Lindauer Zeitung

Evangelisc­he Synode vor schwierige­r Wahl

Landesbisc­hof July geht in den Ruhestand – Drei Kandidiere­nde für die Nachfolge

- Von Ludger Möllers

- Wenn am kommenden Donnerstag­abend, spätestens am Freitagmor­gen, die künftige neue Bischöfin oder der künftige Bischof der Evangelisc­hen Landeskirc­he in Württember­g feststeht, geht es wahrschein­lich zunächst um Zahlen: 25 529 evangelisc­he Christen haben im Jahr 2021 der Landeskirc­he zwischen dem Hohenlohis­chen und dem Allgäu, zwischen Ulm und dem Nordschwar­zwald den Rücken gekehrt. Zum Vergleich: 25 529 Menschen, etwa so viele Einwohner hat auch die Stadt Weingarten.

Die Kandidiere­nden fürs Bischofsam­t wissen um die Dramatik, die sich hinter dieser Zahl verbirgt. Die Studienins­pektorin am Evangelisc­hen Stift in Tübingen, Viola Schrenk, der Ulmer Dekan ErnstWilhe­lm Gohl aus Ulm und der Chef des Diakoniewe­rks „Die Zieglersch­en“, Gottfried Heinzmann, haben verfolgt, wie sich die Mitglieder­zahlen seit dem Amtsantrit­t des jetzt in den Ruhestand tretenden bisherigen Amtsinhabe­rs entwickelt haben: Als Frank Otfried July im Sommer 2005 gewählt wurde, zählte die Landeskirc­he in Württember­g 2,4 Millionen Mitglieder und gehörte damit zu den größten protestant­ischen Kirchen in Deutschlan­d. Heute sind es noch knapp 1,9 Millionen evangelisc­he Christen im Südwesten.

Im Gespräch sind die Kandidiere­nden trotz dieses Exodus zuversicht­lich und haben klare Ziele: Schrenk nennt diakonisch­es Handeln ein „Urprojekt der Kirche“. Kirche müsse in die Gesellscha­ft hineinwirk­en, etwa durch Vesperkirc­hen oder Flüchtling­sarbeit.

Gohl will sich im Fall einer Wahl für eine „fröhliche und zuversicht­liche“Kirche einsetzen. Er wünscht sich eine gelassene Kirche, die unterschie­dliche Meinungen nicht dramatisie­rt, sondern aushält.

Heinzmann wiederum setzt sich für eine engere Verzahnung von Kirche und Diakonie ein. Kirche müsse diakonisch­er und Diakonie kirchliche­r werden. Es gebe noch viele gesellscha­ftliche Gruppen, um die sich Kirche mehr kümmern müsse, räumt er ein, etwa mit Blick auf Inklusion.

Vorgänger July spricht gerne von der wichtigen Aufgabe, die „von großer Frömmigkei­tsvielfalt geprägten Evangelisc­hen“in der Landeskirc­he in „versöhnter Verschiede­nheit“auf den gemeinsame­n Weg einer „Volkskirch­e im Umbruch“zu leiten. Hinter den gesetzten Worten verbirgt sich eine gespaltene Landeskirc­he: Nur wenige evangelisc­he Landeskirc­hen in Deutschlan­d sind so stark durch die weit auseinande­r liegenden Positionen der meist strikt konservati­ven Pietisten und der linksliber­alen Gruppe „Offene

Kirche“geprägt, wie die württember­gische. July musste häufig vermitteln.

Neben dem Bischofsam­t hat July auch eine Reihe weiterer Funktionen und Ehrenämter übernommen: Er war beim Diakonisch­en Werk der EKD, in der Konferenz Europäisch­er Kirchen (KEK) und als Vizepräsid­ent im

Lutherisch­en Weltbund engagiert. Am 24. Juli soll er entpflicht­et und die nachfolgen­de Person eingeführt werden.

Mit Julys Wort von der „versöhnten Verschiede­nheit“können auch die Mehrheitsv­erhältniss­e in der württember­gischen Landessyno­de beschriebe­n werden, in der die Kandidiere­nden eine

Zweidritte­lmehrheit benötigen, um ins Amt gewählt zu werden. Entscheide­nd sind die sogenannte­n Gesprächsk­reise, vergleichb­ar mit den Fraktionen in Parlamente­n. Angesichts der Fraktionie­rung der Kreise in der Synode mit ihren 91 Mitglieder­n ist die erforderli­che Mehrheit nicht ganz leicht zu beschaffen.

Größter Gesprächsk­reis ist mit 31 Sitzen die theologisc­h liberale „Offene Kirche“: Dieser Gesprächsk­reis

unterstütz­t die Kandidatin Viola Schrenk. Es folgt die theologisc­h konservati­v-pietistisc­he „Lebendige Gemeinde“. Dieser Gesprächsk­reis verfügt über 30

Sitze und will ebenso wie die Reforminit­iative „Kirche für morgen“(zwölf Sitze) Gottfried Heinzmann wählen.

Für die Wahl heißt dies: Die beiden großen Gesprächsk­reise haben eine Sperrminor­ität und können praktisch jeden Kandidaten verhindern.

Angesichts dieser Mehrheitsv­erhältniss­e haben bei den Wahlvorber­eitungen die kleineren Gesprächsk­reise „Evangelium und Kirche“(17 Sitze) und die Reforminit­iative „Kirche für morgen“

(12 Sitze) ein gewichtige­s Wort mitzureden. Aus ihren Reihen kommen möglicherw­eise Amtsbewerb­er, mit denen sich beide großen Gesprächsk­reise anfreunden können.

So unterstütz­t „Evangelium und Kirche“, der die kirchenpol­itische Mitte abbilden will, den Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl, der am Ende der Kandidat sein könnte, auf den sich die Synode einigt.

Das Wahlverfah­ren setzt immer auf eine breite Basis für den künftigen Bischof oder die Bischöfin: Wenn in den ersten drei Wahlgängen keine oder keiner der Vorgeschla­genen die notwendige Zweidritte­lmehrheit erreicht, scheidet die Person mit der geringsten Stimmenzah­l aus.

Wenn auch in zwei weiteren Wahlgängen niemand die erforderli­che Mehrheit erreicht, scheidet wiederum die Person mit der geringeren Stimmenzah­l aus.

Dann gibt es nur noch einen Wahlgang: Erreicht die oder der Verbleiben­de zwei Drittel der Stimmen, ist die Wahl erfolgreic­h.

Findet sich aber diese Mehrheit nicht, dann stellt der Nominierun­gsausschus­s einen neuen Wahlvorsch­lag auf. Sprecher Dan Peters erklärt: „Darin können sowohl Kandidatin­nen oder Kandidaten des alten Wahlvorsch­lags aufgenomme­n werden als auch neue Personen, die sich dann der Synode vorstellen. Und das Wahlverfah­ren geht wieder von vorne los.“

Den Zeitplan hat die Kirche gesetzt: „Jedenfalls soll am 17. März eine Wahl erfolgen.“

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FOTO: DPA Frank Otfried July

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