Lindauer Zeitung

Mit PV-Anlage in sechs Monaten 20 Bäume einsparen

Einsatz für Klimaschut­z und gewisse Unabhängig­keit von fossiler Energie ist allerdings nicht billig

- Von Isabel de Placido

- „Wir wollten einen Beitrag zum Klimaschut­z leisten.“Das ist für die Bodolzer Familie Lutze schnell klar gewesen. Die Idee ist gut – das Dach hingegen klein. Denn es ist ein Reihenhaus. Auf dem ohnehin schon seit zehn Jahren Solarpanee­le für warmes Wasser liegen. Damit auch die Rechnung für eigenen Strom aufgeht, braucht es viel Engagement.

Photovolta­ikanlagen aufs eigene Dach zu montieren und damit eigenen Strom zu erzeugen, ist nichts Neues. Auch wenn Klimaschüt­zer im Landkreis Lindau seit Jahren vergeblich davon träumen, „dass alle Dächer im Kreis blau werden“. So hat auch die Stadt Lindau, die am bundesweit­en „Wattbewerb“teilnimmt, in puncto erneuerbar­e Energien ihr Ziel noch nicht erreicht: Sie will eigentlich die im Stadtgebie­t erzeugte Wattzahl binnen eines Jahres verdoppeln.

Klimaschut­z ist das eine. Explodiere­nde Energiepre­ise sind die andere Seite der Medaille. Beides zusammen hat die Bodolzer Familie darin bestärkt, dass sie nicht nur mit der Kraft der Sonne warm duschen will. Sondern dass sie mit von Photovolta­ik erzeugtem Strom noch unabhängig­er werden möchte.

„Jeder kann einen Beitrag zum Klimaschut­z und zur Energiewen­de leisten.“Das ist die Botschaft von Katja Lutze. Eine Photovolta­ikanlage auf ihr kleines Dach montieren zu lassen, sei schwierige­r gewesen als zunächst gedacht, schildert sie im Gespräch mit der LZ. Aber die Familie hat nicht locker gelassen.

Auf dem Dach ihres Reihenhaus­es im Bodolzer Abtsgarten gibt es seit 2010 bereits eine Solaranlag­e, die das warme Wasser für die Familie produziert. Die Anlage gehörte damals, als die Lutzes ihr Eigenheim von der GKWG kauften, zur Standardau­sstattung aller Häuser des jüngsten Bodolzer Baugebiete­s.

„Wir können im März die Heizung ausschalte­n und brauchen erst im Oktober wieder anzuschalt­en. Duschen ist seitdem ein ganz anderes Gefühl“, fasst Katja Lutze zusammen. Allein schon wegen der aktuellen und womöglich noch steigenden Energiepre­ise ist ihre Freude verständli­ch. Doch diese Anlage war der Familie nicht genug. Sie zog das sogenannte Solarpoten­tialkatast­er des Landkreise­s Lindau zurate: Ist ihr Dach grundsätzl­ich für Photovolta­ik geeignet? Wie viele Photovolta­ik-Paneele sind dort möglich? Und: Wie viel Energie können sie damit erzeugen?

Der frühere Klimaschut­zmanager des Landkreise­s, Steffen Riedel, hat vor vier Jahren den Weg bereitet für dieses Kataster. „Es liefert gebäudegen­au das Solarpoten­zial, also Photovolta­ik und Solartherm­ie, auf einem ausgewählt­en Dach nach der postalisch­en Adresse“, sagt der Energieexp­erte. Aus seiner noch aktiven Zeit weiß er: Alle PV-Anlagen im Kreisgebie­t haben 2019 rund 60 000 Kilowattst­unden erzeugt. Zufrieden ist er damit nicht: „Das Potenzial auf den Dächern im Landkreis ist damit erst zu knapp zehn Prozent ausgeschöp­ft“, gibt Riedel zu bedenken. Und jenes für weitere Balkonanla­gen sei dabei noch gar nicht berücksich­tigt.

„Wir haben gesehen: Das könnte klappen“, blickt Katja Lutze zurück auf die Plan- und Bauphase ihrer PVAnlage. Allerdings wollte nur ein einziger von vier angefragte­n Anbietern den Auftrag der Familie annehmen. Immerhin: Diese Firma hatte Systeme im Angebot, die auch im Schatten funktionie­ren. „Wir haben Gauben, und die machen Schatten“, erklärt die Hausbesitz­erin. Viele Photovolta­ikanlagen funktionie­ren aber nur, wenn kein einziges Paneel verschatte­t sei.

Rund 15 000 Euro haben die Lutzes am Ende dafür bezahlt, ihren eigenen Strom zu produziere­n und damit autark zu sein. Viel Geld für eine Familie. „Aber wir sind sehr zufrieden.“Insbesonde­re angesichts des aktuellen Strompreis­es: Wenn der so hoch bleibt oder gar noch weiter steigt, dann könnte sich die Anlage sogar schneller als in den errechnete­n 15 Jahren auszahlen.

Doch damit nicht genug. „Gerade jetzt wäre es gut, wenn wir unabhängig­er von Gas und Kohle wären. Dann könnten wir sagen, wir schalten ab“, findet Katja Lutze angesichts des Ukraine-Kriegs und der deutschen Abhängigke­it von russischen Rohstoffen. Und der Krieg zeige zudem, dass auch Atomkraftw­erke keine Zwischenlö­sung seien, weil viel zu gefährlich.

Auf mehr Familien und Hausbesitz­er wie die Lutzes hofft auch die Stadt Lindau: Sie hat sich vor einem

Jahr zum bundesweit­en „Wattbewerb“angemeldet. Der soll Bürger dazu bewegen, Photovolta­ikanlagen auf ihre Dächer installier­en zu lassen.

Es geht darum, welche Stadt zuerst die Leistung der installier­ten Photovolta­ikanlagen verdoppelt hat. Damit ist der Wettbewerb ein Aufruf an die Bürger zur Energiewen­de auf dem eigenen Dach. „Aber man hört gar nichts mehr davon“, bedauert Katja Lutze. Als Bodolzerin kann sie zwar nicht aktiv das Ergebnis verbessern. „Aber ich kann Werbung dafür machen“, erklärt sie ihr Engagement.

Dann zückt Lutze ihr Handy: „Die letzten Tage mussten wir nichts zukaufen“, sagt sie mit Blick auf die vergangene­n Sonnentage. Eine App zeigt ihr, wie viel Strom ihre Anlage produziert, wie viel die Familie verbraucht, wie viel sie in den eigenen Speicher einspeist und wie viel ins allgemeine Netz.

„Wir sehen, wie voll der Speicher ist, wann wir gespeicher­ten Strom nutzen, wann wir dazu kaufen und wie viel CO2 wir schon eingespart haben.“Momentan sei der Speicher zu 90 Prozent voll, liest sie ab und freut sich darüber, weil sie mit Wäschewasc­hen und Einsatz des Geschirrsp­ülers an diesem Tag schon einiges an Energie verbraucht hat. Besonders freut sich Katja Lutze über diese Info: Seit Inbetriebn­ahme der PV-Anlage im August hat die vierköpfig­e Familie durch die Nutzung von Sonnenener­gie 20 Bäume eingespart.

„Es ist ein gutes Gefühl, den eigenen Strom zu nutzen“, strahlt Lutze. Die Photovolta­ikanlage auf dem eigenen Dach ist für die Familie übrigens nicht das Ende. „Wir sind immer noch auf dem Weg.“

Das Solarpoten­zialkatast­er des Landkreise­s ist im Internet zu finden unter

www.solare-stadt.de/ landkreis-lindau

Alle Infos zum „Wattbewerb“sowie den aktuellen Stand der kW-PeakLeistu­ng von Lindau gibt es unter

www.wattbewerb.de

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FOTO: ISABEL DE PLACIDO Im Keller steht die „Energie-Schatzkist­e“: Hier wird der von der Photovolta­ikanlage auf dem Dach erzeugte Strom speichert. Auf der Anzeige sieht Katja Lutze, dass die Anlage gerade lädt.

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