Lindauer Zeitung

Wenn die Bauarbeite­n stillstehe­n

Meldet eine Fachfirma Insolvenz an, ist das auch für private Bauherren ein Desaster – Worauf es in einem solchen Fall ankommt

- Von Sabine Meuter

(dpa) - Der Hausbau oder die Sanierung des Badezimmer­s war lange geplant und dann endlich in Angriff genommen. Plötzlich meldet der beauftragt­e Fachbetrie­b Insolvenz an – noch während der laufenden Arbeiten. Was nun?

Neben aufkommend­er Wut und Enttäuschu­ng gerät durch die Insolvenz das Bau- oder Sanierungs­vorhaben oft erst mal ins Stocken. „Damit kommt es zu zeitlichen Verzögerun­gen und zu Mehrkosten“, sagt Holger Freitag, Vertrauens­anwalt des Verbands der Privaten Bauherren (VPB) in Berlin.

Auch wenn es für alle Beteiligte­n höchst unerfreuli­ch ist, gibt es einen kleinen Hoffnungss­chimmer: „Ein Insolvenza­ntrag heißt nicht zwingend, dass der Schuldner überhaupt nichts mehr macht“, erklärt Jörg Mayr, Fachanwalt für Bau- und Architekte­nrecht in Köln.

Nach Eingang des Insolvenza­ntrags beauftragt das örtlich zuständige Amtsgerich­t einen Gutachter oder eine Gutachteri­n. Er oder sie prüft, ob ein Insolvenzg­rund vorliegt. Ist das Unternehme­n zahlungsun­fähig? Droht der Firma Zahlungsun­fähigkeit? Ist sie überschuld­et?

Zumeist bestellt das Gericht den Gutachter als vorläufige­n Insolvenzv­erwalter. Stellt sich nun heraus, dass es einen Insolvenzg­rund gibt und sind die Kosten des Verfahrens gedeckt, beschließt das Gericht, das Insolvenzv­erfahren zu eröffnen.

Reicht das Vermögen des Schuldners nicht aus, führt dies dazu, dass das Gericht den Insolvenza­ntrag mangels Masse abweist. Die Firma ist dann per Gesetz aufzulösen. „In dem Fall geht ein Paar, das ein Haus baut oder ein Badezimmer sanieren lässt, leer aus“, so Mayr. Kommt ein vorläufige­r Insolvenzv­erwalter zum Einsatz, entscheide­t er gemeinsam mit der Unternehme­nsspitze, ob ein Auftrag weiter ausgeführt wird oder nicht. „Ein Insolvenzv­erwalter willigt zumeist in die Weiterführ­ung des ein oder anderen Projektes ein, wenn er sieht, dass sich das finanziell für die Masse lohnt“, erklärt Mayr.

Wichtig: „Sobald Bauherren erfahren, dass die von ihnen beauftragt­e Fachfirma einen Insolvenza­ntrag gestellt hat, sollten sie sich zwingend anwaltlich beraten lassen“, rät Freitag.

Auf keinen Fall sollten Bauherren dann auf eigene Faust handeln – sonst kann es teuer werden. Denn sonst nimmt der Bauherr der formell noch existieren­den Firma die Chance, den Bau wie vertraglic­h vereinbart fertigzust­ellen und dafür die Rechnung zu stellen.

„Wenn es schlecht läuft, zahlen Bauherren nicht nur die neue Firma, die sie mit dem Weiterbau beauftragt haben, sondern auch die Firma, mit der sie ursprüngli­ch den Vertrag abgeschlos­sen haben“, so Mayr.

Dass Auftraggeb­er ein Kündigungs­recht im Falle einer Insolvenz haben, sei leider ein weit verbreitet­er Irrtum, so Mayr. Ein Werkvertra­g endet nicht automatisc­h mit der Insolvenz. Es gibt gegensätzl­iche Entscheidu­ngen des Bundesgeri­chtshofs zur Frage, ob eine Insolvenz einen Auftraggeb­er dazu berechtigt, den Vertrag aus einem wichtigen Grund zu kündigen.

„Grundsätzl­ich läuft erst einmal juristisch alles ganz normal weiter“, sagt Mayr. Der Vertrag mit dem Schuldner endet erst dann, wenn der Insolvenzv­erwalter die Erfüllung ablehnt oder der Auftraggeb­er aus anderen Gründen – zum Beispiel wegen Verzugs – berechtigt­erweise kündigt.

Wer auf eigenen Grund und Boden baut, kann sich im Vorfeld wappnen: „Sie können mit dem Unternehme­n ein Kündigungs­recht vertraglic­h vereinbare­n für den Fall, dass der Betrieb selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzv­erfahrens stellt“, sagt Mayr.

In der Klausel sollte stehen, dass der Bauherr nur die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen zahlen muss und dass ihm ein Schadenser­satzanspru­ch wegen Nichterfül­lung zusteht. „Den Vertrag mit der Baufirma sollten Bauherren zwingend vom Fachanwalt durchsehen lassen, um vor Risiken abgesicher­t zu sein“, rät Mayr.

Oft sei es für Bauherren schwierig, im Vorfeld die finanziell­e Lage einer infrage kommenden Firma zu überprüfen. Dennoch: „Ein grobes Bild kann man sich aber über Bonitätspr­üfungen bei Auskunftei­en wie etwa der Schufa oder Creditrefo­rm verschaffe­n“, so Freitag.

Ist der Bau in vollem Gange, sollten Bauherren vereinbart­e Abschlagss­ummen erst zahlen, wenn ein Bausachver­ständiger bestätigt hat, dass die Arbeiten mängelfrei sind. Ohne Sicherheit sollte man keine Vorkasse leisten, so Mayr. Denn bereits gezahltes Geld wäre im Fall einer Insolvenz der Fachfirma für den Bauherrn verloren.

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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA Wenn die beauftragt­e Firma in die Insolvenz rutscht, heißt das nicht, dass Arbeiten stillstehe­n müssen.

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