Mit Bitterholz und Joghurt gegen die Kartoffelnase
Die Hauterkrankung Rosazea ist hartnäckig, aber therapierbar – Welche Mittel helfen und was die Rötungen verschlimmert
Unschöne Knötchen, Pusteln, Schwellungen, weithin sichtbare Adern – und das alles im Gesicht: Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Rosazea. Die Erkrankung ist oft hartnäckig und verursacht bei den Betroffenen einen großen Leidensdruck. Neue Hoffnung kommt jedoch aus der Phytotherapie – und unserem eigenen Bauch.
„Mama, warum hat der Mann so eine dicke und rote Nase?“Patienten mit Rosazea haben es nicht leicht, denn ihre Krankheit fällt auf. Die berüchtigte Kartoffelnase tritt zwar erst im fortgeschrittenen Stadium und vor allem bei Männern auf. Doch Entzündungen und Schwellungen der Krankheit zeigen sich vorher schon und auch geschlechterübergreifend im Mittelgesicht, also genau dort, wo sie jeder sehen kann. Und das ist häufig sehr frustrierend.
In einer Online-Befragung, an der 700 Rosazea-Patienten teilnahmen, berichtet jeder dritte von einem Verlust
Rosazea wird oft mit Akne verwechselt. Daran kann man sie unterscheiden:
Anders als bei Akne bilden sich bei Rosazea keine Mitesser. Während sich Akne gewöhnlich auf das Jugendalter beschränkt und spätestens zum Anfang des dritten Lebensjahrzehnts abklingt, betrifft Rosazea vor allem Menschen über dreißig.
Rosazea trifft vor allem Frauen, Akne hingegen beide Geschlechter. Die berüchtigte RosazeaKnollennase haben jedoch hauptsächlich Männer.
des Selbstvertrauens, jeder vierte fühlt sich zermürbt. Jeder zweite gibt sogar an, dass er auf ein halbes Jahr Lebenszeit verzichten würde, wenn er dadurch nur von seiner Krankheit befreit wäre. Wobei die Betroffenen als Ursache für ihren großen Frust nicht nur die Entstellung im Gesicht nennen, sondern auch, dass sie die Sonne, Alkohol und viele andere Dinge meiden müssen, die einem Menschen normalerweise Spaß machen. Und vier von fünf Patienten beklagen, dass ihre Krankheit durch die Therapie nicht richtig kontrolliert würde. Was ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass Rosazea offenbar schwer zu behandeln ist.
Tatsächlich gilt sie bis heute unter Dermatologen als schwerer Brocken. „Trotz einiger Neuzulassungen der vergangenen Jahre muss man festhalten, dass Rosazea bisher nicht dauerhaft heilbar ist“, betont die Münchener Pharmazeutin Verna Ruß. Es gebe zwar diverse Salben, Gels, Lotionen oder auch Antibiotika für das fortgeschrittene Stadium der Erkrankung, doch die zeigen oft nur vorübergehende Effekte. Es sei denn, man wendet die Präparate über Monate oder Jahre an – doch wer will das schon?
Die Forschung fokussiert sich daher zunehmend auf Alternativen zur pharmazeutischen Therapie. Einige davon kommen, laut einer Studie der Universität Freiburg, auch aus der Heilpflanzenkunde. So reduziert ein Gel der Bitterholzrinde – sie gehört zum südamerikanischen Simaroubabaum – die Rosazea-Symptome ähnlich effektiv wie die handelsüblichen Präparate, aber eben mit weitaus besserer Verträglichkeit. Hauptverantwortlich für den Bitterholzeffekt sind die entzündungshemmenden Gerbstoffe der Pflanze.
Ebenfalls reich an Gerbstoffen ist der Grüntee. Wobei er nicht nur entzündungshemmend ist. „Er könnte eine große Rolle in der Therapie spielen, weil er vor den Sonnenstrahlen schützt, die bei Rosazea ein wichtiger auslösender Faktor sind“, erklärt Studienleiterin Julia Hoffmann. Der Tee kann ebenfalls äußerlich zum Einsatz kommen. Doch sein Hautschutzeffekt greift bis zu einem gewissen Grad auch, wenn man ihn trinkt, so wie es ja weltweit üblich ist.
Weitere aussichtsreiche Pflanzenkandidaten sind das chinesische Lakritz und die auch hierzulande bekannte Blutwurz. Letztere zieht die Blutgefäße in der Haut zusammen und hilft dadurch gegen die erweiterten und weithin sichtbaren Adern. Die Anwendung erfolgt hier wieder äußerlich, als Gel oder Creme.
Absolut von innen wirkt hingegen die Bakterienflora im Darm – und auch über sie lässt sich offenbar ein Effekt bei Rosazea erzielen. Ein erster Hinweis darauf ergibt sich, wie Lucia Seminario-Vidal von der University of South Florida betont, aus der Beobachtung, dass Rosazea-Patienten überdurchschnittlich oft an
Zöliakie, Colitis, Morbus Crohn und auch am Reizdarm-Syndrom leiden. „Es gibt offenbar eine starke Verbindungsachse zwischen Darm und Haut“, so die US-Dermatologin. „Und dabei spielt die Darmflora eine entscheidende Rolle, weil sie darüber entscheidet, inwieweit schädliche Substanzen aus dem Darm in den Blutkreislauf und die peripheren Bereiche des Körpers gelangen.“Zudem ließe sich auch immer wieder beobachten, dass Immun- und Entzündungsreaktionen aus dem Ruder laufen, sofern sich das Mikromilieu im Darm verändert.
Es lohnt daher einen Versuch, die Ernährung pro- und präbiotisch aufzurüsten, um die Darmflora zu stabilisieren. Das kann über entsprechende Medikamente oder Nahrungsergänzungen erfolgen. Als probiotisch gelten aber auch Joghurt und Kefir mit ihren mikrobiotischen Kulturen; und als präbiotisch die in Apfel und Möhren vorkommenden Pektin-Ballaststoffe
und der Mehrfachzucker Inulin, den man etwa in Chicorée und Artischocke findet. SeminarioVidal warnt allerdings auch, dass Rosazea-Patienten nicht nur auf das Auf-, sondern auch auf das Abrüsten in der Ernährung achten müssten. Sie sollten, wie schon länger bekannt ist, Alkohol sowie heiße und scharfe Speisen meiden, weil sie die Erkrankung triggern können.
Für Kaffee gilt jedoch diese Warnung nicht mehr. Im Gegenteil. In einer internationalen Studie an knapp 83 000 Frauen stellte sich sogar heraus, dass diejenigen, die vier oder mehr Tassen des Heißgetränks verzehrten, zu einem Viertel seltener von Rosazea betroffen waren. Es musste allerdings koffeinhaltiger Kaffee sein. Weswegen Studienleiter Wen-Wing Li von der Brown University im US-amerikanischen Rhode Island vermutet, dass die Rosazeahemmende Wirkung dadurch zustande kommt, dass „Koffein die
Blutgefäße in der Haut verengt und dadurch Entzündungen verhindert“.
Mehr Vorsicht ist aber bei einem anderen Nahrungsbestandteil geboten, der zurzeit als Wunderwaffe gegen alle möglichen Erkrankungen gefeiert wird: Vitamin D. Wer damit gegen Rosazea punkten will, schießt „ein Eigentor“, wie Bodo Melnik von der Universität Osnabrück warnt. Der Dermatologe hat immer wieder beobachten müssen, dass sich Rosazea-Symptome verschlimmern, sofern man das Gesicht mit einem Vitamin-D-Präparat behandelt. Der Grund: Es erhöht die Ausschüttung sogenannter Cathelicidine, die das Entzündungsgeschehen in der Haut befeuern. Was nicht nur den geläufigen Ratschlag an Rosazea-Patienten bekräftigt, die Sonne zu meiden, weil deren Strahlung die körpereigene Vitamin-D-Produktion ankurbelt. Es bedeutet auch, dass man nicht auch noch Extraportionen des Vitamins schlucken sollte.