Lieber Krapfen als Donut
Wie Bayerns Kommunen Baulücken schließen und die Ortskerne lebendig halten wollen
(dpa) - Draußen auf der einst grünen Wiese reiht sich Einfamilienhaus an Einfamilienhaus. Im Ortskern dagegen stehen etliche Gebäude leer und bieten ein tristes Bild. Deshalb werben viele Kommunen für Sanierung statt Neubau.
Die beiden Zahlen, die Bürgermeister Daniel Schreiner nennt, sind beeindruckend. 54 leer stehende Immobilien gab es im 1600-EinwohnerOrt Sparneck im Landkreis Hof vor ein paar Jahren. Inzwischen sind es nur noch 19. „Wir konnten massiv Leerstände beseitigen“, sagt er. Entweder sind Gebäude saniert worden – oder wurden, falls eine Renovierung nicht mehr möglich war, abgerissen, um Platz für neue Bauprojekte zu schaffen. „Wir wollten den Kernort am Leben erhalten.“
Das bedeutet: Baulücken schließen, leer stehende Immobilien sanieren – und eben nicht Wiese um Wiese zum Bau- oder Gewerbegebiet am Ortsrand umfunktionieren. Ein Spaziergang durch Sparneck zeigt, dass die Kommune erfolgreich ist. Es gibt einen Bäcker, einen Metzger, eine Apotheke. Alles andere als selbstverständlich in Orten dieser Größe.
Das lange leer stehende Industriegebäude in der Ortsmitte hat einen neuen Anstrich, neue Fenster, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, drinnen arbeiten die Mitarbeiter einer Firma, die gebrauchte Konsolen und Videospiele vertreibt. Gleich gegenüber saniert die Gemeinde ein Gebäude, in dem Büros vermietet werden sollen.
Sparneck profitiert von einer Initiative von Stadt und Landkreis Hof, Stadt und Landkreis Bayreuth sowie dem Landkreis Wunsiedel. Die oberfränkischen Kommunen wollen verhindern, dass ihre Orte zu Donuts werden. Sie sollen Krapfen bleiben.
Wie bitte? Tatsächlich veranschaulicht der Vergleich mit süßem Gebäck ganz gut, was vielen Dörfern und kleinen bis mittelgroßen Städten in Bayern droht: Bei einem Donut-Ort wachsen die Ränder, aber die Mitte wird leer. Beim Krapfen ist das Beste in der Mitte. „Wir wollen Leerstände wieder zum Leben erwecken“, sagt der Hofer Landrat Oliver Bär (CSU).
Schon seit Längerem kritisiert etwa der Bund Naturschutz (BN) den Flächenfraß in Bayern – speziell aber in Oberfranken, wo die Bevölkerung Prognosen zufolge zurückgeht. Der Flächenverbrauch sei trotzdem enorm, sagt Tom Konopka vom BN. „Da werden an den schönsten Sonnenhängen neue Wohngebiete ausgewiesen.“Und da dies nahezu jede Gemeinde mache, „kann keine Kommune wirklich gewinnen“. Bayernweit wurden nach Zahlen des Landesamts für Statistik 2020 im täglichen Schnitt 11,6 Hektar bebaut, 2019 waren es 10,8 Hektar gewesen.
Auch andernorts in Bayern gibt es gemeinde- und städteübergreifende Initiativen, um die Ortskerne zu stärken und weniger Flächen außerhalb zu verbrauchen. „Das ist seit etwa fünf Jahren ein Megathema“, sagt Matthias Simon, Referent für Baurecht und Landesplanung des bayerischen Gemeindetags. Freilich – manche Regionen hätten überhaupt keine Probleme, Immobilien innerorts mit Leben zu füllen. Andernorts sei die Sorge vor verödeten Ortskernen jedoch groß.
Ganz einfach ist es nicht, Menschen mit dem Wunsch nach einem Eigenheim zum Beispiel die Sanierung eines altes Anwesens im Ort schmackhaft zu machen – wenn draußen das moderne Haus gebaut werden könnte, das in der Baumarktund Möbelhauswerbung als Ideal gezeigt wird. Wer weiß schon, was die Sanierung tatsächlich kostet, welche bösen Überraschungen sie mit sich bringt? Sind die Balken doch morscher als gedacht? Und: Welche Vorschriften gibt es überhaupt?
Man wolle den Menschen Ängste nehmen, sagt die Oberbürgermeisterin von Hof, Eva Döhla (SPD). Die an der oberfränkischen Initiative beteiligten Kommunen bieten deshalb Gutscheine für eine Erstberatung etwa mit einem Architekten an – und haben in einem Kompass Informationen und Ansprechpartner gebündelt. „Wir kümmern uns um die
Menschen, die so etwas vorhaben“, sagt der Wunsiedler Landrat Peter Berek (CSU).
Ein landesweit beachtetes Erfolgsprojekt ist die Allianz Hofheimer Land, wie Simon erläutert. Sieben Kommunen im unterfränkischen Landkreis Haßberge haben sich zusammengeschlossen – eines ihrer wichtigsten Ziele: „aktuelle Leerstände zu beseitigen und zukünftige Leerstände zu verhindern und so die Ortskerne als Zentren des sozialen und kulturellen Lebens zu stärken“, wie es auf der Homepage heißt. Dazu haben die Kommunen unter anderem ein eigenes Förderprogramm aufgelegt. Damit wurden den Angaben zufolge schon mehr als 350 Leerstände wieder nutzbar gemacht.
Durch die Corona-Pandemie sei das Interesse vieler Menschen gestiegen, aufs Land zu ziehen, sagte Thomas Auer, Professor für klimagerechtes Bauen an der TU München, kürzlich im Deutschlandfunk. Das sei erfreulich für den ländlichen Raum, berge aber die Gefahr, dass an den Ortsrändern neue Gebiete mit Einfamilienhäusern entstehen, Flächen versiegelt werden und die Ortskerne absterben: „Da gilt es, gegenzusteuern.“Es sei ein Spagat, das Land nicht mit Einfamilienhäusern zuzupflastern, zugleich aber solche Häuser nicht „zu verdammen und zu verbieten“. Der Bestand müsse mehr wertgeschätzt werden.