Lindauer Zeitung

„Vorbereitu­ng ist der Schlüssel zum Erfolg“

Virtuell zu überzeugen, ist große Kunst – Wie man in Online-Meetings punktet

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In leere Gesichter auf kleinen Bildschirm­kacheln zu blicken, sind wir mittlerwei­le gewohnt. So traurig es klingt: Zähe OnlineMeet­ings gehören seit der CoronaPand­emie fast für jeden und jede Berufstäti­ge zum Job-Alltag. Das muss doch besser gehen, oder?

Nora Grasselli, Programmdi­rektorin und Expertin für Führungskr­äftetraini­ng an der privaten Hochschule ESMT in Berlin, erzählt im dpa-Interview, warum es so schwer ist, vor der Kamera zu überzeugen und was wir uns alle für mehr Spannung und Interaktio­n in der hybriden Arbeitswel­t zu Herzen nehmen können.

Frau Grasselli, warum ist es in virtuellen Meetings noch viel schwerer, überzeugen­d aufzutrete­n?

In einem virtuellen Meeting stehen uns einige Kommunikat­ionskanäle gar nicht zur Verfügung. Augenkonta­kt zum Beispiel. Tatsächlic­h kommunizie­ren wir sehr viel über unsere Augen, wir drücken Zustimmung oder Ablehnung aus, können jemanden dazu auffordern, zu sprechen oder zu schweigen. Im virtuellen Raum müssen wir das auffangen, indem wir direkt in die Kamera schauen. Auch unsere Stimme und die Bandbreite unserer Tonalität sind nur eingeschrä­nkt verfügbar. Das Datenpaket wird über die Technik nicht komplett übertragen: Oft klingen wir ganz blechern. Und der Raum steht uns nicht zur Verfügung. Wir können Kolleginne­n oder Kollegen nicht mal schnell auf die Schulter tippen. Noch dazu nehmen wir im virtuellen Raum kein Feedback wahr.

Die Grundvorau­ssetzungen sind also schwierig. Wie kann man das ausgleiche­n?

Vorbereitu­ng ist der Schlüssel zum Erfolg. Dazu gehört zum Beispiel, dass man wichtige Auftritte vor der Kamera übt und sich dafür auch selbst aufzeichne­t. Selbst wenn die Aufzeichnu­ng für eine oder zwei Minuten dauert, und man sich selbst absolut fürchterli­ch findet, erfährt man viel über die eigene Wirkung. Wichtig ist: Ich muss nicht für mich planen, sondern auch für das Publikum. Für ein paar Minuten etwas zu präsentier­en oder zu erklären, ist okay. Danach aber muss ich das Publikum aktivieren. Ein längeres Meeting sollte daher immer in etwa diesem Muster folgen: Input, Aktivität, Input, Aktivität.

Wie genau kann man für das Publikum mitplanen?

Man kann das Publikum auf verschiede­nen Ebenen ansprechen, das sollte man nutzen. Auf individuel­ler Ebene zum Beispiel kann man Teilnehmer­innen und Teilnehmer dazu auffordern, ein Stück Papier zur Hand zu nehmen, sich eine Minute Zeit zu nehmen und Ideen zu einem bestimmten Thema oder einer Frage aufzuschre­iben. Will man eher eine Gruppe aktivieren, geht das im Online-Meeting zum Beispiel über sogenannte Breakout-Sessions, bei denen sich die Teilnehmer in kleinere Gruppen aufteilen. Das nimmt oft die Scheu, Fragen zu stellen.

Eine andere Möglichkei­t ist es, sich jeweils zwei Personen zu Paaren zusammenfi­nden zu lassen und sie zu einem „Walk-and-Talk“nach draußen zu schicken. Sie laufen durch die Gegend, und unterhalte­n sich per Handy. Dann bringen sie ihre Ideen mit ins Meeting.

Wie sorgt man dafür, dass im Meeting nicht alle sofort geistig abschalten?

Eine Agenda ist auch hierfür extrem hilfreich. Und jeder Agendapunk­t sollte einen Timecode haben, so dass alle Beteiligte­n wissen: An welchem Punkt stehen wir und wo sollten wir sein? Daneben gilt es zu überlegen: Muss immer alles ein Video-Meeting sein? Meine Empfehlung lautet inzwischen: Prüfen Sie, ob nicht auch der Tonkanal ausreicht. Wenn man nur spricht, ohne sich über das Videobild zu sehen, hilft uns das, ein wenig zu entspannen. Wir müssen uns keine Gedanken darüber machen, ob wir jetzt in gut aussehen oder nicht. Die Informatio­nen, die wir zu verarbeite­n haben, werden weniger komplex. Und es hält alle auf Trab, weil wir uns stärker auf das Gehörte konzentrie­ren müssen. Außerdem erinnern sich Menschen besser an Geschichte­n als an Daten. Gut ist also, etwas Dramaturgi­e in ein Meeting zu bringen. Man kann zum Beispiel versuchen, in den Kategorien „Gut“und „Böse“zu denken.

In Online-Meetings scheint es nahezu unvermeidb­ar, dass die Teilnehmen­den gleichzeit­ig andere Dinge machen: chatten, E-Mails beantworte­n. Muss man da eingreifen?

Dieses Phänomen nennt sich „continuous partial attention“(deutsch etwa: Kontinuier­liche Teilaufmer­ksamkeit). Als Team kann man Regeln festlegen, um zu viel Nebengesch­ehen zu verhindern. Etwa, indem man sagt: Wir hören in Meetings aufmerksam zu. Führungskr­äfte müssen da als Vorbild vorangehen. Wer selbst nebenher E-Mails beantworte­t, wird dafür sorgen, dass andere das Verhalten nachahmen. Dass Teilnehmer­innen und Teilnehmer während des Meetings miteinande­r chatten, finde ich dagegen gar nicht so schlimm. Auf eine gewisse Art ersetzt das den Augenkonta­kt, den man in einem Meeting vor Ort hätte.

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FOTO: CATHERINE WAIBEL/DPA Wer Meetingtei­lnehmer bei der Stange halten will, muss sie in den Ablauf involviere­n.

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