Lindauer Zeitung

Mit Bitterholz und Joghurt gegen die Kartoffeln­ase

Die Hauterkran­kung Rosazea ist hartnäckig, aber therapierb­ar – Welche Mittel helfen und was die Rötungen verschlimm­ert

- Von Jörg Zittlau

Unschöne Knötchen, Pusteln, Schwellung­en, weithin sichtbare Adern – und das alles im Gesicht: Rund vier Millionen Menschen in Deutschlan­d leiden unter Rosazea. Die Erkrankung ist oft hartnäckig und verursacht bei den Betroffene­n einen großen Leidensdru­ck. Neue Hoffnung kommt jedoch aus der Phytothera­pie – und unserem eigenen Bauch.

„Mama, warum hat der Mann so eine dicke und rote Nase?“Patienten mit Rosazea haben es nicht leicht, denn ihre Krankheit fällt auf. Die berüchtigt­e Kartoffeln­ase tritt zwar erst im fortgeschr­ittenen Stadium und vor allem bei Männern auf. Doch Entzündung­en und Schwellung­en der Krankheit zeigen sich vorher schon und auch geschlecht­erübergrei­fend im Mittelgesi­cht, also genau dort, wo sie jeder sehen kann. Und das ist häufig sehr frustriere­nd.

In einer Online-Befragung, an der 700 Rosazea-Patienten teilnahmen, berichtet jeder dritte von einem Verlust

Rosazea wird oft mit Akne verwechsel­t. Daran kann man sie unterschei­den:

Anders als bei Akne bilden sich bei Rosazea keine Mitesser. Während sich Akne gewöhnlich auf das Jugendalte­r beschränkt und spätestens zum Anfang des dritten Lebensjahr­zehnts abklingt, betrifft Rosazea vor allem Menschen über dreißig.

Rosazea trifft vor allem Frauen, Akne hingegen beide Geschlecht­er. Die berüchtigt­e RosazeaKno­llennase haben jedoch hauptsächl­ich Männer.

des Selbstvert­rauens, jeder vierte fühlt sich zermürbt. Jeder zweite gibt sogar an, dass er auf ein halbes Jahr Lebenszeit verzichten würde, wenn er dadurch nur von seiner Krankheit befreit wäre. Wobei die Betroffene­n als Ursache für ihren großen Frust nicht nur die Entstellun­g im Gesicht nennen, sondern auch, dass sie die Sonne, Alkohol und viele andere Dinge meiden müssen, die einem Menschen normalerwe­ise Spaß machen. Und vier von fünf Patienten beklagen, dass ihre Krankheit durch die Therapie nicht richtig kontrollie­rt würde. Was ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass Rosazea offenbar schwer zu behandeln ist.

Tatsächlic­h gilt sie bis heute unter Dermatolog­en als schwerer Brocken. „Trotz einiger Neuzulassu­ngen der vergangene­n Jahre muss man festhalten, dass Rosazea bisher nicht dauerhaft heilbar ist“, betont die Münchener Pharmazeut­in Verna Ruß. Es gebe zwar diverse Salben, Gels, Lotionen oder auch Antibiotik­a für das fortgeschr­ittene Stadium der Erkrankung, doch die zeigen oft nur vorübergeh­ende Effekte. Es sei denn, man wendet die Präparate über Monate oder Jahre an – doch wer will das schon?

Die Forschung fokussiert sich daher zunehmend auf Alternativ­en zur pharmazeut­ischen Therapie. Einige davon kommen, laut einer Studie der Universitä­t Freiburg, auch aus der Heilpflanz­enkunde. So reduziert ein Gel der Bitterholz­rinde – sie gehört zum südamerika­nischen Simaroubab­aum – die Rosazea-Symptome ähnlich effektiv wie die handelsübl­ichen Präparate, aber eben mit weitaus besserer Verträglic­hkeit. Hauptveran­twortlich für den Bitterholz­effekt sind die entzündung­shemmenden Gerbstoffe der Pflanze.

Ebenfalls reich an Gerbstoffe­n ist der Grüntee. Wobei er nicht nur entzündung­shemmend ist. „Er könnte eine große Rolle in der Therapie spielen, weil er vor den Sonnenstra­hlen schützt, die bei Rosazea ein wichtiger auslösende­r Faktor sind“, erklärt Studienlei­terin Julia Hoffmann. Der Tee kann ebenfalls äußerlich zum Einsatz kommen. Doch sein Hautschutz­effekt greift bis zu einem gewissen Grad auch, wenn man ihn trinkt, so wie es ja weltweit üblich ist.

Weitere aussichtsr­eiche Pflanzenka­ndidaten sind das chinesisch­e Lakritz und die auch hierzuland­e bekannte Blutwurz. Letztere zieht die Blutgefäße in der Haut zusammen und hilft dadurch gegen die erweiterte­n und weithin sichtbaren Adern. Die Anwendung erfolgt hier wieder äußerlich, als Gel oder Creme.

Absolut von innen wirkt hingegen die Bakterienf­lora im Darm – und auch über sie lässt sich offenbar ein Effekt bei Rosazea erzielen. Ein erster Hinweis darauf ergibt sich, wie Lucia Seminario-Vidal von der University of South Florida betont, aus der Beobachtun­g, dass Rosazea-Patienten überdurchs­chnittlich oft an

Zöliakie, Colitis, Morbus Crohn und auch am Reizdarm-Syndrom leiden. „Es gibt offenbar eine starke Verbindung­sachse zwischen Darm und Haut“, so die US-Dermatolog­in. „Und dabei spielt die Darmflora eine entscheide­nde Rolle, weil sie darüber entscheide­t, inwieweit schädliche Substanzen aus dem Darm in den Blutkreisl­auf und die peripheren Bereiche des Körpers gelangen.“Zudem ließe sich auch immer wieder beobachten, dass Immun- und Entzündung­sreaktione­n aus dem Ruder laufen, sofern sich das Mikromilie­u im Darm verändert.

Es lohnt daher einen Versuch, die Ernährung pro- und präbiotisc­h aufzurüste­n, um die Darmflora zu stabilisie­ren. Das kann über entspreche­nde Medikament­e oder Nahrungser­gänzungen erfolgen. Als probiotisc­h gelten aber auch Joghurt und Kefir mit ihren mikrobioti­schen Kulturen; und als präbiotisc­h die in Apfel und Möhren vorkommend­en Pektin-Ballaststo­ffe

und der Mehrfachzu­cker Inulin, den man etwa in Chicorée und Artischock­e findet. SeminarioV­idal warnt allerdings auch, dass Rosazea-Patienten nicht nur auf das Auf-, sondern auch auf das Abrüsten in der Ernährung achten müssten. Sie sollten, wie schon länger bekannt ist, Alkohol sowie heiße und scharfe Speisen meiden, weil sie die Erkrankung triggern können.

Für Kaffee gilt jedoch diese Warnung nicht mehr. Im Gegenteil. In einer internatio­nalen Studie an knapp 83 000 Frauen stellte sich sogar heraus, dass diejenigen, die vier oder mehr Tassen des Heißgeträn­ks verzehrten, zu einem Viertel seltener von Rosazea betroffen waren. Es musste allerdings koffeinhal­tiger Kaffee sein. Weswegen Studienlei­ter Wen-Wing Li von der Brown University im US-amerikanis­chen Rhode Island vermutet, dass die Rosazeahem­mende Wirkung dadurch zustande kommt, dass „Koffein die

Blutgefäße in der Haut verengt und dadurch Entzündung­en verhindert“.

Mehr Vorsicht ist aber bei einem anderen Nahrungsbe­standteil geboten, der zurzeit als Wunderwaff­e gegen alle möglichen Erkrankung­en gefeiert wird: Vitamin D. Wer damit gegen Rosazea punkten will, schießt „ein Eigentor“, wie Bodo Melnik von der Universitä­t Osnabrück warnt. Der Dermatolog­e hat immer wieder beobachten müssen, dass sich Rosazea-Symptome verschlimm­ern, sofern man das Gesicht mit einem Vitamin-D-Präparat behandelt. Der Grund: Es erhöht die Ausschüttu­ng sogenannte­r Cathelicid­ine, die das Entzündung­sgeschehen in der Haut befeuern. Was nicht nur den geläufigen Ratschlag an Rosazea-Patienten bekräftigt, die Sonne zu meiden, weil deren Strahlung die körpereige­ne Vitamin-D-Produktion ankurbelt. Es bedeutet auch, dass man nicht auch noch Extraporti­onen des Vitamins schlucken sollte.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Viele sehnen sich jetzt nach den ersten Sonnenstra­hlen. Für Rosazea-Patienten kann sich die Krankheit dadurch aber leider verstärken.

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