„Alter Hof sucht neue Liebe“
Welchen Weg die Westallgäuer Gemeinde Heimenkirch bei leerstehenden Höfen geht
- In den Allgäuer Dörfern stehen zahlreiche Bauernhöfe leer. Andererseits suchen viele Menschen Wohnungen. Klingt eigentlich nach einer Win-Win-Situation. Doch offensichtlich ist es schwer, neues Leben in alte Gebäude zu bringen. Mindestens 20 Bauernhöfe sind allein in der Ortsmitte von Hawangen verwaist, sagt Ulrich Ommer, Bürgermeister der 1315-Einwohner-Gemeinde im Unterallgäu. Ähnliche Probleme haben viele andere Orte. Hilfe will die Allgäu GmbH leisten. Sie hat das Projekt „Alter Hof sucht neue Liebe“ins Leben gerufen.
Der Ansatz: Um Eigentümer dafür zu begeistern, ihre Höfe in Wohnraum umzuwandeln, hat die Allgäu GmbH eine „Masterclass Hoftransformation“initiiert. 14 Personen beteiligten sich, lernten viel über Baurecht oder Finanzierung und tauschten Ideen aus. „Wir hatten rund 60 Bewerbungen“, beschreibt Ramona Riederer von der Allgäu GmbH das große Interesse.
David Sirch war einer der Teilnehmer. Den 38-Jährigen zog es mit seiner Familie aus der teuren und beengten Münchner Wohnung auf einen früheren Bauernhof in Oberegg (Landkreis Unterallgäu). Alte Gehöfte wie das neue Zuhause von Sirch stehen im Allgäu derzeit hoch im Kurs. „Wir kriegen im Schnitt pro Tag eine Anfrage“, sagt Ramona Riederer, die Expertin für Regionalentwicklung ist.
Um den Fortbestand eines alten Gebäudes geht es auch Regina Mader, die an der „Masterclass Hoftransformation“teilgenommen hat. Im Westallgäuer Röthenbach möchte sie den Hof ihrer Eltern umgestalten, der seit den 1990er-Jahren nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wird. Zwar gibt es noch keinen konkreten Zeitplan, „aber aus Träumen reifen nun einige Ideen“, sagt Mader. Ihr Plan: ein Mehrgenerationen-Projekt gemeinsam mit ihren Eltern. Dazu sollen mehrere Wohneinheiten entstehen statt bisher einer. Als mögliche Einnahmequelle könnte im ehemaligen Stall ein Bereich für sogenanntes Co-Working gebaut werden. Dabei arbeiten Menschen zusammen, die nicht in derselben Firma beschäftigt sind – zum Beispiel junge Gründerinnen und Gründer oder Allgäu-Urlauber, die zwischendurch einen Arbeitsplatz benötigen, erläutert Riederer.
Das Projekt „Alter Hof sucht neue Liebe“wird vom bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert. Doch der Hawanger Bürgermeister Ommer sieht nur eine sehr eingeschränkte Bereitschaft, leer stehende Höfe neu zu nutzen: „Wir leben in einer so wohlhabenden Gegend, dass sich Besitzer auch einen Leerstand leisten können.“Die Gemeinde gehe zwar immer wieder auf Eigentümer mit dem Ansinnen zu, ein Grundstück für Wohnungsbau zu kaufen: „Aber das ist nicht von Erfolg geprägt, die Leute brauchen das Geld offenbar nicht.“Das sei „aus deren Sicht schon in Ordnung, hilft der Allgemeinheit aber nicht“. Da verfehlten auch Förderprogramme ihre Wirkung.
Eine ähnliche Erfahrung machte Martin Osterrieder, Bürgermeister in Benningen (Kreis Unterallgäu). Vor zwei Jahren startete die Gemeinde ein Projekt mit dem Landkreis und dem Amt für ländliche Entwicklung. Bis zu 150 000 Euro sollten Eigentümer jeweils bekommen, die in einem leer stehenden Gebäude im Dorfzentrum neuen Wohnraum schaffen. „Es ist noch nichts Konkretes entstanden – trotz vieler Gespräche“, bedauert Osterrieder. Der Bürgermeister räumt aber auch ein, dass es mit der Förderung allein nicht getan sei – denn so ein Umbau gehe schnell in die Millionen. Immer wieder gingen alte Höfe auch an Erbengemeinschaften über, die sich nicht einigen könnten, was mit dem Grundstück passieren soll, sagt Riederer. Einen anderen Weg geht die Gemeinde Heimenkirch im Westallgäu. Dort werden seit 2011 auf der grünen Wiese keine Neubauflächen mehr ausgewiesen, sondern erst Baulücken im Ort geschlossen. Und die Gemeinde werde selbst aktiv, sagt Bürgermeister Markus Reichart. Sie kaufte den ehemaligen Brauereigasthof Sonne. 19 barrierefreie, bezahlbare Wohnungen entstehen bis Ende 2023 für etwa zehn Millionen Euro. 3,5 Millionen Euro gibt’s an Zuschüssen. Einziehen sollen auch ältere Leute, die am Heimenkircher Ortsrand eigene Häuser haben – ihnen nach dem Auszug der Kinder aber zu groß sind. In die dann frei werdenden Gebäude könnten junge Familien einziehen, plant der Bürgermeister.