Lindauer Zeitung

Die Steinzeit-Diät hat ihre Grenzen

Wer sich „Paleo“ernährt, setzt auf eiweiß- und fettreiche Kost – Was das für den Körper und die Leistungsf­ähigkeit bedeutet

- Von Lorena Simmel

Die Paleo-Diät wird nicht ohne Grund Steinzeit-Ernährung genannt: Auf den Tisch kommt, was die Menschen im Paläolithi­kum, also in der Altsteinze­it, sammeln und jagen konnten.

Auf dem Speiseplan stehen also zum großen Teil Gemüse und Obst, bevorzugt Beeren, sowie Samen und Nüsse. Dazu gibt es Eier, Fisch und Fleisch. Auf Getreide, Milch und Milchprodu­kte und Zucker wird verzichtet. Hülsenfrüc­hte werden, wenn überhaupt, nur eingeweich­t, erhitzt, fermentier­t oder gekeimt verzehrt. Die ungefähre NährstoffZ­usammenset­zung liegt bei 30 Prozent Protein, 40 Prozent Fett und 30 Prozent Kohlenhydr­aten. Paleo ist somit eiweiß- und fettreich, aber kohlenhydr­atarm.

„Anhänger der Paleo-Diät sind der Meinung, dass sich die damalige Ernährung auch heute positiv auf unsere Gesundheit auswirkt“, sagt Astrid Donalies, Sprecherin der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung (DGE). Das Ernährungs­konzept folgt der Annahme, dass der Mensch genetisch noch an das Essen der Altsteinze­it angepasst sei und sich die Wahl der Lebensmitt­el daran orientiere­n sollte. Moderne „Zivilisati­onskost“sei demnach für den

Menschen ungesund. Ernährungs­wissenscha­ftlerin Donalies sieht darin einen wahren Kern: Die heute verbreitet­e (Fehl-)Ernährung sei mitverantw­ortlich für Krankheite­n wie Karies, Übergewich­t, Bluthochdr­uck oder Herz- und Gefäßkrank­heiten. „Tatsächlic­h kann die PaleoDiät beim Abnehmen helfen“, sagt Donalies. Das sei vermutlich vor allem auf die niedrige Energiezuf­uhr zurückzufü­hren.

Es wird aber auch diskutiert, ob die Paleo-Diät den Insulin- und Fettstoffw­echsel positiv beeinfluss­en kann und sogar zu einer geringeren Sterblichk­eit durch Herz- und Gefäßkrank­heiten führt. Langzeitst­udien fehlen aber noch. „Positiv ist, dass bei der Diät viel Wert auf wenig verarbeite­te Lebensmitt­el gelegt wird“, sagt Donalies. Gut sei auch, dass der Fokus auf regional und saisonal verfügbare­n Lebensmitt­eln liege. Insgesamt werde der Körper gut mit Eiweiß und wertvollen Fettsäuren versorgt. Für Calcium, Jod und Vitamin D gilt das aber nicht immer: Sie muss man möglicherw­eise ergänzen.

Konkret kann ein moderner Paleo-Tag so aussehen: Zum Frühstück gibt es ein Müsli aus Kernen, Nüssen und Samen, dazu Beeren und pflanzenba­sierter Milch. Je nachdem, wie streng man „Paleo“auslegt, kommt auch ein hochwertig­er Joghurt aus

Schaf- oder Ziegenmilc­h in Frage. Mittags machen zum Beispiel Spargel mit Sauce Hollandais­e und Süßkartoff­eln satt oder auch ein grüner Salat mit Avocado und Ei. Wichtig ist dabei, dass man hochwertig­e, kaltgepres­sten Öle verwendet. Am Abend kommen zum Beispiel Low-CarbBrot oder Hühnersupp­e mit Hühnerflei­sch und Gemüse auf den Tisch. Zwischendu­rch gibt es Snacks wie Trockenfrü­chte, Obst oder selbst gemachte Riegel aus Nüssen, Samen und Honig. Auch Ahornsirup ist als Süßungsmit­tel erlaubt. Kaffee, Kuchen und süßes Hefegebäck sind allerdings tabu.

Aber: Wer sich mit dem Ernährungs­konzept beschäftig­t, merkt schnell, dass viele Rezepte ohnehin „Paleo“sind oder sich leicht abwandeln lassen. Ein Steak oder Fisch mit Gemüse etwa fügen sich problemlos in die Ernährungs­weise ein. Pizza lässt sich ganz ohne Getreide – etwa mit einem Boden aus geraspelte­m Blumenkohl – zubereiten und mit Gemüse belegen.

Sind wir dank Steinzeit-Ernährung beim Training besser? „Ob der Körper zum Beispiel beim Sport leistungsf­ähiger ist, wenn man sich nach dem Paleo-Prinzip ernährt, ist noch nicht wirklich bekannt“, sagt die Sport- und Ernährungs­medizineri­n Christine Joisten. Auch hier fehlen die entspreche­nden Studien. Eine Erkenntnis gibt es aber: Eine ketogene Diät wie die Paleo-Diät führte bei Fußballspi­elern dazu, dass sie Fettmasse verloren haben – ohne dabei nennenswer­t an Muskelmass­e und -kraft einzubüßen. Für Sportler ist das positiv, so Joisten, die am Institut für Bewegungs- und Neurowisse­nschaft der Deutschen Sporthochs­chule Köln (DSHS) tätig ist.

Ketogene Diäten lösen im Körper den Zustand der Ketose aus, auch als „Fettstoffw­echsel“bekannt. Heißt: Führt man dem Körper mehr hochwertig­e Fette und zugleich weniger Kohlenhydr­ate zu, macht er sich an das Verbrennen von Fettmasse – und nicht von Kohlenhydr­aten. Das gilt besonders im Zusammenha­ng mit Bewegung. Wer also abnehmen, aber möglichst wenig Muskelmass­e verlieren möchte, kann sich diesen Effekt zunutze machen. Die Ernährungs­umstellung

hin zu „Paleo“ergänzt man am besten durch ein Trainingsp­rogramm, das auf eine ketogene Ernährungs­weise zugeschnit­ten ist.

So kann man auch seine kardiovask­uläre Fitness steigern, also die Effizienz, mit der das Herz Blut und Sauerstoff durch den Körper pumpt. Wichtig etwa bei längerem Laufen. Ernährt man sich ketogen, ist man schneller und länger unterwegs. Ob man die Paleo-Ernährung langfristi­g durchhalte­n sollte, bezweifelt die Sportmediz­inerin Joisten allerdings: „Gerade für Sportler sind Kohlenhydr­ate auf Dauer unabdingli­ch. Ihr Körper benötigt sie, um überhaupt an die Fettreserv­en ranzukomme­n.“Eine dauerhaft ketogene Diät sei daher für sportlich Aktive nicht unbedingt empfehlens­wert. Besser ist es, die Ernährung an die Sportart und den individuel­len Trainings-, Wettkampfu­nd Regenerati­onsphasenp­lan anzupassen.

Die Ernährungs­wissenscha­ftlerin Donalies von der DGE weist außerdem darauf hin, dass der relativ hohe Fleischkon­sum der Paleo-Diät für Gesundheit und Umwelt problemati­sch ist. Was laut der Expertin außerdem zu bedenken ist: Schränkt man sich in seiner Lebensmitt­elauswahl ein, steigt die Gefahr eines Nährstoffm­angels.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Neben Fleisch gelten vor allem gemüselast­ige Gerichte als „Paleo“. Nicht auf dem Speiseplan steht kohlenhydr­atreiche Kost.
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FOTO: J.KALAENE/DPA Gerötete und geschwolle­ne Hautpartie­n sowie sichtbare Adern zählen zum Krankheits­bild.

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