Im Hort der Gutbürgerlichkeit hat auch der Hase seinen Platz
Wenn man jemandem oder einer Sache unterstellt, sie gehöre ins Museum, so will man damit ausdrücken, dass etwas hoffnungslos aus der Mode gekommen ist. Man kann es allerdings auch anders sehen und sagen: Es gehört ins Museum, weil es schützenswert ist, aber leider auszusterben droht. Genau so verhält es sich mit dem altehrwürdigen Waldgasthof Erzgrube im Aalener Teilort Wasseralfingen. Denn da steht Karl Hägele hinterm Herd und macht das, was er schon bald 50 Jahre tut: anständig kochen, sodass der Begriff der Gutbürgerlichkeit alles andere als abwertend verstanden werden kann.
Der Gastraum hat etwas von guter alter Zeit: grüner Fliesenboden, ein etwas in die Jahre gekommenes, aber gut gepflegtes Mobiliar. Die Dame des Hauses bedient mit knappen Ansagen, korrekt und zügig.
Die Karte ist relativ fleischlastig und macht mit einer Reihe von Wildgerichten Appetit auf Reh, Hirsch oder auch Hase. Neben ein wenig Fisch wären da noch die schwäbischen Klassiker. Und ein außergewöhnlicher Kartoffelsalat. Der sitzt mittig auf dem Salatteller und hat eine deutliche Meerrettichnote, was überraschend gut passt. Ein Salat von Alblinsen erweitert den Reigen des Ungewöhnlichen, wozu sich auch ein frischer Selleriesalat mit cremigem Dressing zählen darf. Der erwähnte Wildhase hat auf Speisekarten tatsächlich Seltenheitswert, lohnt sich aber aufgrund seines starken Eigengeschmacks. Karl Hägele mariniert die Keulen offenbar sorgsam und nicht ohne Rotwein, bevor das Langohr ausgiebig schmort. Im Ergebnis springt dabei ein mürber und aromenreicher Hasenbraten heraus, der unter anderem nach Wacholder duftet. Die dazu gereichten Serviettenknödel saugen die würzige Soße dankbar auf, das Blaukraut steuert einen süßlichen Part bei.
Aber die Küche kann noch mehr: Zum Beispiel den Rostbraten „Schwäbische Art“, der mit Spätzle, Maultasche sowie Sauerkraut serviert wird. Diese Garnitur schmeckt genauso üppig wie sie klingt. Wobei die stark abgeschmeckte Maultasche keine Fabrikware ist, das zarte Rindfleisch mit rosaroter Saftigkeit überzeugt. Auch hier zeigt die Küche wieder, dass sie sich mit viel Liebe zum Detail eine Menge Arbeit macht, die sich aber unbedingt lohnt. Das mildsäuerliche Kraut ergänzt die pfannengeschmälzten Zwiebeln optimal.
Bei so viel Hauptspeisen-Glückseligkeit kann es leicht passieren, dass man die Suppe vergisst, die es zuvor gab, was schade wäre: klare Ochsenschwanzbrühe mit Fleischeinlage, abgerundet mit feinem Sherry. Auch das wieder eine Rarität auf unseren Speisekarten, selten geworden und auf Hägeles Herd blitzsauber zubereitet. Sodass sich der besondere Geschmack des Ochsenschwanzes voll entfaltet, die kleinen Fleischstückchen zergehen dabei auf der Zunge.
Und zum Schluss? Ein bisschen Panna Cotta, die nicht gerade ein Aushängeschild der Erzgrube ist, weil sie geschmacklich etwas flach daherkommt. Alle anderen Elemente des Menüs sind würdige Vertreter einer schützenswerten Gutbürgerlichkeit. Und viel zu schade, um ein Fall fürs Museum zu werden.
Waldgasthof Erzgrube Erzhäusle 10
73433 Aalen-Wasseralfingen
Tel. 07361-71524 www.waldgasthof-erzgrube.de Geöffnet Mittwoch bis Sonntag durchgehend ab 10.30 Uhr, Küchenpause von 14-17 Uhr, Ruhetage Montag und Dienstag. Hauptgerichte 11-24,50 Euro.
Weitere „Aufgegabelt“-Folgen: www.schwäbische.de/aufgegabelt