Hilfsappell und Vorwürfe von Selenskyj
Ukrainischer Präsident spricht im Bundestag und fordert von Deutschland eine Führungsrolle
(dpa) - Drei Wochen nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem leidenschaftlichen Appell mehr Hilfe aus Berlin gefordert. Er dankte allen Deutschen für ihre Hilfe, machte der deutschen Politik aber auch schwere Vorwürfe. Wieder gehe eine Mauer durch Europa, sagte Selenskyj am Donnerstag in einer Videoansprache im Bundestag. „Lieber Herr Bundeskanzler Scholz, zerstören Sie diese Mauer. Geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die Deutschland verdient“, forderte der ukrainische Regierungschef.
In der Folge machte der Ukrainer der deutschen Politik Vorwürfe: Die Sanktionen seien zu spät gekommen, die Pipeline Nord Stream 2 habe den Krieg mit vorbereitet, der Ukraine sei der Beitritt zur Nato verweigert worden. Deutschland machte er für die zuvor erwähnte Mauer mitverantwortlich. „Es ist eine Mauer inmitten Europas zwischen Freiheit und Unfreiheit. Und diese Mauer wird größer mit jeder Bombe, die auf die Ukraine fällt, mit jeder nicht getroffenen Entscheidung.“In den umkämpften Gebieten warteten immer noch Tausende auf die Chance zur Flucht. Vor allem in Mariupol sei die
Not groß. Selenskyj sagte, in seinem Land seien Zivilisten und Soldaten wahllos Ziel der Angriffe. „Russland bombardiert unsere Städte und zerstört alles, was in der Ukraine da ist. Das sind Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Kirchen, alles.“
Olaf Scholz würdigte die Videoansprache Selenskyjs und stellte ihm weitere Unterstützung in Aussicht. Es seien „eindrucksvolle Worte“gewesen, sagte der SPD-Politiker. Er verwies bei einem Treffen mit NatoGeneralsekretär Jens Stoltenberg auf die laufende Unterstützung für die Ukraine, zu der auch Waffenlieferungen gehören. „Deutschland leistet hier seinen Beitrag und wird das weiter tun.“Er bekräftigte allerdings auch: „Die Nato wird nicht militärisch in diesen Krieg eingreifen.“Streit gab es im Parlament in der Folge um eine von der Union beantragte und von der Ampel-Koalition abgelehnte Debatte über den UkraineKrieg nach der Rede Selenskyjs.
Derweil meldete die Ukraine auch an Tag 22 nach dem russischen Angriff weitere Zerstörungen. Bei einem Angriff im ostukrainischen Gebiet Charkiw sind Behördenangaben zufolge 21 Menschen getötet worden. Das ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.