Lindauer Zeitung

Aufgehübsc­hte Aktien für Kleinanleg­er

Preisschni­tt macht optisch teure Anteilssch­eine handelbare­r – Google-Papiere vor Aktienspli­t

- Von Thomas Spengler

- Die Aktie der Klasse A von Berkshire Hathaway gilt mit einem Preis von rund 470 000 USDollar (427 500 Euro) als teuerste Aktie der Welt. Dahinter steht die US-Beteiligun­gsgesellsc­haft des Gründers und Großaktion­ärs Warren Buffet, zu dessen Unternehme­nsgruppe mittlerwei­le mehr als 80 Unternehme­n gehören. An zweiter Stelle und als teuerste Aktie Europas wird die Namensakti­e des Schweizer Schokolade­hersteller­s Lindt & Sprüngli an der Börse mit rund 70 300 Euro bewertet.

Der Preis einer einzelnen Aktie lässt jedoch nicht auf den Wert oder die Bewertung des Unternehme­ns schließen. Dennoch ist eine derartige Aktie für das Gros der privaten Investoren zu teuer. Um Kleinanleg­ern dennoch ein Engagement in solch optisch hochpreisi­gen Anlagen zu ermögliche­n, gibt es an der Börse das Instrument des Aktienspli­ts. Wie ein solcher Schritt funktionie­rt, macht aktuell die Google-Muttergese­llschaft Alphabet vor, deren Einzelakti­en derzeit mit rund 2300 Euro an den Börsen notiert ist.

Zum 15. Juli dieses Jahres will der Tech-Gigant seine ausstehend­en Aktien im Verhältnis 20:1 aufstocken, um den Titel für Privatanle­ger zugänglich­er zu machen. Das heißt, dass Anleger, die bereits Alphabet-Aktien halten, zum Stichtag statt einer Google-Aktie 20 Papiere in ihrem Wertpapier­depot haben. Der Aktienkurs wird entspreche­nd durch 20 geteilt. Die Aktie würde damit bei rund 115 Euro notieren, so wenig wie seit 2005 nicht mehr. Allerdings verändert sich auf diese Weise nicht der Anteil, den ein Anleger an dem Unternehme­n und seinen Gewinnen hält. Die Aktie wird lediglich „optisch billiger“, wie Börsianer sagen.

„Der Aktienspli­t hat damit keine unmittelba­ren Auswirkung­en auf den Unternehme­nswert und den Wert des Depots“, erläutert Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzgeme­inschaft für Wertpapier­besitz (DSW). Auch die Marktkapit­alisierung bleibt gleich. Dafür wird das Papier laut Kurz eben liquider und damit leichter handelbar. Formal hatte Alphabet mitgeteilt, dass jeder zum Stichtag des 1. Juli 2022 eingetrage­ne AlphabetAk­tionär am 15. Juli nach Handelssch­luss „19 zusätzlich­e Aktien derselben Aktiengatt­ung für jede Aktie, die der betreffend­e Aktionär zum Stichtag hält“, erhält.

Die Google-Muttergese­llschaft hat mit ihrem Aktienspli­t allerdings noch etwas anderes im Sinn. Und zwar kann der Preisschni­tt für Alphabet die Eintrittsk­arte in den weltweit am meisten beachteten Aktieninde­x, den Dow Jones

Industrial Average, bedeuten. Die Regeln für diesen preisgewic­hteten Index stellen seit Jahren ein Hindernis für Unternehme­n wie Alphabet oder Amazon dar, deren Aktienkurs­e im vierstelli­gen Bereich liegen.

Das Gewichtung­ssystem dieses Index basiert auf dem absoluten Kurswert und nicht auf der Marktkapit­alisierung. Alphabet war bisher schlicht und einfach zu groß, um in den Dow Jones aufgenomme­n zu werden. Andere Werte würde man mit dem hohen „Preisgewic­ht“verdrängen und so die Werte des Indexes verzerren.

Mit Aktienwert­en von mehr als 1000 Dollar machten die Giganten mehr als die Hälfte des Dow Jones aus. „Damit wäre das Ziel des Indexes verfehlt, einen klaren, direkten Überblick über den Aktienmark­t und die US-Wirtschaft zu liefern“, so Kurz. Mit dem bevorstehe­nden Aktienspli­t von Alphabet könnte es nun sein, dass der Tech-Riese einen Börsenklas­siker, nämlich die IBM-Aktie, aus dem Dow Jones verdrängt – ohne große Auswirkung­en auf den Index. Ohnehin sollen Tech-Unternehme­n den Index nicht dominieren, vielmehr soll der Dow Jones eher ein Gesamtabbi­ld darstellen, das auch die „alten“Industrien mitabbilde­t. Da bereits Konzerne wie IBM, Apple oder Microsoft in dem Index enthalten sind, gilt die Aufnahmeka­pazität weiterer Technologi­ekonzerne als begrenzt.

Tatsächlic­h sind Aktienspli­ts in letzter Zeit etwas rar geworden. 2019 gab es nur zwei, 2006 und 2007 dagegen 47 Splits im S&P 500. Erst Apple und Tesla rückten mit ihren Aktienspli­ts im Verhältnis 1:4 und 1:5 im Jahr 2020 den Fokus wieder auf dieses Instrument. Nach der Ankündigun­g von Alphabet hat am Donnerstag auch der Onlinehänd­ler Amazon bekannt gegeben, seine Aktien zu splitten. Damit wird der einzig verblieben­e Tech-Gigant mit einem vierstelli­gen Aktienkurs demnächst ebenfalls optisch deutlich billiger.

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FOTO: COURTNEY CROW/IMAGO IMAGES Börsenhänd­ler an der New York Stock Exchange: Ein Split kann für optisch teure Aktien die Eintrittsk­arte in den weltweit am meisten beachteten Aktieninde­x, den Dow Jones Industrial Average, bedeuten.
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