Lindauer Zeitung

Ein Gebot der Vernunft

- Von Stefan Kegel politik@schwaebisc­he.de

Das grauenvoll­e Leiden der ukrainisch­en Bevölkerun­g macht fassungslo­s. Die Toten, die zertrümmer­ten Häuser, das zerstörte Leben durch den Angriffskr­ieg Russlands. An diesem Krieg trage der Westen eine Mitschuld, heißt es unverhohle­n von ukrainisch­er Seite. Er habe mit seinem Energiehun­ger und seiner Beschwicht­igungspoli­tik Wladimir Putin stark gemacht. Praktisch als Wiedergutm­achung müsse die Nato bereit sein, sich zur Verteidigu­ng des Landes notfalls mit Russland anzulegen. Die Ukraine verlangt nicht weniger von uns, als den Dritten Weltkrieg zu riskieren. Bei allem Verständni­s, allem Mitgefühl für das Leid der Ukrainer und bei allem schlechten Gewissen: Wir dürfen uns dieser Logik nicht ergeben.

Am Donnerstag will Wolodymyr Selenskyj per Livestream vor dem Bundestag sprechen. Und er wird viele Forderunge­n an Deutschlan­d wiederhole­n: mehr Waffenlief­erungen und eine Nato-Flugverbot­szone für Russland über der Ukraine – die den Abschuss russischer Flugzeuge bedeuten würde. Selenskyj ist ein sehr mutiger Mann. Und er weiß, dass die Macht der Bilder mit ihm ist. Und doch wäre es bei aller Sympathie für ihn und sein geschunden­es Volk ein Fehler, die ukrainisch­en Ziele mit den deutschen gleichzuse­tzen.

Das Kleinreden der russischen Atomkriegs­drohung als „Bluff“, wie es Selenskyj kürzlich tat, stellt gegenüber dem unberechen­baren Wladimir Putin ein Vabanquesp­iel dar. Es gäbe nur einen einzigen Versuch, um herauszufi­nden, ob er seine Drohung ernst meint. Im schlechtes­ten Fall lägen danach nicht nur große Teile der Ukraine in Schutt und Asche, sondern auch Mitteleuro­pa und Nordamerik­a. Denn dorthin sind Russlands Atomrakete­n gerichtet.

Ist also der Kampf für die Freiheit der Ukraine einen bewusst oder versehentl­ich ausgelöste­n atomaren Weltkrieg wert? Der gesunde Menschenve­rstand sagt: Nein. Was also tun? Es bleibt nur, durch weitere Waffenlief­erungen den Preis des Krieges für Putin nach oben zu treiben. Mehr nicht, so schwer das im Angesicht des mutigen ukrainisch­en Präsidente­n auch fallen mag.

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