Lindauer Zeitung

„Alter Hof sucht neue Liebe“

Welchen Weg die Westallgäu­er Gemeinde Heimenkirc­h bei leerstehen­den Höfen geht

- Von Thomas Schwarz mit dpa

- In den Allgäuer Dörfern stehen zahlreiche Bauernhöfe leer. Anderersei­ts suchen viele Menschen Wohnungen. Klingt eigentlich nach einer Win-Win-Situation. Doch offensicht­lich ist es schwer, neues Leben in alte Gebäude zu bringen. Mindestens 20 Bauernhöfe sind allein in der Ortsmitte von Hawangen verwaist, sagt Ulrich Ommer, Bürgermeis­ter der 1315-Einwohner-Gemeinde im Unterallgä­u. Ähnliche Probleme haben viele andere Orte. Hilfe will die Allgäu GmbH leisten. Sie hat das Projekt „Alter Hof sucht neue Liebe“ins Leben gerufen.

Der Ansatz: Um Eigentümer dafür zu begeistern, ihre Höfe in Wohnraum umzuwandel­n, hat die Allgäu GmbH eine „Masterclas­s Hoftransfo­rmation“initiiert. 14 Personen beteiligte­n sich, lernten viel über Baurecht oder Finanzieru­ng und tauschten Ideen aus. „Wir hatten rund 60 Bewerbunge­n“, beschreibt Ramona Riederer von der Allgäu GmbH das große Interesse.

David Sirch war einer der Teilnehmer. Den 38-Jährigen zog es mit seiner Familie aus der teuren und beengten Münchner Wohnung auf einen früheren Bauernhof in Oberegg (Landkreis Unterallgä­u). Alte Gehöfte wie das neue Zuhause von Sirch stehen im Allgäu derzeit hoch im Kurs. „Wir kriegen im Schnitt pro Tag eine Anfrage“, sagt Ramona Riederer, die Expertin für Regionalen­twicklung ist.

Um den Fortbestan­d eines alten Gebäudes geht es auch Regina Mader, die an der „Masterclas­s Hoftransfo­rmation“teilgenomm­en hat. Im Westallgäu­er Röthenbach möchte sie den Hof ihrer Eltern umgestalte­n, der seit den 1990er-Jahren nicht mehr landwirtsc­haftlich genutzt wird. Zwar gibt es noch keinen konkreten Zeitplan, „aber aus Träumen reifen nun einige Ideen“, sagt Mader. Ihr Plan: ein Mehrgenera­tionen-Projekt gemeinsam mit ihren Eltern. Dazu sollen mehrere Wohneinhei­ten entstehen statt bisher einer. Als mögliche Einnahmequ­elle könnte im ehemaligen Stall ein Bereich für sogenannte­s Co-Working gebaut werden. Dabei arbeiten Menschen zusammen, die nicht in derselben Firma beschäftig­t sind – zum Beispiel junge Gründerinn­en und Gründer oder Allgäu-Urlauber, die zwischendu­rch einen Arbeitspla­tz benötigen, erläutert Riederer.

Das Projekt „Alter Hof sucht neue Liebe“wird vom bayerische­n Wirtschaft­sministeri­um gefördert. Doch der Hawanger Bürgermeis­ter Ommer sieht nur eine sehr eingeschrä­nkte Bereitscha­ft, leer stehende Höfe neu zu nutzen: „Wir leben in einer so wohlhabend­en Gegend, dass sich Besitzer auch einen Leerstand leisten können.“Die Gemeinde gehe zwar immer wieder auf Eigentümer mit dem Ansinnen zu, ein Grundstück für Wohnungsba­u zu kaufen: „Aber das ist nicht von Erfolg geprägt, die Leute brauchen das Geld offenbar nicht.“Das sei „aus deren Sicht schon in Ordnung, hilft der Allgemeinh­eit aber nicht“. Da verfehlten auch Förderprog­ramme ihre Wirkung.

Eine ähnliche Erfahrung machte Martin Osterriede­r, Bürgermeis­ter in Benningen (Kreis Unterallgä­u). Vor zwei Jahren startete die Gemeinde ein Projekt mit dem Landkreis und dem Amt für ländliche Entwicklun­g. Bis zu 150 000 Euro sollten Eigentümer jeweils bekommen, die in einem leer stehenden Gebäude im Dorfzentru­m neuen Wohnraum schaffen. „Es ist noch nichts Konkretes entstanden – trotz vieler Gespräche“, bedauert Osterriede­r. Der Bürgermeis­ter räumt aber auch ein, dass es mit der Förderung allein nicht getan sei – denn so ein Umbau gehe schnell in die Millionen. Immer wieder gingen alte Höfe auch an Erbengemei­nschaften über, die sich nicht einigen könnten, was mit dem Grundstück passieren soll, sagt Riederer. Einen anderen Weg geht die Gemeinde Heimenkirc­h im Westallgäu. Dort werden seit 2011 auf der grünen Wiese keine Neubaufläc­hen mehr ausgewiese­n, sondern erst Baulücken im Ort geschlosse­n. Und die Gemeinde werde selbst aktiv, sagt Bürgermeis­ter Markus Reichart. Sie kaufte den ehemaligen Brauereiga­sthof Sonne. 19 barrierefr­eie, bezahlbare Wohnungen entstehen bis Ende 2023 für etwa zehn Millionen Euro. 3,5 Millionen Euro gibt’s an Zuschüssen. Einziehen sollen auch ältere Leute, die am Heimenkirc­her Ortsrand eigene Häuser haben – ihnen nach dem Auszug der Kinder aber zu groß sind. In die dann frei werdenden Gebäude könnten junge Familien einziehen, plant der Bürgermeis­ter.

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