Lindauer Zeitung

Der Buhmann der Nation als Vermittler

Alt-Kanzler Gerhard Schröder spricht in Moskau mit Wladimir Putin über den Ukraine-Krieg

- Von Michael Fischer

(dpa) - Es geht um die Beendigung des Kriegs in der Ukraine und nebenbei um den Ruf eines früheren Bundeskanz­lers. Gerhard Schröder nutzt seine Freundscha­ft zum russischen Präsidente­n für einen Vermittlun­gsversuch – ohne Einbindung der Bundesregi­erung.

Gefaltete Hände, geschlosse­ne Augen, im Hintergrun­d der Rote Platz in Moskau. Mit einem solchen Foto von sich auf Instagram sorgte Soyeon Schröder-Kim, die Frau von Altkanzler Gerhard Schröder, am Donnerstag­abend für Aufsehen, Verwunderu­ng, Zustimmung, aber auch Befremden. Es wurde von vielen als inoffiziel­le Bestätigun­g für das gelesen, was einige Stunden zuvor das Nachrichte­nportal „Politico“in vielen Einzelheit­en berichtet hatte: Der zu Hause viel gescholten­e Ex-Kanzler und Russland-Lobbyist Gerhard Schröder ist in Moskau, um Gespräche mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin über den Krieg um die Ukraine zu führen. Später wurde das auch der „Bild“-Zeitung und der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.

Ganz überrasche­nd kommt das nicht. Schröder ist seit seiner Zeit als Kanzler (1998 bis 2005) mit Putin befreundet, hat ihn immer verteidigt und ihn sogar einmal als „lupenreine­n Demokraten“geadelt.

Nach seinem Ausscheide­n aus der aktiven Politik sammelte Schröder Posten bei dem russischen Staatskonz­ern Rosneft und den Projektges­ellschafte­n für die deutsch-russischen Gas-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 – und steht deswegen zu Hause seit langem in der Kritik.

Auch der russische Truppenauf­marsch an der Grenze zur Ukraine änderte nichts an Schröders Freundscha­ft zu Russland und Putin. Der Ukraine warf er dagegen wegen ihrer Forderunge­n nach Waffenlief­erungen aus Deutschlan­d und anderen Nato-Staaten „Säbelrasse­ln“vor. Trotzdem haben offenbar auch die Ukrainer erkannt, dass Schröders Russland-Kontakte nützlich sein können. Der ukrainisch­e Botschafte­r in Berlin, Andrij Melnyk, sagte vor einer Woche der „Bild“: „Er ist einer der wenigen hier in Deutschlan­d, die womöglich noch einen direkten Draht zu Herrn Putin haben. Es gibt keinen, der so etwas hat in Deutschlan­d und den anderen europäisch­en Ländern.“

Die Reise nach Russland soll von einem ukrainisch­en Politiker mit Unterstütz­ung der Türkei eingefädel­t worden sein. Das Ehepaar

Schröder-Kim reiste schon am Montag nach Istanbul, wo Schröder eine ukrainisch­e Delegation getroffen haben soll. Seine anschließe­nde Bitte bei Putin um ein Treffen soll innerhalb von zehn Minuten positiv beantworte­t worden sein, berichtet „Politico“. Am Mittwoch seien Schröder und Schröder-Kim dann mit einer russischen Maschine nach Moskau gebracht worden.

Schröder-Kim hatte schon am Samstag auf Instagram geschriebe­n: „Ihr könnt sicher sein, was auch immer mein Mann tun kann, um zur Beendigung des Krieges beizutrage­n, wird er tun und zwar unabhängig von Ultimaten der SPD oder anderen Organisati­onen wie etwa dem DFB.“

Ob es nun Schröders Intention ist oder nicht: Bei der Reise geht es auch darum, was über den siebten Kanzler der Bundesrepu­blik mal in den Geschichts­büchern stehen wird. Mit seinem Festhalten an seinen Posten und seiner Freundscha­ft zu Putin selbst in Kriegszeit­en hat Schröder seinen Ruf in der Heimat inzwischen ziemlich ramponiert. Die Mitarbeite­r seines Berliner Büros kündigten ihm, Borussia Dortmund entzog ihm die Ehrenmitgl­iedschaft, am Freitag entschied sich auch der Deutsche Fußball-Bund für einen solchen Schritt. Die Stadt Hannover entscheide­t am 31. März über den Entzug der Ehrenbürge­rschaft.

Und dann ist da noch die SPD. Der Ortsverein Heidelberg hat den Parteiauss­chluss Schröders beantragt und die Bundesvors­itzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken haben ihn ultimativ aufgeforde­rt, seine Posten bei russischen Staatsunte­rnehmen aufzugeben. Die beiden haben vor zwei Wochen in einem Brief auf „zeitnahe“Antwort gedrungen.

Jetzt sieht es so aus, als sei die Reise nach Moskau Schröders Antwort. Ganz nach dem Motto: Enge Beziehunge­n nach Moskau können auch für etwas gut sein. Der SPD bleibt nun nichts anderes übrig, als die Initiative erst mal gut zu finden.

„Alles, was hilft gerade, um diesen furchtbare­n Krieg zu beenden, ist ja willkommen“, sagte Klingbeil am Donnerstag­abend im ZDF. Ob es etwas nütze, werde man sehen. Auf jeden Fall aber sei gerade jede Gesprächss­ituation „erst mal was Vernünftig­es“.

Der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Bundestag, Michael Roth (SPD), sagte im ZDF: „Jede Chance sollte ergriffen werden, um die Waffen zum Schweigen zu bringe.“Es gehe um die Menschen in der Ukraine. „Deswegen drücke ich die Daumen.“

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ARCHIVFOTO: ALEXEI DRUZHININ/DPA Guter Draht: Ex-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (rechts) und Russlands Präsident Wladimir Putin – hier auf einem Foto von 2018.

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