Geschrumpfte AfD in Turbulenzen
Der Oppositionspartei ist schon ein Viertel ihrer Landtagsabgeordneten abhanden gekommen
(dpa) - Die geschrumpfte AfD-Fraktion versucht sich in Durchhalteparolen. Man werde „weiterhin die bisherige gute parlamentarische Arbeit im Interesse Deutschlands und Bayerns fortsetzen“, heißt es am Montag in einer knappen Pressemitteilung.
Dabei hat das, was am Wochenende publik wurde, die Landtags-AfD kräftig durchgeschüttelt: Nochmals zwei weitere Abgeordnete haben ihren Austritt aus Partei und Fraktion erklärt – darunter mit Christian Klingen einer der beiden Fraktionsvorsitzenden. Von anfangs 22 Parlamentariern sind aktuell nur noch 16 übrig. Keine Spontanentscheidung sei es gewesen, heißt es, doch die Partei- und Fraktionskollegen wurden dem Vernehmen nach davon kalt überrascht. „Sehr, sehr unkollegial“, schimpft der Parlamentarische Geschäftsführer Andreas Winhart. „Wir sind alle ziemlich sauer.“
Was genau Klingen und den ehemaligen Vorsitzenden des Bildungsausschusses im Landtag, Markus Bayerbach, zu dem Schritt getrieben hat, bleibt bis auf Weiteres im Ungefähren. Bayerbach will gar nichts dazu sagen. Klingen spricht von „Tendenzen“und „Entwicklungen“in der Partei, die er nicht mehr mittragen wolle.
Ist es das Driften immer weiter nach rechts, das den Ausschlag gegeben hat? Das hatte ja auch der langjährige AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen der AfD bei seinem Austritt attestiert: einen immer radikaleren Kurs sowie politische Positionen und verbale Entgleisungen, „die die Partei in vollständige Isolation und immer weiter an den politischen Rand treiben“. Einige Medien zitierten Meuthen mit den Worten, er sehe da „ganz klar totalitäre Anklänge“.
Oder hat die Kölner Gerichtsentscheidung, wonach das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall einstufen darf, Klingen und Bayerbach zu ihrem Ausstieg bewogen? Das unterstellt der bayerische AfD-Landeschef Stephan Protschka den beiden: Als Beamte hätten sie „unbegründete Ängste“in Bezug auf ihr Berufsleben gehabt. Tatsächlich hatte Bundesverfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang erklärt, er könne sich vorstellen, dass es Einzelfallprüfungen geben werde, ob solche Beschäftigten im öffentlichen Dienst bleiben können.
Das ist auch das, was am Montag in Fraktionskreisen zu hören ist: dass Klingen und Bayerbach einfach „Schiss“gehabt hätten. Die beiden hätten keinesfalls irgendwelche Pensionsansprüche gefährden wollen. Fakt ist, dass sich die Landtags-AfD nun schon wieder neu sortieren muss, dass die internen Mehrheitsverhältnisse wieder einmal völlig durcheinandergewirbelt werden. Welches „Lager“hat künftig das Sagen?
Rückblick: Nach einer chaotischen
Anfangsphase nach dem Einzug in den Landtag 2018 traten 2019 zuerst der Abgeordnete Raimund Swoboda und dann der damalige Fraktionschef Markus Plenk aus. Es folgten Ralph Müller und Ende 2021 Josef Seidl, der inzwischen gestorben ist.
Der tiefe Riss, der sich quasi von Beginn an durch die Fraktion zieht, hat sich längst zementiert. Bis im Herbst 2021 konnte sich Katrin EbnerSteiner, die dem aufgelösten rechtsnationalen Flügel der AfD zugerechnet wurde und die eine Vertraute des AfD-Rechtsaußens Björn Höcke ist, an der Fraktionsspitze halten, zusammen mit Ingo Hahn. Ebner-Steiner überstand mehrere Machtkämpfe und im Sommer 2020 sogar ein Misstrauensvotum: Eine Mehrheit wollte zwar ihre Abwahl - für ein dafür nötiges Zwei-Drittel-Votum reichte es aber nicht.
Erst im vergangenen Herbst kam der Wechsel: Ebner-Steiner und Hahn mussten ihre Posten räumen, zu neuen Fraktionsvorsitzenden wurden Ulrich Singer und eben Christian Klingen gewählt. Auch den kompletten restlichen Vorstand tauschte das vermeintlich „gemäßigte“Lager aus.
Und nun? Jetzt gibt es erst einmal ein Patt zwischen den beiden zerstrittenen Gruppen: acht zu acht. Das reicht nicht, um irgendjemanden aus einem Amt zu kegeln. Das reicht aber, so heißt es intern, um die Landtagsarbeit deutlich zu erschweren – jedenfalls für die bisherige Mehrheitsgruppe. Andere versuchen es positiver auszudrücken: Es brauche nun Kompromissbereitschaft beider Seiten.
Ob und wann es eine Nachwahl für den zweiten Fraktionschef-Posten geben könnte, ist unklar. Die nächste Fraktionssitzung ist erst einmal für kommende Woche geplant, alles weitere ist offen. Der Vorstand sei so oder so weiter „handlungsfähig“, wird betont.
Entscheidend könnte sein, wo sich der Nachfolger des gestorbenen Abgeordneten Seidl eingruppiert: Oskar Atzinger rückte über die niederbayerische AfD-Liste für Seidl nach, wird offiziell aber noch als fraktionslos geführt. Dennoch dürfte, so heißt es, seine Aufnahme in die AfD-Fraktion nur eine Frage der Zeit sein.