Faeser verspricht raschere Verteilung der Flüchtlinge
Innenministerin verteidigt sich gegen Kritik an ihrem Krisenmanagement – Keine Registrierung an der Grenze
- Der Druck auf die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nimmt zu. Sie möge doch bei der Verteilung der Flüchtlinge auf die Länder und in Finanzierungsfragen mindestens einen Gang zulegen, fordern Politiker aus den Reihen der Union, der Linken, aber auch des Koalitionspartners FDP. Ebenso mahnen Vertreter von Städten und Kommunen immer dringlicher mehr Tempo an. „Wir verlieren zu viel Zeit mit den Abstimmungen zwischen Bund und Ländern“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy, der „Rheinischen Post“. Doch die Bundesinnenministerin bleibt gelassen. Sie stehe mit den Ländern und Kommunen in fast täglichem Austausch, sagte sie bei einer Regierungsbefragung im Bundestag. Es werde alles getan, um den Flüchtlingen schnell und umfassend zu helfen.
Die Situation ist unübersichtlich: An den Hauptbahnhöfen größerer Städte wie Berlin und München kommen täglich mehr als zehntausend ukrainische Flüchtlinge an. Die Bundesregierung sprach am Mittwoch von 175 000 geflohenen Ukrainern, die bislang in Deutschland registriert worden seien. Doch diese Zahl sagt wenig darüber aus, wie viele Kriegsflüchtlinge sich tatsächlich inzwischen hierzulande aufhalten, weil sie sich erst einmal nicht bei den Behörden melden müssen, wenn sie sich aus eigener Kraft versorgen können. Erst wenn die Kinder eine Schule und Kita besuchen wollen oder ein Arztbesuch ansteht, sind Länder und Kommunen gefragt. Daher deren Interesse
an einer gerechten Verteilung der Flüchtlinge in Deutschland – und auch zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Nancy Faeser versprach bei der Regierungsbefragung am Mittwoch, die Verteilung voranzutreiben. Bis zum Wochenende sei es zwar nicht notwendig gewesen, den Königsteiner Schlüssel, der die Zuteilung von Flüchtlingen an die Bundesländer regelt, anzuwenden, aber inzwischen passiere das. Allerdings gibt es keine Zahlen dazu, wie viele Kriegsflüchtlinge bislang danach verteilt wurden. Das Verfahren funktioniere ja erst, wenn sich die Flüchtlinge registrieren ließen, so Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Die Registrierung der Flüchtlinge wird immer mehr zum Streitpunkt. Abgeordnete der Union und der AfD kritisierten im Bundestag, dass an der deutschen Grenze viel zu lax erfasst werde, wer nach Deutschland einreise und ob wirklich alle davon Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine seien. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), riet der Ministerin, sich ein Beispiel an Polen zu nehmen, wo die Schutzsuchenden aus der Ukraine genau erfasst würden. Faeser verwies dagegen auf Kontrollen
und Zahlen der Bundespolizei, dass nur sechs Prozent der nach Deutschland eingereisten Menschen keine ukrainischen Staatsbürger seien. Eine umfassende Registrierung an der Grenze lehnte sie ab. Sie wolle nicht, dass die Kriegsflüchtlinge auch an der Grenze zu Deutschland Schlange stehen müssten.
Zweiter Knackpunkt, der vor allem die Kommunen umtreibt, ist die Frage, wer die Kosten für die Kriegsflüchtlinge tragen wird. Der Städtetag erwartet von Bund und Ländern eine klare Zusage, dass sie die Städte bei der Unterbringung und Versorgung der Menschen finanziell unterstützen. Die Bundesregierung bleibt allerdings auch in diesem Punkt vage. Es werde niemand alleingelassen mit den Kosten, kündigte Hebestreit an und verwies auf Erfahrungen von 2015. In diesem Jahr hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, dass der Bund pro Asylbewerber einen fixen Betrag an die Länder überweist.
Die Fluchtbewegung aus der Ukraine wird heute auch Thema bei einem Treffen der Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sein. GrünenFraktionschefin Britta Haßelmann hatte bereits einen Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt gefordert, um die Herausforderungen, die mit den Schutzsuchenden verbunden sind, zu bewältigen. Faeser sieht Deutschland dabei auf einem guten Weg. Es werde gute Arbeit geleistet – auch vom Verkehrsministerium, der Bundespolizei, dem Bundesamt für Migration und Organisationen wie dem THW –, um der Aufnahme von Flüchtlingen gerecht zu werden.