Lindauer Zeitung

Millionen Rentner gehen leer aus

Von den Ampel-Entlastung­en sollen nur Erwerbstät­ige und Arme profitiere­n

- Von Stefan Kegel

- Erdgas teurer, Sprit teurer, Strom teurer, Heizöl teurer – die Bundesregi­erung wollte schnell reagieren und hat ein zweites Entlastung­spaket beschlosse­n. Dabei hat sie allerdings insbesonde­re eine Gruppe vergessen: 21 Millionen Rentner. Der Großteil von ihnen geht bei den geplanten Steuersenk­ungen und Einmalzahl­ungen weitgehend leer aus.

Eindeutig heißt es im Beschluss der Koalitions­spitzen: „Allen einkommens­teuerpflic­htigen Erwerbstät­igen (Steuerklas­sen 1-5) wird einmalig eine Energiepre­ispauschal­e in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt.“Zwar ist ein wachsender Teil der Rentner grundsätzl­ich einkommens­teuerpflic­htig, weil sie ihre Rente versteuern müssen. Aber die meisten von ihnen sind nicht mehr erwerbstät­ig und werden daher von der Entlastung nicht profitiere­n. Die Pauschale soll über den Arbeitgebe­r ausgezahlt werden. Ohne Arbeitgebe­r gibt es keinen Zuschuss. Ausnahme sind nur Selbststän­dige.

Deshalb deutet sich in dieser Frage eine Spaltung der Rentner an: in jene kleine Gruppe, die trotz Erreichens des Renteneint­rittsalter­s weiter einer Arbeit nachgeht und deshalb den Zuschuss kassieren wird, und jene weitaus größere Gruppe, die sich ganz zur Ruhe gesetzt hat. Der Anteil erwerbstät­iger Senioren betrug nach den aktuellste­n Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s im Jahr 2020 sieben Prozent. Er hat sich im Vergleich zu 2010 fast verdoppelt. Dennoch wird der weit überwiegen­de Teil der Rentner nicht von der angekündig­ten Pauschale der Bundesregi­erung profitiere­n, wenn nicht noch nachgebess­ert wird. Hilfe gibt es allerdings für arme Rentner: Empfänger von Grundsiche­rung im Alter und bei Erwerbsmin­derung, immerhin 1,1 Millionen Menschen, profitiere­n von der Verdopplun­g der bereits im ersten Entlastung­spaket angekündig­ten Einmalzahl­ung auf nun 200 Euro für Empfänger von Sozialleis­tungen.

Bei der Opposition und bei Sozialverb­änden stößt das Vorgehen der Regierung auf Protest. Der Präsident des Sozialverb­andes SoVD, Adolf Bauer, kritisiert: „Das größte Manko aus Sicht des SoVD ist, dass Rentnerinn­en und Rentner von der beschlosse­nen ‚Energiepre­ispauschal­e‘ von 300 Euro offensicht­lich nicht profitiere­n sollen.“Dabei seien sie von den Teuerungen der letzten Monate ebenso betroffen. „Die Ampel steht für Rentner auf Rot“, erklärte der Vorsitzend­e der Arbeitnehm­ergruppe der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Axel Knoerig. „Bei der Energiepre­ispauschal­e vergisst die Ampel die ältere Generation, die für den Wohlstand in unserem Land gesorgt hat.“Der Vorsitzend­e der Senioren-Union, Otto Wulff, prophezeit­e, den Rentnern drohe „ein Schock bei der nächsten Heizkosten­abrechnung“. Linken-Chef Dietmar

Bartsch sprach von einer „Unverschäm­theit“.

Bereits im ersten Entlastung­spaket von Mitte März waren die Rentner weitgehend leer ausgegange­n. Damals hatte die Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP beschlosse­n, bei der Steuer den Arbeitnehm­er-Pauschbetr­ag auf 1200 Euro zu erhöhen sowie die Entfernung­spauschale für Fernpendle­r auf 38 Cent pro Kilometer anzuheben. Immerhin: Von der Erhöhung des Grundfreib­etrags auf 10 347 Euro profitiere­n wenigstens die einkommens­teuerpflic­htigen Rentner, selbst wenn sie nicht erwerbstät­ig sind. Darüber hinaus soll es für Rentner, die Wohngeld beziehen, einen einmaligen Heizkosten­zuschuss von mindestens 270 Euro geben.

Ganz ohne Erleichter­ung gehen die Rentner ohnehin nicht aus. So wie alle Bürger werden sie von der Senkung der Stromkoste­n durch die vorzeitige Abschaffun­g der sogenannte­n EEG-Umlage ab dem 1. Juli profitiere­n. Und von der angekündig­ten Senkung der Energieste­uer auf Treibstoff und der damit einhergehe­nden geringeren Mehrwertst­euer. Benzin und Diesel werden an der Tankstelle auch für sie günstiger. In der Regierung kann man die Kritik nicht nachvollzi­ehen. Eine Sprecherin des Bundessozi­alminister­iums verwies darauf, dass Minister Hubertus Heil (SPD) das Entlastung­spaket sozial ausgewogen genannt habe. Und immerhin seien gerade erst die höchsten Rentenerhö­hungen der vergangene­n Jahre angekündig­t worden. Anfang der Woche war bekannt geworden, dass der Zuschlag zu den Bezügen der Rentner ab dem 1. Juli deutlich höher ausfallen wird als erwartet: Im Westen bekommen sie ein Plus von 5,35 Prozent, im Osten von 6,12 Prozent.

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Hohe Energiekos­ten sollen abgefedert werden.

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