Der Buhmann der Nation als Vermittler
Alt-Kanzler Gerhard Schröder spricht in Moskau mit Wladimir Putin über den Ukraine-Krieg
(dpa) - Es geht um die Beendigung des Kriegs in der Ukraine und nebenbei um den Ruf eines früheren Bundeskanzlers. Gerhard Schröder nutzt seine Freundschaft zum russischen Präsidenten für einen Vermittlungsversuch – ohne Einbindung der Bundesregierung.
Gefaltete Hände, geschlossene Augen, im Hintergrund der Rote Platz in Moskau. Mit einem solchen Foto von sich auf Instagram sorgte Soyeon Schröder-Kim, die Frau von Altkanzler Gerhard Schröder, am Donnerstagabend für Aufsehen, Verwunderung, Zustimmung, aber auch Befremden. Es wurde von vielen als inoffizielle Bestätigung für das gelesen, was einige Stunden zuvor das Nachrichtenportal „Politico“in vielen Einzelheiten berichtet hatte: Der zu Hause viel gescholtene Ex-Kanzler und Russland-Lobbyist Gerhard Schröder ist in Moskau, um Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über den Krieg um die Ukraine zu führen. Später wurde das auch der „Bild“-Zeitung und der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.
Ganz überraschend kommt das nicht. Schröder ist seit seiner Zeit als Kanzler (1998 bis 2005) mit Putin befreundet, hat ihn immer verteidigt und ihn sogar einmal als „lupenreinen Demokraten“geadelt.
Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik sammelte Schröder Posten bei dem russischen Staatskonzern Rosneft und den Projektgesellschaften für die deutsch-russischen Gas-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 – und steht deswegen zu Hause seit langem in der Kritik.
Auch der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine änderte nichts an Schröders Freundschaft zu Russland und Putin. Der Ukraine warf er dagegen wegen ihrer Forderungen nach Waffenlieferungen aus Deutschland und anderen Nato-Staaten „Säbelrasseln“vor. Trotzdem haben offenbar auch die Ukrainer erkannt, dass Schröders Russland-Kontakte nützlich sein können. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, sagte vor einer Woche der „Bild“: „Er ist einer der wenigen hier in Deutschland, die womöglich noch einen direkten Draht zu Herrn Putin haben. Es gibt keinen, der so etwas hat in Deutschland und den anderen europäischen Ländern.“
Die Reise nach Russland soll von einem ukrainischen Politiker mit Unterstützung der Türkei eingefädelt worden sein. Das Ehepaar
Schröder-Kim reiste schon am Montag nach Istanbul, wo Schröder eine ukrainische Delegation getroffen haben soll. Seine anschließende Bitte bei Putin um ein Treffen soll innerhalb von zehn Minuten positiv beantwortet worden sein, berichtet „Politico“. Am Mittwoch seien Schröder und Schröder-Kim dann mit einer russischen Maschine nach Moskau gebracht worden.
Schröder-Kim hatte schon am Samstag auf Instagram geschrieben: „Ihr könnt sicher sein, was auch immer mein Mann tun kann, um zur Beendigung des Krieges beizutragen, wird er tun und zwar unabhängig von Ultimaten der SPD oder anderen Organisationen wie etwa dem DFB.“
Ob es nun Schröders Intention ist oder nicht: Bei der Reise geht es auch darum, was über den siebten Kanzler der Bundesrepublik mal in den Geschichtsbüchern stehen wird. Mit seinem Festhalten an seinen Posten und seiner Freundschaft zu Putin selbst in Kriegszeiten hat Schröder seinen Ruf in der Heimat inzwischen ziemlich ramponiert. Die Mitarbeiter seines Berliner Büros kündigten ihm, Borussia Dortmund entzog ihm die Ehrenmitgliedschaft, am Freitag entschied sich auch der Deutsche Fußball-Bund für einen solchen Schritt. Die Stadt Hannover entscheidet am 31. März über den Entzug der Ehrenbürgerschaft.
Und dann ist da noch die SPD. Der Ortsverein Heidelberg hat den Parteiausschluss Schröders beantragt und die Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken haben ihn ultimativ aufgefordert, seine Posten bei russischen Staatsunternehmen aufzugeben. Die beiden haben vor zwei Wochen in einem Brief auf „zeitnahe“Antwort gedrungen.
Jetzt sieht es so aus, als sei die Reise nach Moskau Schröders Antwort. Ganz nach dem Motto: Enge Beziehungen nach Moskau können auch für etwas gut sein. Der SPD bleibt nun nichts anderes übrig, als die Initiative erst mal gut zu finden.
„Alles, was hilft gerade, um diesen furchtbaren Krieg zu beenden, ist ja willkommen“, sagte Klingbeil am Donnerstagabend im ZDF. Ob es etwas nütze, werde man sehen. Auf jeden Fall aber sei gerade jede Gesprächssituation „erst mal was Vernünftiges“.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), sagte im ZDF: „Jede Chance sollte ergriffen werden, um die Waffen zum Schweigen zu bringe.“Es gehe um die Menschen in der Ukraine. „Deswegen drücke ich die Daumen.“