Mit PV-Anlage in sechs Monaten 20 Bäume einsparen
Einsatz für Klimaschutz und gewisse Unabhängigkeit von fossiler Energie ist allerdings nicht billig
- „Wir wollten einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“Das ist für die Bodolzer Familie Lutze schnell klar gewesen. Die Idee ist gut – das Dach hingegen klein. Denn es ist ein Reihenhaus. Auf dem ohnehin schon seit zehn Jahren Solarpaneele für warmes Wasser liegen. Damit auch die Rechnung für eigenen Strom aufgeht, braucht es viel Engagement.
Photovoltaikanlagen aufs eigene Dach zu montieren und damit eigenen Strom zu erzeugen, ist nichts Neues. Auch wenn Klimaschützer im Landkreis Lindau seit Jahren vergeblich davon träumen, „dass alle Dächer im Kreis blau werden“. So hat auch die Stadt Lindau, die am bundesweiten „Wattbewerb“teilnimmt, in puncto erneuerbare Energien ihr Ziel noch nicht erreicht: Sie will eigentlich die im Stadtgebiet erzeugte Wattzahl binnen eines Jahres verdoppeln.
Klimaschutz ist das eine. Explodierende Energiepreise sind die andere Seite der Medaille. Beides zusammen hat die Bodolzer Familie darin bestärkt, dass sie nicht nur mit der Kraft der Sonne warm duschen will. Sondern dass sie mit von Photovoltaik erzeugtem Strom noch unabhängiger werden möchte.
„Jeder kann einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende leisten.“Das ist die Botschaft von Katja Lutze. Eine Photovoltaikanlage auf ihr kleines Dach montieren zu lassen, sei schwieriger gewesen als zunächst gedacht, schildert sie im Gespräch mit der LZ. Aber die Familie hat nicht locker gelassen.
Auf dem Dach ihres Reihenhauses im Bodolzer Abtsgarten gibt es seit 2010 bereits eine Solaranlage, die das warme Wasser für die Familie produziert. Die Anlage gehörte damals, als die Lutzes ihr Eigenheim von der GKWG kauften, zur Standardausstattung aller Häuser des jüngsten Bodolzer Baugebietes.
„Wir können im März die Heizung ausschalten und brauchen erst im Oktober wieder anzuschalten. Duschen ist seitdem ein ganz anderes Gefühl“, fasst Katja Lutze zusammen. Allein schon wegen der aktuellen und womöglich noch steigenden Energiepreise ist ihre Freude verständlich. Doch diese Anlage war der Familie nicht genug. Sie zog das sogenannte Solarpotentialkataster des Landkreises Lindau zurate: Ist ihr Dach grundsätzlich für Photovoltaik geeignet? Wie viele Photovoltaik-Paneele sind dort möglich? Und: Wie viel Energie können sie damit erzeugen?
Der frühere Klimaschutzmanager des Landkreises, Steffen Riedel, hat vor vier Jahren den Weg bereitet für dieses Kataster. „Es liefert gebäudegenau das Solarpotenzial, also Photovoltaik und Solarthermie, auf einem ausgewählten Dach nach der postalischen Adresse“, sagt der Energieexperte. Aus seiner noch aktiven Zeit weiß er: Alle PV-Anlagen im Kreisgebiet haben 2019 rund 60 000 Kilowattstunden erzeugt. Zufrieden ist er damit nicht: „Das Potenzial auf den Dächern im Landkreis ist damit erst zu knapp zehn Prozent ausgeschöpft“, gibt Riedel zu bedenken. Und jenes für weitere Balkonanlagen sei dabei noch gar nicht berücksichtigt.
„Wir haben gesehen: Das könnte klappen“, blickt Katja Lutze zurück auf die Plan- und Bauphase ihrer PVAnlage. Allerdings wollte nur ein einziger von vier angefragten Anbietern den Auftrag der Familie annehmen. Immerhin: Diese Firma hatte Systeme im Angebot, die auch im Schatten funktionieren. „Wir haben Gauben, und die machen Schatten“, erklärt die Hausbesitzerin. Viele Photovoltaikanlagen funktionieren aber nur, wenn kein einziges Paneel verschattet sei.
Rund 15 000 Euro haben die Lutzes am Ende dafür bezahlt, ihren eigenen Strom zu produzieren und damit autark zu sein. Viel Geld für eine Familie. „Aber wir sind sehr zufrieden.“Insbesondere angesichts des aktuellen Strompreises: Wenn der so hoch bleibt oder gar noch weiter steigt, dann könnte sich die Anlage sogar schneller als in den errechneten 15 Jahren auszahlen.
Doch damit nicht genug. „Gerade jetzt wäre es gut, wenn wir unabhängiger von Gas und Kohle wären. Dann könnten wir sagen, wir schalten ab“, findet Katja Lutze angesichts des Ukraine-Kriegs und der deutschen Abhängigkeit von russischen Rohstoffen. Und der Krieg zeige zudem, dass auch Atomkraftwerke keine Zwischenlösung seien, weil viel zu gefährlich.
Auf mehr Familien und Hausbesitzer wie die Lutzes hofft auch die Stadt Lindau: Sie hat sich vor einem
Jahr zum bundesweiten „Wattbewerb“angemeldet. Der soll Bürger dazu bewegen, Photovoltaikanlagen auf ihre Dächer installieren zu lassen.
Es geht darum, welche Stadt zuerst die Leistung der installierten Photovoltaikanlagen verdoppelt hat. Damit ist der Wettbewerb ein Aufruf an die Bürger zur Energiewende auf dem eigenen Dach. „Aber man hört gar nichts mehr davon“, bedauert Katja Lutze. Als Bodolzerin kann sie zwar nicht aktiv das Ergebnis verbessern. „Aber ich kann Werbung dafür machen“, erklärt sie ihr Engagement.
Dann zückt Lutze ihr Handy: „Die letzten Tage mussten wir nichts zukaufen“, sagt sie mit Blick auf die vergangenen Sonnentage. Eine App zeigt ihr, wie viel Strom ihre Anlage produziert, wie viel die Familie verbraucht, wie viel sie in den eigenen Speicher einspeist und wie viel ins allgemeine Netz.
„Wir sehen, wie voll der Speicher ist, wann wir gespeicherten Strom nutzen, wann wir dazu kaufen und wie viel CO2 wir schon eingespart haben.“Momentan sei der Speicher zu 90 Prozent voll, liest sie ab und freut sich darüber, weil sie mit Wäschewaschen und Einsatz des Geschirrspülers an diesem Tag schon einiges an Energie verbraucht hat. Besonders freut sich Katja Lutze über diese Info: Seit Inbetriebnahme der PV-Anlage im August hat die vierköpfige Familie durch die Nutzung von Sonnenenergie 20 Bäume eingespart.
„Es ist ein gutes Gefühl, den eigenen Strom zu nutzen“, strahlt Lutze. Die Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach ist für die Familie übrigens nicht das Ende. „Wir sind immer noch auf dem Weg.“
Das Solarpotenzialkataster des Landkreises ist im Internet zu finden unter
www.solare-stadt.de/ landkreis-lindau
Alle Infos zum „Wattbewerb“sowie den aktuellen Stand der kW-PeakLeistung von Lindau gibt es unter
www.wattbewerb.de