An der Impfpflicht scheiden sich die Geister
Der Bundestag berät an diesem Donnerstag erstmals über eine mögliche allgemeine Impfpflicht – Wie sich die Abgeordneten aus der Region positionieren
- Kommt es trotz des geplanten Wegfalls der meisten CoronaMaßnahmen noch zu einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Virus? Darüber debattiert der Bundestag am Donnerstag, abgestimmt wird wohl Anfang April. Die Abgeordneten sollen dabei nicht entlang der Parteigrenzen abstimmen, sondern fraktionsübergreifend agieren. Was vor allem daran liegt, dass die Liberalen in der Frage uneins sind. So sind denn auch Abgeordnete der Regierungspartei FDP an drei verschiedenen Gesetzentwürfen beteiligt. FDP-Vize Wolfgang Kubicki will wie die gesundheitspolitische Sprecherin der Partei, Christine Aschenberg-Dugnus, dass es „keine allgemeine Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 geben wird“. Verbunden wird das mit dem Appell, dass sich möglichst viele Menschen freiwillig impfen lassen sollen. Unterstützt wird das auch von Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht von den Linken, der Grünen Tabea Rößner und den CDU-Abgeordneten Jana Schimke und Jens Koeppen. Die AfD-Fraktion wiederum hat einen eigenen Antrag eingebracht, der die Impfpflicht ablehnt.
Dagegen wollen Strack-Zimmermann
Marie-Agnes (FDP), Dirk
Wiese (SPD) und Janosch Dahmen (Grüne), dass es eine Impfpflicht für alle ab 18 Jahren ab 1. Oktober geben soll. Sie soll vierteljährlich überprüft und bis Ende 2023 befristet werden. Wer dreimal geimpft oder zweimal geimpft und zudem genesen sei, solle dies einfach per Smartphone oder etwa in der Apotheke der Krankenkasse übermitteln. „Sie haben Ihre Pflicht damit schon erledigt.“Alle anderen sollen bis 15. Mai von den Kassen über Corona und die Impfstoffe informiert werden. Wer trotzdem die Impfung verweigert, soll von den Kassen den Behörden gemeldet werden (was diese allerdings bisher ablehnen). Dann drohen Bußgelder. Die legen die Behörden vor Ort fest, der Grüne Till Steffen meint, dass es zunächst nicht mehr als 250 Euro sein würden, bei mehrfacher Verweigerung dann aber erheblich mehr.
Dann gibt es auch noch einen Gesetzentwurf von Abgeordneten von FDP, Grünen und SPD, der zunächst eine verpflichtende Impfberatung für alle Bürger ab 18 Jahren vorsieht. Resultiere daraus keine deutlich höhere Impfquote, soll es eine Impfpflicht für alle Bürger ab 50 Jahren geben – „unter Vorbehalt einer Bewertung der Situation im Herbst 2022“. Alle Erwachsenen sollten von ihren Krankenkassen informiert werden. Bis zum 15. September solle man dann einen Impf- oder Genesenennachweis oder den Beleg „über die Inanspruchnahme einer ärztlichen Impfberatung“in ein Internetportal hochladen. Danach solle der Bundestag über die Impfpflicht ab 50 entscheiden. Zu der Gruppe um die FDP-Politiker Andrew Ullmann und Konstantin Kuhle gehören auch der Sozialdemokrat Herbert Wollmann und die Grüne Paula Piechotta. Letztere sagt, es gehe um einen Mittelweg. Die Pflicht müsse auch da umsetzbar sein, wo viele Menschen ungeimpft seien. Wie hoch die Impfquote im Herbst sein müsste, um die Pflicht zu verhindern, wollten die Initiatoren bisher nicht prognostizieren.
Die Unionsfraktion wiederum präsentiert sich bisher noch recht einheitlich und setzt auf ein „Impfvorsorgegesetz“. Es könne einen „gestuften Impfmechanismus“geben, den Bundestag und Bundesrat bei verschärfter Pandemielage und gefährlichen Virusvarianten in Kraft setzen könnten – für bestimmte Altersgruppen, hier wird ab 60 beziehungsweise ab 50 Jahren genannt, oder bestimmte Berufsgruppen, etwa in Schulen oder bei der Polizei. Schließlich, so Fraktionsvize Sepp Müller, „wissen wir nicht, was im Herbst wird“. Man müsse kurzfristig reagieren können. Was die Union auf jeden Fall will, ist ein Impfregister. Das soll nicht nur dazu dienen, die Umsetzung einer möglichen allgemeinen Impfpflicht zu kontrollieren, sondern auch dazu, Ungeimpfte gezielt anzusprechen, um sie vom Sinn einer Impfung zu überzeugen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dessen Haus allen Gesetzentwürfen zugearbeitet hat, der aber als Abgeordneter wie Kanzler
Olaf Scholz (SPD) oder Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) für die Impfpflicht ab 18 Jahren ist, hofft, dass im Bundestag die Gesetzentwürfe zur Impfpflicht ab 18 und 50 noch vereinbar sein könnten. Andrew Ullmann dagegen glaubt eher, dass ein Kompromiss mit dem Unionsvorstoß möglich sei – allerdings gebe es bei CDU und CSU „viel Druck“, nicht aus der Fraktionsdisziplin auszuscheren. Die Unterstützung für den Ullmann-Vorschlag hält sich im Parlament bisher mit 45 Abgeordneten allerdings in Grenzen. Weshalb Dirk Wiese und Janosch Dahmen als Initiatoren der Impfpflicht ab 18, die fast 240 Unterstützer hat, nun auf die Union und ihr von gut 190 Abgeordneten getragenes „Impfvorsorgegesetz“zugehen und das ursprünglich abgelehnte Impfregister nun doch für möglich erklären. Für eine sichere Mehrheit im Parlament sind 369 Stimmen erforderlich. Allerdings reicht für eine Gesetzesverabschiedung auch die einfache Mehrheit der anwesenden Abgeordneten, Abwesenheit und Enthaltungen reduzieren also die Zahl der nötigen Stimmen. Die Union hat die Avancen bisher offiziell zurückgewiesen, SPD-Fraktionsvize Wiese ist trotzdem „vorsichtig optimistisch“. Ausgang offen.