„Seine Aura wirkt bis in die Gegenwart“
Deutscher Fußball trauert um Jürgen Grabowski – Weltmeister von 1974 wurde 77 Jahre alt
(dpa) - Der deutsche Fußball und vor allem Eintracht Frankfurt trauern um einen Weltmeister von 1974 und ganz Großen ihres Sports: Jürgen Grabowski ist im Alter von 77 Jahren gestorben. Sein Name hallt bis heute immer wieder durch das Frankfurter Stadion – inbrünstig gesungen von den Fans. Und am Sonntag, wenn die Eintracht gegen den VfL Bochum spielt, wird dies ganz besonders so sein. „Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehn, mit dem Jürgen, mit dem Jürgen. Sie spielte so gut und sie spielte so schön mit dem Jürgen Grabowski! Schwarz-weiß wie Schnee, das ist die SGE“, so heißt es im Dauerhit der Thrash-Metal-Band Tankard, der vor jedem Spiel im Stadion erklingt.
In Frankfurt war Grabowski der Spielmacher, in der Nationalmannschaft agierte er meist als Rechtsaußen – wegen Wolfgang Overath und Günter Netzer. „Jürgen Grabowski war ein wunderbarer Mensch und ein großartiger Fußballer. Für Eintracht Frankfurt ist er eine Legende, für die deutsche Nationalmannschaft und die gewonnene WM 1974 war Jürgen enorm wichtig“, sagte der damalige DFB-Kapitän Franz Beckenbauer: „Mit ihm haben wir einen Freund und brillanten Fußballer verloren.“Ex-Mitspieler Karl-Heinz Körbel sagte einst: „Für mich war er einer der größten Künstler, den wir bei der Eintracht hatten – wenn nicht sogar der größte.“Der BundesligaRekordspieler trauert nun um einen Freund und sagt: „Das mit Jürgen muss ich erst einmal verarbeiten. Das ist gar nicht wahr.“
Die Komplikationen nach einem Oberschenkelhalsbruch und Vorerkrankungen – am Ende war dies für Grabowski zu viel. Am Donnerstagabend starb die Eintracht-Legende in einem Wiesbadener Krankenhaus, wie seine Ehefrau bestätigte.
Overath bezeichnete Grabowski einst als „einen ganz feinen Menschen, ein super Junge. Mit dem Ball konnte er alles.“Grabowski bestritt 44 Länderspiele und 441 Begegnungen in der Bundesliga für die Eintracht. Er war Welt- und Europameister, UEFA-Cup-Sieger 1980 und 1974 und 1975 DFB-Pokalgewinner.
„In seiner aktiven Zeit war Jürgen Grabowski vielleicht der vollkommenste Spieler, der für die Eintracht gespielt hat. Seine Aura wirkt bis in die Gegenwart“, sagte Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann. Beim DFB-Bundestag in Bonn wurde am Freitag eine Gedenkminute für Grabowski abgehalten.
Schon 1966 gehörte die EintrachtLegende zum WM-Kader, spielte aber nicht. 1970 kam der Dribbler und Stratege nicht an einem vorbei, der an fast allen Abwehrspielern vorbeikam: Stan Libuda. Der Frankfurter erhielt aber die für ihn zweifelhafte Auszeichnung „Bester Einwechselspieler der Welt“. Und im „Jahrhundertspiel“gegen Italien schlug Grabowski die Flanke zu „ausgerechnet Schnellinger“(Kultkommentar von Ernst Huberty). Der Italien-Profi erzielte in letzter Sekunde das Ausgleichstor, ehe das Halbfinalspiel nach Verlängerung noch mit 3:4 verloren ging. An seinem 30. Geburtstag leitete Grabowski den 2:1-Siegtreffer im WM-Finale von München ein: öffnender Pass zu Rainer Bonhof, Flanke, Tor und Luftsprung Gerd Müller. An jenem 7. Juli 1974 dachte Grabowski: „Die Welt gehört dir.“Dabei war er nach dem blamablen 0:1 gegen die DDR aus der Mannschaft geflogen, was ihn tief getroffen hat. Als Einwechselspieler gelang ihm aber das vorentscheidende 3:2 gegen Schweden und er war wieder in der ersten Elf. „Diesem Spiel“, sagte er immer wieder, „verdanke ich alles.“Nach dem WM-Titelgewinn trat Grabowski aus dem Nationalteam zurück, bei der Eintracht trumpfte er aber weiter auf. Von 1965 bis 1980 spielte er für die Adler, zuvor nur in Biebrich.
Ein Aufsehen erregendes Foto von Grabowski stammt vom DFBPokal-Finale 1974. Der Kapitän hatte nach dem Sieg gegen den Hamburger SV übereifrig den gerade erlaubten Trikottausch vollzogen, streifte sich das HSV-Hemd mit der fetten Campari-Werbung über und hielt den Pokal hoch. „Ich hatte mir nichts dabei gedacht, aber das hat mir mächtig Ärger eingebracht“, erinnerte er sich. „Dafür hat mir Campari nachher sechs Flaschen geschickt.“
Beim UEFA-Cup-Gewinn 1980 reckt Grabowski den schweren Cup in Zivilkleidung in die Höhe. Bernd Hölzenbein hatte ihn seinem MitWeltmeister und Freund als Erstem überreicht. Ein Foul von Lothar Matthäus und eine schwere Fußverletzung hatten kurz zuvor Grabowskis famose Karriere beendet.
Zu seinem Abschiedsspiel zwischen der Eintracht und der WMMannschaft von 1974 kamen über 40 000 Fans. Das dazugehörige Plakat, ein Schatz. „Davon habe ich noch 40 Poster zu Hause“, so der Ehrenspielführer der Frankfurter enst: „Ist immer noch ein schönes Geschenk.“
Nach seiner Karriere betrieb Grabowski zusammen mit seiner Frau Helga, mit der er in Taunusstein lebte, eine Versicherungsagentur. Er war mal kurz Interimstrainer der Eintracht, saß im Verwaltungsrat. Eine Funktionärs- oder Managerkarriere hatte er aber „nie im Sinn“.
Nun ist ein ganz Großer, ein Weltmeister für immer gegangen.