Ein Zwilling für mehr Nachhaltigkeit in den Alpen
Die ehemalige Lindauerin Viktoriia Simakova will Transportwesen und Mobilität in der Alpenregion verbessern
- Die Alpenregion besteht nicht nur aus Bergen, Flüssen und Seen, sondern auch aus unzähligen Daten. Diese Daten möchte die Studentin Viktoriia Simakova zusammentragen und damit einen digitalen Zwilling von den Alpen erschaffen. Daran kann die 20-Jährige verschiedene Szenarien durchspielen, wie die Mobilität und das Transportwesen in der Region verbessert werden können. Ein komplexes und bisher nie dagewesenes Projekt, das die ehemalige Lindauerin umsetzen möchte.
Im Studium hatten die Studentin der Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn das Thema „Digitale Zwillinge“durchgenommen. Das Konzept wird vor allem in der Industrie genutzt. Dabei handelt es sich um eine digitale Abbildung eines real existierenden Objekts.
Die Simulation wird mit vielen Daten gefüttert und so entsteht ein Zwilling des materiellen Gegenstands. In der Industrie würde beispielsweise ein Motor digital abgebildet und so könnten die Entwickler Tests am Motor durchführen, ohne ihn physisch vor sich zu haben. In der Textilbranche werden Musterteile häufig digital statt aus Stoff erstellt. All das geschieht rein auf der Basis von Daten.
Auch in der Medizin finden digitale Zwillinge immer mehr Anwendung. Chirurgen können damit schon testen, wie eine Operation ablaufen könnte, ohne den Patienten auf ihren OP-Tisch legen zu müssen.
Viktoriia Simakovas Alpen-Zwilling befindet sich momentan noch im Stadium einer Machbarkeitsstudie. Denn einen digitalen Zwilling einer ganzen Region hat es so bisher noch nie gegeben. „Ist es überhaupt für die Akteure in der Alpenregion von Interesse?“, fragen die Forscher die Stakeholder wie Verkehrsministerien. Denn davon hängt ab, ob die Wissenschaftler die notwendigen Ressourcen – also die Finanzierung und den Zugriff auf die Daten – für das Projekt bekommen.
Florian Maurer beschreibt, wie der digitale Zwilling der Alpen unter anderem angewendet werden könnte: Mit den Daten vom Verkehrsaufkommen, Stoßzeiten und Emissionen auf der Brennerachse könnte man mit dem Alpen-Zwilling beispielsweise ausrechnen, welche Stellschrauben zu besser fließendem Verkehr und weniger Emissionen führen könnten. Wenn man zum Beispiel in den LKW-Verkehr eingreifen würde und die Stoßzeiten des Transports verändert – welche Auswirkungen würde das auf den Verkehr haben?
So will Viktoriia Simakova auch erforschen, wie man die Alpenregion nachhaltiger und klimafreundlicher gestalten könnte. „Der Alpine Twin kann schlussendlich helfen, positive Veränderungen in der Region anzutreiben, grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Regionen des Alpenraums zu verstärken, die Effizienz zu steigern und Risiken zu minimieren“, beschreibt sie ihre Ziele.
Das soll auch automatisiert ablaufen, das Stichwort ist die künstliche Intelligenz. Anhand eines digitalen Zwillings können Forscher intelligentes Verhalten und Maschinenlernen automatisieren und somit unterschiedliche Szenarien testen.
Viktoriia Simakova hat einige Jahre
in Lindau gelebt und ging auf das Valentin-Heider-Gymnasium. Dann zog ihre Familie nach Vorarlberg. Für die zehnte Klasse entschied sich Simakova für die Bundeshandelsakademie in Bregenz. Ihr Interesse für Wirtschaft und Wirtschaftsinformatik hatte sie damals schon entdeckt.
Aber nicht nur dafür interessiert sich die 20-Jährige, sondern auch für Sprachen. Sie hat sich selbst Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch und Latein beigebracht. „So trainiert man das Gehirn“, sagt sie. Sie mache aber auch gerne Yoga, ist gerne draußen in der Natur und liebt Gedichte.
Auch künstlerisch ist die 20-Jährige begabt. „Meine Bilder hängen vielleicht sogar noch irgendwo im VHG“, sagt sie. Viel Zeit bleibt ihr für das Malen aber nicht mehr, seit sie berufsbegleitend an der Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn studiert. 2020 hat sie ihr Studium „Informatik - Digital Innovation“begonnen.
Neben ihren Vorlesungen arbeitet sie als studentische Mitarbeiterin an der FH Vorarlberg an dem Projekt
„4Steps“, in dem sich die Forscher mit der Anwendung von Industrie 4.0, also der Digitalisierung der Industrie beschäftigen.
Zusätzlich arbeitet die Studentin bei MIA Systems in Hohenems. Am Anfang war sie dort in der Qualitätssicherung als Softwaretesterin und im Kundensupport. Schnell stieg sie innerhalb des Unternehmens für Lagersysteme auf und wurde als Softwareentwicklerin in die Produktentwicklung übernommen.
Viktoriia Simakova ist keine normale Studentin, das zeigen nicht nur ihre Erfolge innerhalb kürzester Zeit und ihr zielstrebiger Weg in die Forschung. Sie wurde von den Dozenten ihres Instituts an der Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn nach dem Abitur gefragt, ob sie nicht das Studium an der Hochschule beginnen möchte.
Bei einem Schüler-Praktikum hatte sie die Arbeit am Forschungszentrum „Business Informatics“bereits kennengelernt. Dabei hat sie sich gut angestellt. So gut, dass die Mitarbeiter
Viktoriia Simakova
des Instituts ihren Werdegang weiterverfolgt haben. „Sie hat ein exzellentes Praktikum bei uns gemacht“, sagt Florian Maurer, der sie jetzt in ihrem Studium und in ihrer Arbeit als studentische Mitarbeiterin betreut.
Für das Praktikum hat Viktoriia Simakova die Auszeichnung „Talente Praktika“des österreichischen Bundesministeriums Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) erhalten. In ihrem Praktikum hatsie mit einer Kollegin empirisch – also auf konkreten Erfahrungen basierend – zur „Mobilität der Zukunft“geforscht. Unter anderem haben sie Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Mobilitätsverhalten befragt und die Antworten wissenschaftlich ausgewertet. Dabei haben sie festgestellt, dass seit 2011 besonders in Vorarlberg ein Trend hin zu nachhaltiger Mobilität zu erkennen ist.
Neben ihrem Studium und ihrem Job in der Wirtschaft arbeitet Viktoriia Simakova im Forschungszentrum für Business Informatics an ihrer Forschung über die digitale Abbildung der Alpenregion, die sich auch um das Thema Nachhaltigkeit dreht. Sie hat sich überlegt, wie sie die Inhalte aus ihrem Studium und ihre eigenen Interessen in einem Forschungsprojekt
verknüpfen kann. So entstand die Idee zu ihrem „Alpine Twin“.
Diese Forschungsidee hat Viktoriia Simakova im September 2021 bei dem Wettbewerb „Pitch your Project“von EUSALP (EU Strategy for the Alpine Region) eingereicht und wurde für die Präsentation ihrer Forschungsidee nach Nizza eingeladen. „Ich habe dort viele Kontakte mit Experten knüpfen können, die mir und meiner Projektidee nun auf Social Media folgen“, erzählt die Studentin. Für den Start des Projekts ist also schon viel Unterstützung da, nun fehlt nur noch die konkrete Umsetzung.
Zwei bis drei Jahre könnte das Zwillings-Projekt dann laufen. Weit länger als Viktoriia Simakovas Bachelorstudium in Dornbirn noch geht. Wohin es sie nach ihrem Abschluss verschlägt, weiß sie noch nicht genau. „Ich könnte mir ein Masterstudium und Arbeit im Bereich Entwicklung vorstellen, ich interessiere mich für Künstliche Intelligenz und große Mengen an Daten.“
Ein digitales Storytelling zu dem Projekt finden Sie im Internet unter
schwäbische.de/alpinetwin