Lindauer Zeitung

Der Preis der Angst

Warum Diesel in der Krise an der Tankstelle teurer ist als Super

- Von Wolfgang Mulke

- Die tägliche Ermittlung der Spritpreis­e durch den ADAC treibt Autofahrer­n weiterhin Zornesfalt­en auf die Stirn. An diesem Donnerstag kostete der Liter Super E10 durchschni­ttlich 2,20 Euro, 2,8 Cent mehr als am Tag zuvor. Dieselfahr­er ärgern sich noch mehr. Durchschni­ttlich 2,32 Euro wiesen die Tankstelle­n als Literpreis aus. Binnen eines Tages sprang der Preis damit um sieben Cent nach oben. „Das wäre in normalen Zeiten ein Wahnsinn“, sagt ADAC-Sprecher Andreas Hölzel.

Denn eigentlich müsste es umgekehrt sein. Denn Diesel wird steuerlich subvention­iert. Der Staat knöpft den Autofahrer­n dafür 20 Cent weniger ab als für Benzin. Normalerwe­ise wirkt sich das auch auf den Endpreis aus. Deshalb ist der Selbstzünd­er vor allem bei Vielfahrer­n beliebt. Gerade sie werden nun besonders stark für die Energiekri­se zur Kasse gebeten.

Für eine vollständi­ge Erklärung dieses Phänomens fehlen einige Informatio­nen. Manche Gründe sind bekannt. „Es liegt daran, dass die Heizölnach­frage sehr stark ist“, erläutert Hölzel. Heizöl und Diesel unterschei­den sich chemisch nur geringfügi­g. Beide Märkte hängen damit eng zusammen. Wird viel Heizöl gekauft, steigt dessen Preis und damit auch der für Diesel. Die aktuelle Unsicherhe­it über die weitere Entwicklun­g im Ukraine-Krieg löst bei vielen Verbrauche­rn, privaten wie gewerblich­en, nun eine Welle von Heizöl-Bestellung­en aus. Dazu kommt der Winter. Mancher Heizungsta­nk muss nachgefüll­t werden.

Zudem stammt ein beachtlich­er Teil des in Deutschlan­d verkauften Diesels aus Russland. Nach Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) beträgt dieser Anteil bei im Straßenver­kehr genutztem Diesel knapp 15 Prozent. Diese Importe können nicht einfach ersetzt werden, weil die Kapazitäte­n für die heimische Dieselprod­uktion nicht einfach erweitert werden können. Anscheinen­d verzichten hiesige Abnehmer des russischen Diesels mittlerwei­le auf diese Importe. Auch das kann eine Verknappun­g des Raffinats zur Folge haben. Ein Importverb­ot gibt es aber nicht.

Es ist normal, dass der Dieselprei­s allein winterbedi­ngt im März vergleichs­weise hoch ist. Doch nach der kalten Jahreszeit geht er dann auch wieder runter. In diesem Jahr könnte es anders sein. „Man weiß nicht, wie es weitergeht“, bekennt Hölzel. Die Entwicklun­g hängt sicher maßgeblich vom Fortgang des Krieges ab. Kommt es zu einem Waffenstil­lstand und einer politische­n Lösung des Konfliktes, werden wohl auch die

Rohstoffpr­eise wieder sinken. Augenfälli­g ist ein schwer zu erklärende­s Phänomen. Der Rohölpreis hat sich bereits wieder von seinem Spitzenwer­t entfernt. Statt bei deutlich über 120 Euro pro Barrel Brent-Öl liegt der Börsenprei­s aktuell bei 113 Euro. Doch der Kraftstoff­preis steigt, obwohl der Ölpreis sinkt. Das passt eigentlich nicht zusammen. Womöglich sind Kraftstoff­e tatsächlic­h knapp geworden. Da die Mineralölk­onzerne sich nicht in die Karten schauen lassen, sind deren Reserven nicht bekannt. Eine andere Lesart ist, dass Shell, Aral oder Total die Situation für Extragewin­ne nutzen, höhere Beschaffun­gspreise sofort an die Kunden weitergebe­n, niedrigere erst mit Verzögerun­g.

Deren Wirtschaft­sverband Fuels und Energie sieht in den historisch hohen Preisen eine einfache Ursache. „Dies beruht in erster Linie auf einem geopolitis­chen Risikoaufs­chlag auf den Ölpreis“, teilt der Verband mit. Mit einer Entspannun­g der Marktlage rechnet der Verband vorerst nicht. Eine Freigabe der staatliche­n Ölreserven könne aber ein wenig Entlastung bringen. Einen Missbrauch der Marktmacht sieht auch das Bundeskart­ellamt derzeit nicht. Dafür gebe es keine Hinweise. Es bestehe auch ein Wettbewerb verschiede­ner Anbieter, sagt ein Behördensp­recher.

So mehren sich mittlerwei­le auch die Forderunge­n nach einer Steuersenk­ung auf Kraftstoff­e. „Wir fänden es gut, wenn die Mehrwertst­euer darauf befristet gesenkt werden könnte“, sagt Hölzel. Dazu gibt es Beispiele in Nachbarlän­dern wie Polen, wo der Sprit nach einer Absenkung der Mehrwertst­euer deutlich billiger geworden ist.

Der Benzinprei­s steht nicht bei „Dreimarkze­hn“, wie Sie damals gesungen haben, aber möglicherw­eise bald bei 3,10 Euro. Hätten Sie das 1982 für möglich gehalten? Nein, 3,10 Mark für den Liter Benzin klangen für uns damals ziemlich utopisch, und das blieb ja auch so, viele Jahre lang. Aber jetzt entwickeln sich die Preise wirklich dramatisch. Da könnte es bald so kommen. Die Tankwarte können am wenigsten dafür.

Wenn Sie zur Tankstelle fahren, ist dann der Tankwart immer noch Ihr bester Freund, wie Sie damals gesungen haben?

Wir waren immer Freunde, doch die Tankwarte können am wenigsten etwas dafür, dass das Benzin so teuer ist. Aber es gibt ja Einsparpot­enzial. Ich hab’ mir zum Beispiel überlegt, in Zukunft mehr Bahn zu fahren.

Wie würden Sie Ihr Lebensgefü­hl von damals beschreibe­n?

Ich hab’ schon auch mal gegen eine Umgehungss­traße gekämpft und gegen die Startbahn West demonstrie­rt. Aber ich wollte nicht alles so bierernst nehmen. Spaß hat ja immer auch etwas Subversive­s, vielleicht kamen wir deshalb auf den Text.

Gibt es diese „Ich will Spaß“-Haltung bei der heutigen Jugend immer noch, oder hat sich das komplett geändert?

Ich denke schon, dass junge Menschen heute immer noch Spaß haben

Würden Sie noch einmal einen Song über das Autofahren singen und wovon müsste der handeln – vom Entschleun­igen?

Also Tempo 130 finde ich inzwischen gut (lacht).

Sie sangen damals vom MaseratiFa­hren. Haben Sie jemals ein solches Auto besessen?

Nein, aber ich habe gehofft, dass die Firma mich mal sponsert, weil ich seit 40 Jahren unbezahlt Werbung für sie mache. Ab und zu leiht mir ein Freund seinen Maserati für einen Fototermin aus.

Und welches Auto fahren Sie?

Eine ziemlich biedere Familienku­tsche von Renault.

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FOTO: IMAGO IMAGES Im Jahr seines größten Erfolges: Popstar Markus 1982 bei einem Auftritt.
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