Mit weicher Nase und klarem Verstand
Airbags, Abstandsradar, robuste Crash-Strukturen – Wie Autos Insassen und Fußgänger schützen sollen
Die Insassen moderner Autos können unter anderem von stabilen Karosseriestrukturen, bis zu einem Dutzend Airbags und vielen elektronischen Helfern vor Schäden bewahrt werden. Fußgänger sind an und auf der Straße den Gefahren eines Unfalls hingegen nahezu ungeschützt ausgesetzt. Weil ihnen nichts als Vorsicht und Vernunft helfen, haben aber auch viele Fahrzeuge ein Auge auf sie – und das kann man mittlerweile wörtlich nehmen.
Die Zeiten, in denen der sogenannte Fußgängerschutz ausschließlich passiv – also mit einer Art Knautschzone für die Knochen der anderen – erfolgte, sind lange vorbei. Autos nutzen inzwischen auch Kameras und Radarsensoren, um ihre Fahrer vor Passanten zu warnen, oder sie steigen bei drohenden Kollisionen selbstständig in die Eisen. „Fußgängererkennung mit Notbremsfunktion“heißt dieses System, das mittlerweile bei fast allen Neufahrzeugen zur Serienausstattung zählt. Denn ohne dieses früher teuer verkaufte Extra fallen Neuwagen nach Angaben des ADAC heute im sogenannten Euro-NCAP-Test glatt durch und bekommen keinen der begehrten fünf Sterne: „Mit diesem K.o.-Kriterium sollen die Hersteller motiviert werden, den Notbremsassistenten serienmäßig zu verbauen“, schreibt der ADAC.
Weil sich damit vor allem bei höherer Geschwindigkeit aber nicht alle Unfälle vermeiden lassen, kombinieren viele Hersteller solche Systeme, die je nach Marke und Modell auch auf Radler oder Rehe ansprechen, auch noch mit einem Ausweichassistenten. Erkennt dieser ein Objekt oder eine Person auf der Fahrbahn und befürchtet einen Crash, unterstützt er den Fahrer parallel zur Vollbremsung mit dem richtigen Lenkwinkel dabei, einen
Haken um das Hindernis zu schlagen.
Weitere Assistenten zum Fußgängerschutz zielen vor allem auf eine bessere Sichtbarkeit bei Dunkelheit. So setzen zum Beispiel die französischen Marken Peugeot, Citroën und DS Infrarotkameras mit einer speziellen Bilderkennung ein und markieren gefährdete Kandidaten auf dem Display. Andere Hersteller wie
Audi programmieren ihre intelligenten Scheinwerfer so, dass nachts Fußgänger am Fahrbahnrand gezielt angeleuchtet werden, um den Fahrer zu warnen.
Falls es der elektronischen Weitsicht und den Warnungen zum Trotz doch zum Kontakt zwischen Körper und Karosserie kommt, greift der passive Fußgängerschutz. Er ist in Design und Konstruktion der Fahrzeuge verankert, sagt MercedesSprecher Koert Groeneveld und berichtet von weich hinterschäumten Kühlermasken, die im Industriejargon „Soft Nose“heißen. Zudem seien die Höhen der Hauben und die Kanten der Kotflügel so berechnet und mit Crashtest-Dummys erprobt, dass schwere Verletzungen bestmöglich vermieden werden. Auch deshalb montieren inzwischen zahlreiche Hersteller Pyrotechnik unter der Motorhaube, um diese bei einem Fußgängeraufprall etwas anzuheben und so den Aufschlag auf den unnachgiebigen Motorblock zu verhindern. Alternativ dazu gibt es bei einigen Modellen auch Airbags, die sich etwa von außen auf die Motorhaube und vor die Frontscheibe legen, sagt Robert Buchmeier vom Zulieferer ZF.
Ein vergleichsweise neues Instrument im Fußgängerschutz ist der Soundgenerator, den die Behörden für Elektrofahrzeuge vorschreiben. Weil die Stromer still dahinsurren und von Fußgängern eventuell nicht bemerkt werden, brauchen sie ein sogenanntes Acoustic Vehicle Alerting System (AVAS). Dafür sind zumeist im Unterboden, in den Radhäusern oder den Stoßstangen zum Teil mehrere Lautsprecher montiert, die einen definierten Warnton ausstoßen. Der muss aber, so steht es in der EU-Verordnung, nur von 0 bis etwa 20 km/h zu hören sein, weil darüber hinaus die Reifen genügend Fahrgeräusche erzeugen.
Die Intelligenz für den Fußgängerschutz muss aber nicht allein im Auto sitzen. So hat zum Beispiel die koreanische Technologiefirma LG die Testversion einer SmartphoneApp vorgestellt, die in Echtzeit Bewegungsund Positionsdaten kontrolliert und Nutzer warnen kann, wenn sie auf Kollisionskurs sind. Geht ein Fußgänger unbedacht über eine Straße und es nähert sich ein Auto, erscheinen da wie dort Warnhinweise auf dem Telefon, es vibriert und schlägt Alarm. Auch Forscher verschiedener Fraunhofer-Institute setzen auf externe Intelligenz und haben ein Radar-Sensorsystem entwickelt, das Fußgänger beobachten und Verkehrsteilnehmer warnen kann, bevor es überhaupt zur Gefahr kommt.
Dafür erstellt die Elektronik Bewegungsprofile und -prognosen etwa von wartenden Personen an einer Bushaltestelle, löst aber erst dann einen Alarm aus, wenn sich tatsächlich ein Passant der Fahrbahn nähert. „Das System könnte so vernetzten und automatisierten Fahrzeugen raten, an belebten Bushaltestellen langsamer zu fahren, und dagegen die Höchstgeschwindigkeit erlauben, wenn keine Personen an der Haltestelle stehen“, so beschreiben die Wissenschaftler ihren Ansatz.
Und sie wollen sogar noch einen Schritt weitergehen: Um die Reaktionszeit zu verkürzen und das Verständnis der Abläufe zu erhöhen, sollen die Messstellen um Künstliche Intelligenz und Infrarotkameras ergänzt werden. Dann könne das System nicht nur sehen, ob sich jemand auf das Auto zubewegt, sondern die Szene auch verstehen. Dann reicht schon ein rollender Ball, um auf ein nachfolgendes Kind zu schließen – und den Fahrer zu warnen.