Wie Hygiene Leben auf dem Land änderte
Auf Spurensuche zwischen Seifenstück und Viehwaschmittel im Bauernhofmuseum
- Hände waschen, auf Hygiene achten und das Desinfektionsmittel griffbereit haben: Seit zwei Jahren sind das so etwas wie Glaubenssätze in Pandemiezeiten. „Sauberkeit zu jeder Zeit!“hieß aber auch schon in früheren Zeiten die Devise – das beleuchtet nun die neue Sonderausstellung im Schwäbischen Bauernhofmuseum in Illerbeuren (Unterallgäu): mit Exponaten vom Seifenstück über das Viehwaschmittel bis zum Weckglas.
Der Rundgang mit Stationen von Küche über Schlafzimmer bis Stall zeigt, dass Gesundheitsvorsorge und Hygiene auf dem Land gesellschaftliche Veränderungen nicht nur begleitet, sondern auch angestoßen haben. Ein Symbol dafür ist in der Ausstellung das alte Moped vom Modell NSU Quickly. Damit eilten Hebammen bei ländlichen Hausgeburten zu Hilfe. Sie gehörten so zu den ersten Frauen mit motorisiertem Fahrzeug – und mit einem Telefonanschluss verfügten sie über etwas weiteres, das in früheren Zeiten keineswegs selbstverständlich war.
Die Spurensuche in Sachen Sauberkeit, auf die sich die Ausstellung als Gemeinschaftsprojekt der süddeutschen Freilichtmuseen begibt, führt natürlich auch ins heimische Badezimmer. In vielen Häusern auf dem Land war das jedoch erst ab den 1960er Jahren zu finden, als Veränderungen in der Landwirtschaft auch einen Wandel von Hof und Heim mit sich brachten. An die Zeit zuvor erinnert ein Waschhocker in der Ausstellung – das schlichte Möbelstück musste einst genügen. Oder Zinkund Holzwannen, die in Stube, Stall oder Waschküche aufgestellt wurden. Das war eine ungemütliche Angelegenheit. Und eine aufwendige. Wasser kam nicht aus dem Hahn, sondern musste herbei- und wieder weggeschafft werden. Außerdem fiel mit den benutzten Handtüchern Wäsche an. Kleidung, Bettwäsche und andere Textilien sauber zu halten, war eine echte Prozedur. Während man als Besucherin Utensilien wie eine Blechwanne mit Wringaufsatz und Waschbrett oder eine handbetriebene hölzerne Bottichwaschmaschine unter die Lupe nimmt, wird klar: Hygiene ist eine Frage des Wohlbefindens und der Gesundheit, aber auch eine von Infrastruktur und Technik. Davon erzählt nicht nur der Weg von Waschplätzen am Dorfbrunnen hin zum voll automatisierten Haushaltsgerät, sondern auch der „Ort der täglichen Rauchvergiftung“. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, so verraten es Ausstellungstafeln, war die Küche der am meisten vernachlässigte Raum im Bauernhaus und der ungesündeste Arbeitsplatz.
Allgemein wurden laut Museumsleiter Bernhard Niethammer die Räume nicht in dem Maß gereinigt wie heute, und in Schlafzimmern gehörte noch der Nachttopf zur Einrichtung. Doch in der Küche herrschten wegen des offenen Holzfeuers besonders „unglückliche Arbeitsbedingungen“und niemand hielt sich gerne auf in einer Umgebung von Ruß, Rauch und drohender Kohlenmonoxid-Vergiftung.
Die Verbreitung geschlossener Schlote, ein entscheidender Fortschritt, ließ lange auf sich warten.
Schon ab Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts setzte eine Weiterentwicklung der Infrastruktur ein, an die Schränke mit Fläschchen und eine Vitrine mit Apparaturen wie einem Trockenschrank zur Heißluftsterilisation von Laborgeräten erinnern. Mit den Landapotheken hielt laut Niethammer die Wissenschaft Einzug in die medizinische Versorgung in Marktgemeinden und Dörfern. Wurde zuvor oftmals das Heil in Hausmitteln gesucht, kamen dann zunächst von den Apotheken selbst hergestellte und ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts allmählich pharmazeutisch produzierte Arzneimittel zum Einsatz.
Originalgetreu mit der Ausstattung aus den 1950er Jahren ist ein Ort wieder aufgebaut, der für den Umbruch, ja „fast einen Paradigmenwechsel“(Niethammer) in einem Handwerk steht. Im Lindauer Friseursalon Stöckle nahmen einst vor allem Männer Platz und wurden von Männern bedient. Als nach 1945 Nachwuchsmangel bei den Friseuren herrschte, wurden auch Frauen in dem Beruf ausgebildet – so wie Irmengard Stöckle, die sich zunächst um die Haarpracht der Herren kümmerte. Doch auch die Kundschaft war später zunehmend weiblich: Während die Männer durch die Erfindung des elektrischen Rasierers die tägliche Gesichtspflege selbst übernahmen, verabschiedeten sich Frauen von alten Zöpfen – zugunsten von Dauerwelle und modernen Schnitten.
Die Ausstellung läuft bis 26. Juni und öffnet eine Stunde nach Museumsöffnung: Zu sehen bis 31. März von 11 bis 16 Uhr und ab 1. April von 10 bis 18 Uhr. Für den Zutritt gelten die 3G-Regel und FFP2-Maskenpflicht. Infos unter
www.bauernhofmuseum.de