Ein Aufbruch mit Geschmäckle
Der Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes hat entschieden – und so ist nun endlich offiziell, was längst feststand: Bernd Neuendorf ist der neue DFB-Präsident. Ohne dem 60-Jährigen an seinem ersten Tag verbal direkt wieder die Siegessträuße entreißen zu wollen, der SPD-Politiker selbst dürfte wissen, dass es nun vor allem auf die Zeit nach den Glückwünschen ankommt. Der Fußball-Quereinsteiger muss beweisen, dass seine Wahl kein Sieg der bestehenden Ordnung, der alten Garde und der verknöcherten Struktur ist, die den größten Sportverband der Welt seit Jahren zu einer Art Seifenoper mit Skandal-Abonnement hat verkommen lassen.
Der nun viel zitierte Neustart muss mit Leben gefüllt werden. Nur weil das „System Koch“mit dem Verpassen der Vizepräsidentschaft von Rainer Koch oberflächlich verschwunden ist, strahlt über der OttoFleck-Schneise in Frankfurt längst nicht automatisch die Dauersonne. Tief ins Wurzelwerk des Verbandes eingesickerte Strukturen werden auch in Zukunft greifen, auch weil Koch weiter im DFB-Vorstand sitzt. Dass der einflussreiche Dauerfunktionär, den drei vormalige DFB-Präsidenten als Wurzel allen Übels beim Verband bezeichnen, Neuendorf mit seiner Unterstützung überhaupt ins Amt verhalf, ist ein kleiner Makel für den Neuen. Der Ex-Journalist, der beinahe aus dem Nichts auf die Kandidatenliste gerutscht ist, hat sich nicht nur nie öffentlich distanziert, sondern nahm dessen Unterstützung dankend an – was angesichts der jüngsten Anti-Koch-Welle zumindest ein Geschmäckle hat. Spannend dürfte werden, ob Neuendorf dem abgestraften Koch tatsächlich den einflussreichen Sitz im Exekutivkomitee der UEFA überlassen wird. Am Freitag hielt er sich die Sache offen.
Doch genau hier muss der DFBPräsident ansetzen, Charakter zeigen und sich emanzipieren. Als starker Mann mit ambitionierten Zielen sollte er die Vertretung des DFB im UEFA-Exekutivkomitee selbst anstreben und Koch weiter aus der ersten Reihe der Verantwortlichen tilgen. Das würde unterstreichen, was sich so viele vom Dachverband wünschen: keinen Aufbruch ins Weiterso, sondern einen klaren Neustart.