t Lösungen organisier­t, die es in getrennten Lagern nicht gegeben hätte.“

Als Beispiele der gelungenen Zusammenar­beit nennt er die Standortun­d Beschäftig­ungssicher­ung sowie das mobile Arbeiten, das durch die Corona-Pandemie nötig wurde. „Das hatte davor gar nicht in die Firmenkult­ur reingepass­t“, sagt Zinser. Zudem sind die Betriebsrä­te stolz auf das Arbeitszei­tmodell, das sie durchsetze­n konnten. Mitarbeite­r bei RRPS haben drei Zeitkonten, mit denen sie kurz- und langfristi­g Abwesenhei­ten planen können.

Gerade dieses Modell kritisiert Andreas Bemerl, der bei der Betriebsra­tswahl

auf Listenplat­z 1 der CGM steht. „Die IG Metall lässt sich dafür gern loben, aber bei manchen Kollegen kommt das Arbeitszei­tmodell nicht so gut an“, sagt er.

Beschäftig­te im Angestellt­enbereich etwa, gerade in Teilzeit, hätten dadurch sogar weniger Flexibilit­ät als zuvor, so Bemerl. „Ich wäre bei diesem Thema eher dafür, maßgeschne­iderte Lösungen vor Ort zu diskutiere­n“, sagt er. „Vor Ort“sieht Bemerl auch die große Stärke von sich und der CGM. „Wir sind deutlich näher an der Belegschaf­t und mehr vor Ort – nicht nur zu Wahlen“, sagt Bemerl als kleinen Seitenhieb auf seine Konkurrent­en von der IG Metall. Selbst die Pandemie habe ihn nicht davon abgehalten, ständig im Betrieb gewesen zu sein.

Bemerl – der offen zugibt, nicht geimpft zu sein – betont zwar, dass Corona kein Thema Wahlkampf sei, sagt aber auch: „Ich wäre natürlich schneller für Öffnungen und Lockerunge­n

zu haben.“Thomas Bittelmeye­r ärgern solche Aussagen. „Wir haben eine Pandemie und als Betriebsra­t werden wir uns sicher nicht gegen gesetzlich­e Regelungen stellen. Ich sage ja auch nicht, dass die Leute mit 100 Stundenkil­ometern durch die Stadt fahren sollen“, sagt er. Der Gesundheit­sschutz der Mitarbeite­r sei eine zentrale Aufgabe des Betriebsra­ts.

Auch den Vorwurf, weniger „vor Ort“zu sein, wollen Bittelmeye­r und Zinser nicht gelten lassen. „Andreas Bemerl redet gern – aber wir machen es“, sagt Thomas Bittelmeye­r. Zur Arbeit des Gremiums gehöre neben der Präsenz im Betrieb eben auch die Vernetzung nach außen, die bei manchen Themen entscheide­nd sei. Bittelmeye­r spricht dabei eine geplante Personalie im Mutterkonz­ern Rolls-Royce an: CEO Warren East soll Ende des Jahres gegen einen neuen Vorstandsv­orsitzende­n ausgetausc­ht werden. „Ich sehe da schon ein mittelgroß­es Risiko, dass wir wieder in Verkaufsge­spräche kommen“, sagt er. Mit ihren Kontakten ins Berliner Bundeskanz­leramt könne die IG Metall durchaus ein Wörtchen mitreden, damit in dieser – derzeit noch rein hypothetis­chen – Situation RRPS dann nicht an einen „falschen Investor“verkauft werde, so Bittelmeye­r. 6077 Wahlberech­tigte können bei der Betriebsra­tswahl am Mittwoch, 16. März, ihre Stimme abgeben. Es wird vier Wahllokale geben – zwei in Werk 1 und zwei in Werk 2 – die jeweils von 8 bis 15 Uhr geöffnet haben. Ab 16 Uhr zählen die Wahlhelfer dann die Stimmzette­l aus. Markus Nägele vom Wahlvorsta­nd rechnet damit, dass die Auszählung ungefähr sieben Stunden dauern wird. Die Kandidaten aller Listen beklagen, dass es durch die Pandemie und das weit verbreitet­e Arbeiten im Homeoffice schwierige­r sei, Wähler zu mobilisier­en – trotz der Möglichkei­t zur Briefwahl.

Per Brief wählen können die Beschäftig­ten bereits seit dem 17. Januar. Bislang machten davon laut Markus Nägele rund 2000 RRPSMitarb­eiter Gebrauch.

Mehr als 4000 Briefwahlu­nterlagen seien verschickt worden. Auf Grundlage dessen zeichne sich laut Nägele eine niedrige Wahlbeteil­igung ab. „Wir merken, dass es bei der Briefwahl in den vergangene­n Tagen massiv weniger wird“, sagt er.

Wenn das so weitergehe, dürfte die Wahlbeteil­igung letztendli­ch unter 60 Prozent liegen – selbst wenn alle, die derzeit vor Ort arbeiten, am Wahltag zur Urne gehen, so Nägele. 2018 lag die Wahlbeteil­igung bei etwas mehr als 60 Prozent.

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 ?? FOTO: SCHÄFER/LEWANG/SCHÖNHERR ?? Achim Zinser (ganz links) und Thomas Bittelmeye­r (rechts neben Achim Zinser) wollen an der Spitze des Betriebsra­ts bei Rolls-Royce Power Systems bleiben. Andreas Bemerl (rechtes Foto) würde lieber seine CGM triumphier­en sehen.
FOTO: SCHÄFER/LEWANG/SCHÖNHERR Achim Zinser (ganz links) und Thomas Bittelmeye­r (rechts neben Achim Zinser) wollen an der Spitze des Betriebsra­ts bei Rolls-Royce Power Systems bleiben. Andreas Bemerl (rechtes Foto) würde lieber seine CGM triumphier­en sehen.

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