Kiew bereitet sich auf Blockade vor
Raketenangriff nahe der polnischen Grenze – 2200 tote Zivilisten in Mariupol
(dpa) - Ein Raketenangriff nahe der Grenze zu Polen und heftige Gefechte in der Umgebung von Kiew: Trotz internationaler Appelle für eine Waffenruhe wütet der Krieg in der Ukraine mit unverminderter Grausamkeit weiter. Der Protest gegen das Vorgehen der russischen Regierung verbindet Menschen in der besetzten ukrainischen Stadt Cherson und in Moskau ebenso wie Zehntausende in Berlin, Stuttgart und anderen Städten.
Bei einem Raketenangriff auf einen Truppenübungsplatz unweit der Stadt Lwiw (Lemberg) wurden am Sonntagmorgen nach ukrainischen Angaben mindestens 35 Menschen getötet und 134 verletzt. In Lwiw sammeln sich seit Tagen zahllose
Flüchtlinge aus den umkämpften Regionen der Ukraine, um nach Polen zu gelangen. Der Übungsplatz Jaworiw liegt nur etwa 15 Kilometer von der Grenze zum EU- und Nato-Mitglied Polen entfernt.
Rund um die ukrainische Hauptstadt kam es nach ukrainischen Angaben auch am Sonntag zu heftigen Kämpfen, etwa in Irpin und weiter westlich in Makariw. Am Samstag gelang es, etwa 20 000 Menschen aus Orten im Umkreis von Kiew in Sicherheit zu bringen.
Die Hauptstadt bereitet sich auf eine mögliche vollständige Blockade durch russische Truppen vor. Es seien Vorräte mit Lebensmitteln angelegt worden, um zwei Millionen Kiewer zwei Wochen lang zu versorgen, sagte der stellvertretende Leiter der Stadtverwaltung am Sonntag.
Im Südosten des Landes bedrängen russische Truppen weiter die seit Tagen belagerte Hafenstadt Mariupol mit rund 400 000 Einwohnern. Nach ukrainischen Angaben wurden dort bislang etwa 2200 Bewohner getötet.
In der westlich von Mariupol gelegenen Stadt Melitopol setzte Russland erstmals in einem eroberten Gebiet eine eigene Statthalterin ein. Die Lokalabgeordnete Halyna Daniltschenko rief die Bevölkerung auf, sich „an die neue Realität“anzupassen. Der Bürgermeister von Melitopol, Iwan Fedorow, war zuvor nach Kiewer Angaben an einen unbekannten Ort verschleppt worden – ebenso wie der Bürgermeister der Kleinstadt Dniprorudne.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drohte Kollaborateuren Russlands in der Ukraine mit dem Tod. Wer sich von Angeboten der russischen Besatzer in Versuchung geführt sehe, unterschreibe damit sein eigenes Urteil, sagte er.
Derweil müssen jeden Abend in Berlin etwa 1000 neu angekommene Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine versorgt und zunächst untergebracht werden. Allein an diesem Wochenende seien es insgesamt sogar etwa 4000 Menschen gewesen, berichtete Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Berlin brauche mehr Unterstützung vom Bund.