Experten beseitigen krebserregende Stoffe
Wo brennt’s: Leserin ist besorgt wegen Altlasten im Fallenbrunnen
- Der Fallenbrunnen sollte als Flak-Kaserne nach Vorstellung der Nationalsozialisten Friedrichshafen zu einer Festung machen. Heute ist das Gebiet ein besonderer Teil der Stadt, der Raum bietet für Bildung, Gewerbe und Kultur. Auch jede Menge Wohnraum entsteht. Unter anderem durch die ehemals militärische Nutzung lauern in dem Gebiet aber einige Probleme und Gefahren. Altlasten stecken in Gebäuden und im Boden.
Eine Leserin unserer Zeitung hatte im Rahmen unserer Aktion „Wo brennt’s?“zunächst die Frage gestellt, ob es im Fallenbrunnen eine Belastung mit dem radioaktiven chemischen Element Radon gebe. Ein Missverständnis, wie sich nach Rückfrage bei der Frau herausstellte. Eigentlich bezog sich ihre Sorge auf die Altlasten im Fallenbrunnen, von denen sie aufgrund früherer Berichterstattung unserer Zeitung erfahren hatte. Doch die ursprünglichen Fragen der Leserin bleiben: Wie gefährlich sind diese Kontaminationen? Bekommt man die wirklich ganz weg? Und ist es eine gute Idee, in diesem Gebiet Wohnraum, Einrichtungen für Kinder und vieles mehr zu bauen? Die „Schwäbische Zeitung“hat nachgefragt.
Zwischen 1937 und 1943 errichteten die Nationalsozialisten im Fallenbrunnen die Flak-Kaserne als militärische Verteidigungsanlage. Denn aufgrund der lokalen Rüstungsindustrie in der Stadt – dem Zeppelin-Konzern und den DornierWerken – schienen Luftangriffe absehbar. Nach dem Krieg besetzten die Franzosen die Flak-Kaserne und nutzten sie mit verschiedenen Heereseinheiten bis 1992.
Aus den Tagen der militärischen Nutzung gibt es im Fallenbrunnen noch Überbleibsel: „Bei Kasernengeländen ist immer mit Kampfmitteln wie Munition, Granaten und so weiter zu rechnen“, sagt Andrea Kreuzer, Sprecherin der Stadt Friedrichshafen. Der Stadt gehört das Gebiet seit den 90er-Jahren. Die Entwicklung im Südwesten des Fallenbrunnens
TRAUERANZEIGEN
– mit Zeppelin-Uni, Dualer Hochschule und Co. – ist weitgehend abgeschlossen.
Weiter geht es im nordöstlichen Teil. Dort gibt es neben „Kampfmitteln“noch eine ganze Menge weiterer Altlasten – zum Beispiel in den alten Gebäuden, die Platz machen müssen für die neue Bebauung. „Die früher verwendeten Baustoffe werden teilweise aufgrund ihrer Zusammensetzung heute als gesundheitsschädlich und somit gefährlich eingestuft“, sagt Andrea Kreuzer. Als Beispiele nennt sie Asbest oder Bestandteile davon, Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Pentachlorphenol (PCP).
Außerdem gibt es laut Kreuzer auch im Boden problematische Stoffe: „In der Fläche und dem Erdreich sind vorwiegend PAK, Mineralölkohlenwasserstoffe und andere Kontaminationen aus der damaligen Nutzung als Kasernengelände vorhanden“, sagt sie. Alle genannten Stoffe seien als krebserregend eingestuft (siehe Kasten). Um die gefährlichen Substanzen wirklich restlos zu beseitigen, sind deshalb Spezialisten nötig. Flächen werden gründlich saniert, Gebäude und betroffene Böden von Experten rückgebaut. „Die Rückbaumaßnahmen werden von Fachfirmen unter Kontrolle der Fachbauleitung für Altlasten durchgeführt“, sagt Stadtsprecherin Andrea Kreuzer. Das ist aufwendig – und dementsprechend teuer. Die Kosten für Rückbau und Sanierung im Gebiet Fallenbrunnen schätzt die Stadt auf etwa 5,5 Millionen Euro.
Aktuell laufen im nordöstlichen Fallenbrunnen laut Andrea Kreuzer Arbeiten zur Beseitigung von Altlasten und Sanierung der Flächen an drei Stellen: den (ehemaligen) Gebäuden 31, 32 und 33. Danach stünden die Gebäude 27, 29 und 43 – die ehemalige Bootswerft Werner – an, die ebenfalls noch dieses Jahr verschwinden sollen. „Die Gebäude 5, 5.1 und 10 werden noch von den bereits gekündigten Pächtern genutzt und können erst nach Auszug und Räumung rückgebaut werden“, sagt Andrea Kreuzer.
Flächen, die durch ihre frühere Nutzung mit Schadstoffen verunreinigt sind, bezeichnet man als Altlasten. Im Fallenbrunnen gibt es verschiedene Kontaminationen. Ein Überblick:
Asbest ist wegen seiner vielen praktischen Eigenschaften über Jahrzehnte in sehr großen Mengen beim Bauen verwendet worden, schreibt das deutsche Umweltbundesamt. 1993 sind wegen der nachweislich krebserzeugenden Wirkung von Asbest Herstellung und Verwendung verboten worden. Asbest ist chemisch sehr beständig, unempfindlich gegen Hitze und nicht brennbar. Außerdem ist der faserartige Stoff elastisch und lässt sich leicht zu Produkten verarbeiten. Deshalb kam Asbest laut Umdas weltbundesamt seit etwa 1930 in einer Vielzahl von Produkten zum Einsatz – zum Beispiel in Platten für den Hochbau, Zement oder Dichtungen.
Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) entstehen laut Umweltbundesamt bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material wie Holz, Kohle oder Öl. Hohe Anteile hat zum Beispiel Teer aus Steinkohle, der früher oft beim Straßenbau Verwendung fand. Aber auch Produkte aus Gummi und Kunststoff können PAK enthalten. „Ursache dafür sind Weichmacheröle, die dem Gummi – in der Regel zusammen mit Füllstoffen – zugesetzt werden, um die gewünschte Elastizität zu erreichen“, schreibt
Umweltbundesamt. Viele PAK haben laut der Behörde krebserregende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Eigenschaften.
Pentachlorphenol (PCP) wurde 1989 in Deutschland verboten, weil es krebserregend ist. In Deutschland wurde PCP hauptsächlich für die Holzimprägnierung, die Schnittholzbehandlung und zur Behandlung von Textilien und Leder eingesetzt, schreibt das Umweltbundesamt. Auch in der Mineralölund Klebstoffindustrie hat man es benutzt. Mittels PCP behandelte Holzprodukte, insbesondere im Baubereich, fallen laut der Behörde weiterhin als Abfall an und müssen deshalb besonders behandelt oder entsorgt werden.
Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) bezeichnen eine heterogene Gruppe von KohlenwasserstoffGemischen, die hauptsächlich aus Rohöl stammen. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) werden sie allerdings auch synthetisch aus Kohle, Erdgas und Biomassen hergestellt. Schmierstoffe können zu einer Kontamination mit MKW führen. Im Fallenbrunnen sind die Stoffe laut Stadtsprecherin Andrea Kreuzer aus der damaligen Nutzung als Kasernengelände vorhanden. Heutzutage gibt es laut EFSA mehrere mögliche lebensmittelbedingte MKW-Quellen: hauptsächlich Lebensmittelverpackungsmaterialien, Lebensmittelzusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe. (pek)