Lindauer Zeitung

EU billigt Sanierungs­plan für Flughafen

Kommission erteilt „beihilfere­chtliche Genehmigun­g“– Bald ist der Airport schuldenfr­ei

- Von Martin Hennings

- Auf diese Nachricht hat nicht nur die Geschäftsf­ührung des Bodensee-Airports sehnlichst gewartet: Die EUKommissi­on hat am Freitag mitgeteilt, dass sie die finanziell­e und strukturel­le Neuausrich­tung des Flughafens Friedrichs­hafen absegnet. Diese sogenannte beihilfere­chtliche Genehmigun­g war das letzte Steinchen im Insolvenzp­uzzle des finanziell angeschlag­enen Unternehme­ns. Bald kann der Regionalfl­ughafen – nach Abschluss des Verfahrens vor dem Amtsgerich­t Ravensburg – schuldenfr­ei einen wirtschaft­lichen Neustart wagen.

„Die Bundesrepu­blik Deutschlan­d darf den Flughafen Friedrichs­hafen mit einer Umstruktur­ierungshil­fe von 17,5 Millionen Euro unterstütz­en.“So steht es in der Mitteilung der EU-Kommission, auch wenn das Geld vor allem von der Stadt Friedrichs­hafen und dem Bodenseekr­eis kommt. Die Genehmigun­g von 11,3 Millionen Euro an Zuschüssen und 6,2 Millionen Euro durch die Abschreibu­ng von Darlehen und Zinsen sei „im Rahmen der EU-Beihilfevo­rschriften“erfolgt, heißt es weiter. Die Maßnahme solle es dem Airport ermögliche­n, „seinen Umstruktur­ierungspla­n zu finanziere­n und so seine langfristi­ge Rentabilit­ät wieder herzustell­en“.

Die Beihilfe wendet laut EU negative Folgen für das Unternehme­n und die Bürger in der Bodenseere­gion ab, die eine endgültige Insolvenz des Flughafens ausgelöst hätte. Sie sei zudem verhältnis­mäßig, weil der Flughafen und seine Eigner (vor allem zu je knapp 40 Prozent Stadt und Kreis) mehr als die Hälfte der Umstruktur­ierungskos­ten trügen. Oberbürger­meister Andreas Brand kommentier­t die Nachrichte­n aus Brüssel für den Gesellscha­fter Stadt Friedrichs­hafen so: „Die EU-Entscheidu­ng ist ein positives Signal und ein wichtiger Schritt, um das Insolvenzv­erfahren hoffentlic­h bald beenden zu können.“

Geschäftsf­ührer Wehr hofft, dass das noch diesen Monat passiert. Darüber müsse aber das Amtsgerich­t Ravensburg entscheide­n. Der Flughafen-Chef lobte die „konstrukti­ve Zusammenar­beit“mit den Gesellscha­ftern und das Engagement der Mitarbeite­r. „Sie haben viel erlebt und viel mitgemacht. Dabei haben sie uns immer die Stange gehalten und den Flugverkeh­r stets sicher abgewickel­t“, sagt Wehr. „Für meine Mitarbeite­r freue ich mich besonders.“

Er bestätigt, dass der Bescheid aus Brüssel Auflagen enthält, die eine Wettbewerb­sverzerrun­g vor allem mit Blick auf den Allgäu-Airport in Memmingen verhindern soll. Der Flughafen dürfe seine Kapazitäte­n vorerst nicht ausbauen, zum Beispiel durch eine weitere Landebahn, sagte Geschäftsf­ührer Wehr. Bei den Flugrouten dürfe man dem Allgäu-Airport

während der Umstruktur­ierung ebenso keine zu große Konkurrenz machen. „Das haben wir aber auch nicht vor“, betonte Wehr. „Das wäre Harakiri, Memmingen Low-CostFlüge im großen Stil abjagen zu wollen.“

Am 3. Februar 2021 hatte Wehr einen Antrag auf ein Schutzschi­rmverfahre­n gestellt. Ein Wirtschaft­sprüfer war zuvor zum Schluss gelangt, dass der Airport rechnerisc­h überschuld­et ist. Um sich nicht dem Vorwurf

der Insolvenzv­erschleppu­ng auszusetze­n, musste Wehr den Weg zum Amtsgerich­t antreten. „Wir sind nicht insolvent“, betonte der Flughafenc­hef damals. „Es droht allerdings die Zahlungsun­fähigkeit.“In der Folge wird Rechtsanwa­lt Alexander Reus zum zweiten Geschäftsf­ührer berufen. Zudem bestellt das Amtsgerich­t Alexander Hubl zum Sachwalter, der vor allem die Interessen der Gläubiger vertreten soll.

Zentraler Punkt zur finanziell­en

Umstruktur­ierung des Flughafens ist der Verkauf des rund 160 Hektar großen Flughafeng­rundstücks. Im Juli werden die Verträge zur Gründung einer Besitzgese­llschaft unterzeich­net, an der sich der Bodenseekr­eis mit 40 Prozent beteiligt. 60 Prozent übernimmt die Luftschiff­bau Zeppelin GmbH im Auftrag der Stadt Friedrichs­hafen. Der Erlös aus dem Grundstück­sverkauf ist als Eigenbetra­g des Flughafens zu seiner Finanzieru­ng im jetzt abgeschlos­senen

Prüfungsve­rfahren in Brüssel wichtig. Die Gläubigerv­ersammlung segnet den Umstruktur­ierungspla­n im Juli ab.

Gibt auch das Amtsgerich­t Ravensburg grünes Licht, ist das Insolvenzv­erfahren beendet – und der Flughafen schuldenfr­ei. Ob das Unternehme­n seine Zukunft positiv gestaltet, hängt vor allem davon ab, ob und in welchem Maße der Flugverker­kehr nach Corona wieder an Höhe gewinnt.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA „Für meine Mitarbeite­r freue ich mich besonders“, sagt Flughafen-Chef Claus-Dieter Wehr.

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