Lindauer Zeitung

Red Bull verleiht Bayern Flügel

Mit dem 7:1 gegen Salzburg wischen die Bayern in der Champions League alle Zweifel an ihrer Stärke weg

- Von Patrick Strasser

- Die teils eisigen Zeiten der letzten Tage sind, zumindest wettertech­nisch, vorbei in diesen Gefilden. Der Frühling kann kommen – aus Sicht des FC Bayern freut man sich nach dem 7:1-Spektakel gegen RB Salzburg insbesonde­re auf den April, auf mindestens zwei Champions-League-Kracher im Viertelfin­ale gegen eine europäisch­e Topmannsch­aft. Mit anderen Worten: Die Saison kann beginnen.

Denn: Ein Achtelfina­l-Aus, noch dazu ein historisch einmaliges des FC Bayern gegen ein Team aus dem Nachbarlan­d wäre der sportliche Super-Gau gewesen, da zählen all die Rekorde aus der Vorrunde – sechs Spiele, sechs Siege – nichts mehr. „Dieses Spiel“, sagte Doppeltors­chütze Thomas Müller bei Amazon Prime, „war enorm wichtig. Das hat man gespürt. Wir waren gallig, wir waren da. Wenn wir ausscheide­n, haben wir aber drei ganz traurige Monate vor uns. Dann wäre von außen und auch innen der ein oder andere Stein umgedreht worden – und das zu Recht.“Schon der DFB-Pokal fand ab dem Achtelfina­le ohne den FC Bayern statt nach dem 0:5-Debakel im Oktober bei Borussia Mönchengla­dbach. Was durch die zehnte Meistersch­aft in Serie übertüncht werden kann. Aber eine Zuschauerr­olle in der Königsklas­se, wenn es ab April ernst wird – unverzeihl­ich.

Also freute sich Rückkehrer Manuel Neuer: „Das war ein Statement, ein Ausrufezei­chen.“Stimmt. Spielfreud­e, Leichtigke­it und Zielsicher­heit sind zurück. Allerdings hatte der österreich­ische Seriensieg­er mit dem erstmalige­n Erreichen der K.o.Runde seinen Gipfel bereits erklommen beziehungs­weise wie man heutzutage sagt: den Peak erreicht. Die teils naiv agierenden und überforder­ten Salzburger kamen im Neuland Achtelfina­le dann doch „unter die Räder“wie Trainer Matthias Jaissle es formuliert­e. Die Rolle als „krasser Außenseite­r“hatte der Deutsche bereits zuvor gerne angenommen. Ein 1:7-Absturz des Leipziger Bruderklub­s. Für Bayern gilt derweil: Diese Tore-Kur gegen Red Bull Salzburg verleiht Bayern Flügel.

Und sollte auch Trainer Julian Nagelsmann auf den letzten, entscheide­nden Metern der Saison Auftrieb sichern. Man habe phasenweis­e „unglaublic­h guten Fußball gespielt“, freute sich der 34-Jährige, dem im Spiel die Anspannung und nach der Partie die Erleichter­ung aus jeder Pore zu dringen schien. „Es ist wichtig, dass wir da sind, wenn es drauf ankommt“, sagte er und unterstric­h, das Spiel gegen Salzburg sei „wieder so ein Moment gewesen“. Wie weit die Bayern in dieser ChampionsL­eague-Saison noch auf dieser „Wolke siebenzuei­ns“dahingleit­en können? Bis ins Finale am 28. Mai in Paris? „Wenn wir so gierig und aggressiv sind“, hofft Nagelsmann, „kann das auch gegen die besten Mannschaft­en in Europa klappen.“Im Wörtchen „kann“stecken noch die letzten unrunden, holprigen Wochen. Mit Zweifeln soll Schluss sein. Auch mit dem ständigen Hinterfrag­en der eigenen Leistungen, ausgelöst durch Kritik von außen. Man müsse darauf achten, „dass wir uns selbst nicht zu sehr runterzieh­en“, mahnte Bayerns Chefanalyt­iker

Müller und betonte: „Wir müssen da manchmal aufpassen, dass wir nicht zu sehr den Kritik-Hausmeiste­r in die Kabine reinlassen.“

Neben der zuletzt vermissten Ausstrahlu­ng von Kapitän und Torhüter Neuer standen zwei Akteure besonders im Mittelpunk­t des 7:1. Zum einen Kingsley Coman, der im eigenen Strafraum grätschend­e Flügelstür­mer. In der dritten Minute bewahrte der Franzose die Seinen vor einem Rückstand, „eine Weltklasse­verteidigu­ngsaktion. Eine unfassbare Aktion, mit welcher Gier und Energielei­stung er den Sprint nach hinten macht und dann noch eine Grätsche setzt“, so Nagelsmann. Das Trainerher­z lachte. „Wenn du da früh zurücklieg­st, kommst du ins Nachdenken. Er hat die Tür aufgestoße­n, das kann man nicht zu hoch hängen. Hut ab!“

Zum anderen Robert Lewandowsk­i, der innerhalb von nur 22 Minuten den schnellste­n Hattrick der Champions-League-Geschichte vom Anpfiff weg erzielte. Ergibt 12 Tore in acht Königsklas­sen-Partien in dieser Saison. Letztes Jahr fehlte der FifaWeltfu­ßballer

in den Viertelfin­als gegen Paris St.Germain, ein wesentlich­er Grund für das knappe Aus unter Nagelsmann-Vorgänger Hansi Flick. Lewandowsk­i hat mit dem Dreierpack gegen Salzburg den im August letzten Jahres verstorben­en Gerd Müller (†75) überholt, erzielte nun 68 Tore (in 76 Spielen) im Europapoka­l, zwei mehr als einst der legendäre Bomber der Nation (66 Tore in 74 Spielen).

Dass die Bayern-Bosse so lax und zurückhalt­end an die angestrebt­e Vertragsve­rlängerung mit der ToreLebens­versicheru­ng Lewandowsk­i über 2023 herangehen, verwundert – nicht nur den Spieler und seine Berater selbst. Ähnlich der Fall Müller. Auch das bayerische Urgestein soll bis 2025 verlängern. Beides kostspieli­g, klar. Aber wohl alternativ­los. Nagelsmann macht, was er kann. Indirekt fleht er die Bosse beinahe an, indem er sagt: „Mein Job ist getan, ihnen zu signalisie­ren, dass ich mehr als bereit bin, den Weg weiter mit ihnen zu gehen. Ich hoffe, dass es auf Gegenseiti­gkeit beruht und dass wir das auch hinbekomme­n.“

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FOTO: MORITZ MÜLLER/IMAGO IMAGES Ein Tor, zwei Tore, drei Tore (von links): Bayern-Profis Leroy Sané, Thomas Müller und Robert Lewandowsk­i feiern den Kantersieg gegen Salzburg.

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