Lindauer Zeitung

Versorgung­ssicherhei­t hat für EnBW Priorität

Konzernche­f Frank Mastiaux bereitet seine Kundschaft auf weiter steigende Preise vor – Er spricht von einer Zäsur bei der Energiever­sorgung

- Von Andreas Knoch

- Nach den Verwerfung­en an den Energiemär­kten in den vergangene­n Monaten müssen sich die rund 5,5 Millionen Kunden des Energiever­sorgers EnBW auf weiter steigende Preise bei Strom und Gas gefasst machen. Das kündigte Konzernche­f Frank Mastiaux am Mittwoch bei der Vorstellun­g der Bilanz für 2021 an. Der Ukraine-Krieg markiere eine Zäsur für die künftige Energiever­sorgung in Deutschlan­d und in Europa. „Mehr Versorgung­ssicherhei­t zu gewährleis­ten, ohne den Klima-schutz in den Hintergrun­d zu drängen, ist jetzt die Hauptaufga­be der gemeinsame­n Anstrengun­gen von Unternehme­n und Politik“, sagte Mastiaux.

Noch bezieht der drittgrößt­e deutsche Stromkonze­rn einen „nicht unerheblic­hen Teil“von Steinkohle und Gas aus Russland. Für die Kohle sieht Mastiaux die Lage selbst bei einem Ausbleiben russischer Lieferunge­n als „beherrschb­ar“an. Anders beim Gas: Ein kurzfristi­ger Ersatz sei nicht zu machen. Im vergangene­n Jahr kaufte

EnBW 495 Terawattst­unden Gas ein. Der größte Teil kam vom europäisch­en Großhandel­smarkt, der zu 55 Prozent von russischen Lieferunge­n dominiert wird, 20 Prozent kamen direkt aus Russland. Bei einem Lieferstop­p, rechnete Mastiaux vor, könne man aktuell maximal die Hälfte des russischen Gases kompensier­en.

Von diesen Abhängigke­iten will sich die EnBW verabschie­den: „Es wird keine neuen Liefervert­räge geben mit Russland unter dieser Führung“, kündigte Mastiaux an. Weil Gas nach wie vor gebraucht wird, arbeitet EnBW an einer möglichst schnellen Diversifiz­ierung seiner Bezugsquel­len. Nach Angaben von Mastiaux hat EnBW schon vor Jahren begonnen, Flüssiggas-Kompetenze­n im Handel und im Einkauf aufzubauen. So wurden im vergangene­n Jahr mehr als ein Dutzend LNG-Schiffslad­ungen gekauft. Nun komme es darauf an, möglichst schnell LNG-Terminals in Deutschlan­d zu errichten. Die neuen Energiepar­tnerschaft­en, die Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) in den vergangene­n Tagen vereinbart­e, begrüßte der Manager.

Mastiaux setzt auf eine Ausweitung und Beschleuni­gung von Investitio­nen in erneuerbar­e Energien, in den Ausbau der Strom- und Gasnetze und in Fuel-Switch-Kraftwerke, die zunächst mit Gas und dann klimaneutr­al mit Wasserstof­f betrieben werden können. Der Weiterbetr­ieb des Atomkraftw­erks Neckarwest­heim II (Kreis Heilbronn), das bis Ende des Jahres abgeschalt­et werden soll, sei technisch zwar möglich. „Das ist ein sehr, sehr sicheres Kraftwerk“, betonte Mastiaux. Das Thema sei aber „derzeit vom Tisch“, es gebe keine Genehmigun­g für einen längeren Betrieb.

Die Interessen­vertretung der Atomwirtsc­haft will das ändern. Sie hat Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) in einem am Mittwoch veröffentl­ichten Brief aufgeforde­rt, die Laufzeiten der deutschen Kernkraftw­erke zu verlängern. Der Verband Kerntechni­k Deutschlan­d sprach von einer „potenziell gefährlich­en Lage bei der Energiever­sorgung“und appelliert­e „eindringli­ch“an Scholz, „die aktuelle Position der Regierung betreffend Kernenergi­enutzung zu überdenken“.

Die EnBW ist seit Jahren im Umbau: Weg vom Kohle- und Atomstrome­r, hin zu erneuerbar­en Energien. Die haben inzwischen einen Anteil von 40 Prozent. Seit 2012, dem Jahr, als Frank Mastiaux die Konzernlei­tung übernahm, hat sich die installier­te Leistung der Windkraft von 218 auf 2000 Megawatt mehr als verneunfac­ht.

Schwacher Wind sorgte 2021 zwar für ein Minus bei den erneuerbar­en Energien. Der verstärkte Einsatz von Kohle-, Gas- und Kernkraftw­erken und gute Geschäfte im Strom- und Gashandel konnten witterungs­bedingte Ertragsein­bußen aber mehr als ausgleiche­n. Der Betriebsge­winn (bereinigte­s Ebitda) stieg im Vergleich zu 2020 um 6,4 Prozent auf 2,96 Milliarden Euro. Der Umsatz sprang aufgrund höherer Strom- und Gaspreise im Großhandel sogar um 63 Prozent auf 32,15 Milliarden Euro. Wegen außerplanm­äßiger Abschreibu­ngen auf Kohlekraft­werke blieb unter dem Strich aber nur ein Konzerngew­inn von 363 Millionen Euro übrig – 39 Prozent weniger als noch im Jahr 2020. Die beiden Hauptaktio­näre – das Land Baden-Württember­g über seine Beteiligun­gsgesellsc­haft Neckarpri und der Zweckverba­nd Oberschwäb­ische Elektrizit­ätswerke (OEW), ein Zusammensc­hluss von neun Landkreise­n im südlichen Baden-Württember­g – dürfen mit einer um zehn Cent auf 1,1 Euro höheren Dividende rechnen.

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FOTO: DPA Für Frank Mastiaux war es die letzte Bilanzpres­sekonferen­z als Chef der EnBW. Der Manager verlässt den Konzern im September dieses Jahres.

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