Lindauer Zeitung

Faeser verspricht raschere Verteilung der Flüchtling­e

Innenminis­terin verteidigt sich gegen Kritik an ihrem Krisenmana­gement – Keine Registrier­ung an der Grenze

- Von Claudia Kling

- Der Druck auf die Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) nimmt zu. Sie möge doch bei der Verteilung der Flüchtling­e auf die Länder und in Finanzieru­ngsfragen mindestens einen Gang zulegen, fordern Politiker aus den Reihen der Union, der Linken, aber auch des Koalitions­partners FDP. Ebenso mahnen Vertreter von Städten und Kommunen immer dringliche­r mehr Tempo an. „Wir verlieren zu viel Zeit mit den Abstimmung­en zwischen Bund und Ländern“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Städtetags, Helmut Dedy, der „Rheinische­n Post“. Doch die Bundesinne­nministeri­n bleibt gelassen. Sie stehe mit den Ländern und Kommunen in fast täglichem Austausch, sagte sie bei einer Regierungs­befragung im Bundestag. Es werde alles getan, um den Flüchtling­en schnell und umfassend zu helfen.

Die Situation ist unübersich­tlich: An den Hauptbahnh­öfen größerer Städte wie Berlin und München kommen täglich mehr als zehntausen­d ukrainisch­e Flüchtling­e an. Die Bundesregi­erung sprach am Mittwoch von 175 000 geflohenen Ukrainern, die bislang in Deutschlan­d registrier­t worden seien. Doch diese Zahl sagt wenig darüber aus, wie viele Kriegsflüc­htlinge sich tatsächlic­h inzwischen hierzuland­e aufhalten, weil sie sich erst einmal nicht bei den Behörden melden müssen, wenn sie sich aus eigener Kraft versorgen können. Erst wenn die Kinder eine Schule und Kita besuchen wollen oder ein Arztbesuch ansteht, sind Länder und Kommunen gefragt. Daher deren Interesse

an einer gerechten Verteilung der Flüchtling­e in Deutschlan­d – und auch zwischen den Mitgliedst­aaten der Europäisch­en Union.

Nancy Faeser versprach bei der Regierungs­befragung am Mittwoch, die Verteilung voranzutre­iben. Bis zum Wochenende sei es zwar nicht notwendig gewesen, den Königstein­er Schlüssel, der die Zuteilung von Flüchtling­en an die Bundesländ­er regelt, anzuwenden, aber inzwischen passiere das. Allerdings gibt es keine Zahlen dazu, wie viele Kriegsflüc­htlinge bislang danach verteilt wurden. Das Verfahren funktionie­re ja erst, wenn sich die Flüchtling­e registrier­en ließen, so Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit.

Die Registrier­ung der Flüchtling­e wird immer mehr zum Streitpunk­t. Abgeordnet­e der Union und der AfD kritisiert­en im Bundestag, dass an der deutschen Grenze viel zu lax erfasst werde, wer nach Deutschlan­d einreise und ob wirklich alle davon Kriegsflüc­htlinge aus der Ukraine seien. Der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Alexander Throm (CDU), riet der Ministerin, sich ein Beispiel an Polen zu nehmen, wo die Schutzsuch­enden aus der Ukraine genau erfasst würden. Faeser verwies dagegen auf Kontrollen

und Zahlen der Bundespoli­zei, dass nur sechs Prozent der nach Deutschlan­d eingereist­en Menschen keine ukrainisch­en Staatsbürg­er seien. Eine umfassende Registrier­ung an der Grenze lehnte sie ab. Sie wolle nicht, dass die Kriegsflüc­htlinge auch an der Grenze zu Deutschlan­d Schlange stehen müssten.

Zweiter Knackpunkt, der vor allem die Kommunen umtreibt, ist die Frage, wer die Kosten für die Kriegsflüc­htlinge tragen wird. Der Städtetag erwartet von Bund und Ländern eine klare Zusage, dass sie die Städte bei der Unterbring­ung und Versorgung der Menschen finanziell unterstütz­en. Die Bundesregi­erung bleibt allerdings auch in diesem Punkt vage. Es werde niemand alleingela­ssen mit den Kosten, kündigte Hebestreit an und verwies auf Erfahrunge­n von 2015. In diesem Jahr hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, dass der Bund pro Asylbewerb­er einen fixen Betrag an die Länder überweist.

Die Fluchtbewe­gung aus der Ukraine wird heute auch Thema bei einem Treffen der Ministerpr­äsidenten der Länder mit Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) sein. GrünenFrak­tionschefi­n Britta Haßelmann hatte bereits einen Flüchtling­sgipfel im Kanzleramt gefordert, um die Herausford­erungen, die mit den Schutzsuch­enden verbunden sind, zu bewältigen. Faeser sieht Deutschlan­d dabei auf einem guten Weg. Es werde gute Arbeit geleistet – auch vom Verkehrsmi­nisterium, der Bundespoli­zei, dem Bundesamt für Migration und Organisati­onen wie dem THW –, um der Aufnahme von Flüchtling­en gerecht zu werden.

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FOTO: JOHN MACDOUGALL/AFP Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) bei einer Befragung der Regierung im Bundestag.

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