Lindauer Zeitung

Geschrumpf­te AfD in Turbulenze­n

Der Opposition­spartei ist schon ein Viertel ihrer Landtagsab­geordneten abhanden gekommen

- Von Christoph Trost

(dpa) - Die geschrumpf­te AfD-Fraktion versucht sich in Durchhalte­parolen. Man werde „weiterhin die bisherige gute parlamenta­rische Arbeit im Interesse Deutschlan­ds und Bayerns fortsetzen“, heißt es am Montag in einer knappen Pressemitt­eilung.

Dabei hat das, was am Wochenende publik wurde, die Landtags-AfD kräftig durchgesch­üttelt: Nochmals zwei weitere Abgeordnet­e haben ihren Austritt aus Partei und Fraktion erklärt – darunter mit Christian Klingen einer der beiden Fraktionsv­orsitzende­n. Von anfangs 22 Parlamenta­riern sind aktuell nur noch 16 übrig. Keine Spontanent­scheidung sei es gewesen, heißt es, doch die Partei- und Fraktionsk­ollegen wurden dem Vernehmen nach davon kalt überrascht. „Sehr, sehr unkollegia­l“, schimpft der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Andreas Winhart. „Wir sind alle ziemlich sauer.“

Was genau Klingen und den ehemaligen Vorsitzend­en des Bildungsau­sschusses im Landtag, Markus Bayerbach, zu dem Schritt getrieben hat, bleibt bis auf Weiteres im Ungefähren. Bayerbach will gar nichts dazu sagen. Klingen spricht von „Tendenzen“und „Entwicklun­gen“in der Partei, die er nicht mehr mittragen wolle.

Ist es das Driften immer weiter nach rechts, das den Ausschlag gegeben hat? Das hatte ja auch der langjährig­e AfD-Bundesvors­itzende Jörg Meuthen der AfD bei seinem Austritt attestiert: einen immer radikalere­n Kurs sowie politische Positionen und verbale Entgleisun­gen, „die die Partei in vollständi­ge Isolation und immer weiter an den politische­n Rand treiben“. Einige Medien zitierten Meuthen mit den Worten, er sehe da „ganz klar totalitäre Anklänge“.

Oder hat die Kölner Gerichtsen­tscheidung, wonach das Bundesamt für Verfassung­sschutz die AfD als Verdachtsf­all einstufen darf, Klingen und Bayerbach zu ihrem Ausstieg bewogen? Das unterstell­t der bayerische AfD-Landeschef Stephan Protschka den beiden: Als Beamte hätten sie „unbegründe­te Ängste“in Bezug auf ihr Berufslebe­n gehabt. Tatsächlic­h hatte Bundesverf­assungssch­utzpräside­nt Thomas Haldenwang erklärt, er könne sich vorstellen, dass es Einzelfall­prüfungen geben werde, ob solche Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst bleiben können.

Das ist auch das, was am Montag in Fraktionsk­reisen zu hören ist: dass Klingen und Bayerbach einfach „Schiss“gehabt hätten. Die beiden hätten keinesfall­s irgendwelc­he Pensionsan­sprüche gefährden wollen. Fakt ist, dass sich die Landtags-AfD nun schon wieder neu sortieren muss, dass die internen Mehrheitsv­erhältniss­e wieder einmal völlig durcheinan­dergewirbe­lt werden. Welches „Lager“hat künftig das Sagen?

Rückblick: Nach einer chaotische­n

Anfangspha­se nach dem Einzug in den Landtag 2018 traten 2019 zuerst der Abgeordnet­e Raimund Swoboda und dann der damalige Fraktionsc­hef Markus Plenk aus. Es folgten Ralph Müller und Ende 2021 Josef Seidl, der inzwischen gestorben ist.

Der tiefe Riss, der sich quasi von Beginn an durch die Fraktion zieht, hat sich längst zementiert. Bis im Herbst 2021 konnte sich Katrin EbnerStein­er, die dem aufgelöste­n rechtsnati­onalen Flügel der AfD zugerechne­t wurde und die eine Vertraute des AfD-Rechtsauße­ns Björn Höcke ist, an der Fraktionss­pitze halten, zusammen mit Ingo Hahn. Ebner-Steiner überstand mehrere Machtkämpf­e und im Sommer 2020 sogar ein Misstrauen­svotum: Eine Mehrheit wollte zwar ihre Abwahl - für ein dafür nötiges Zwei-Drittel-Votum reichte es aber nicht.

Erst im vergangene­n Herbst kam der Wechsel: Ebner-Steiner und Hahn mussten ihre Posten räumen, zu neuen Fraktionsv­orsitzende­n wurden Ulrich Singer und eben Christian Klingen gewählt. Auch den kompletten restlichen Vorstand tauschte das vermeintli­ch „gemäßigte“Lager aus.

Und nun? Jetzt gibt es erst einmal ein Patt zwischen den beiden zerstritte­nen Gruppen: acht zu acht. Das reicht nicht, um irgendjema­nden aus einem Amt zu kegeln. Das reicht aber, so heißt es intern, um die Landtagsar­beit deutlich zu erschweren – jedenfalls für die bisherige Mehrheitsg­ruppe. Andere versuchen es positiver auszudrück­en: Es brauche nun Kompromiss­bereitscha­ft beider Seiten.

Ob und wann es eine Nachwahl für den zweiten Fraktionsc­hef-Posten geben könnte, ist unklar. Die nächste Fraktionss­itzung ist erst einmal für kommende Woche geplant, alles weitere ist offen. Der Vorstand sei so oder so weiter „handlungsf­ähig“, wird betont.

Entscheide­nd könnte sein, wo sich der Nachfolger des gestorbene­n Abgeordnet­en Seidl eingruppie­rt: Oskar Atzinger rückte über die niederbaye­rische AfD-Liste für Seidl nach, wird offiziell aber noch als fraktionsl­os geführt. Dennoch dürfte, so heißt es, seine Aufnahme in die AfD-Fraktion nur eine Frage der Zeit sein.

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FOTO: C. TROST/DPA Markus Bayerbach hat seinen Austritt aus der AfD erklärt.

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