Millionen Rentner gehen leer aus
Von den Ampel-Entlastungen sollen nur Erwerbstätige und Arme profitieren
- Erdgas teurer, Sprit teurer, Strom teurer, Heizöl teurer – die Bundesregierung wollte schnell reagieren und hat ein zweites Entlastungspaket beschlossen. Dabei hat sie allerdings insbesondere eine Gruppe vergessen: 21 Millionen Rentner. Der Großteil von ihnen geht bei den geplanten Steuersenkungen und Einmalzahlungen weitgehend leer aus.
Eindeutig heißt es im Beschluss der Koalitionsspitzen: „Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen (Steuerklassen 1-5) wird einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt.“Zwar ist ein wachsender Teil der Rentner grundsätzlich einkommensteuerpflichtig, weil sie ihre Rente versteuern müssen. Aber die meisten von ihnen sind nicht mehr erwerbstätig und werden daher von der Entlastung nicht profitieren. Die Pauschale soll über den Arbeitgeber ausgezahlt werden. Ohne Arbeitgeber gibt es keinen Zuschuss. Ausnahme sind nur Selbstständige.
Deshalb deutet sich in dieser Frage eine Spaltung der Rentner an: in jene kleine Gruppe, die trotz Erreichens des Renteneintrittsalters weiter einer Arbeit nachgeht und deshalb den Zuschuss kassieren wird, und jene weitaus größere Gruppe, die sich ganz zur Ruhe gesetzt hat. Der Anteil erwerbstätiger Senioren betrug nach den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2020 sieben Prozent. Er hat sich im Vergleich zu 2010 fast verdoppelt. Dennoch wird der weit überwiegende Teil der Rentner nicht von der angekündigten Pauschale der Bundesregierung profitieren, wenn nicht noch nachgebessert wird. Hilfe gibt es allerdings für arme Rentner: Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, immerhin 1,1 Millionen Menschen, profitieren von der Verdopplung der bereits im ersten Entlastungspaket angekündigten Einmalzahlung auf nun 200 Euro für Empfänger von Sozialleistungen.
Bei der Opposition und bei Sozialverbänden stößt das Vorgehen der Regierung auf Protest. Der Präsident des Sozialverbandes SoVD, Adolf Bauer, kritisiert: „Das größte Manko aus Sicht des SoVD ist, dass Rentnerinnen und Rentner von der beschlossenen ‚Energiepreispauschale‘ von 300 Euro offensichtlich nicht profitieren sollen.“Dabei seien sie von den Teuerungen der letzten Monate ebenso betroffen. „Die Ampel steht für Rentner auf Rot“, erklärte der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Axel Knoerig. „Bei der Energiepreispauschale vergisst die Ampel die ältere Generation, die für den Wohlstand in unserem Land gesorgt hat.“Der Vorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff, prophezeite, den Rentnern drohe „ein Schock bei der nächsten Heizkostenabrechnung“. Linken-Chef Dietmar
Bartsch sprach von einer „Unverschämtheit“.
Bereits im ersten Entlastungspaket von Mitte März waren die Rentner weitgehend leer ausgegangen. Damals hatte die Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP beschlossen, bei der Steuer den Arbeitnehmer-Pauschbetrag auf 1200 Euro zu erhöhen sowie die Entfernungspauschale für Fernpendler auf 38 Cent pro Kilometer anzuheben. Immerhin: Von der Erhöhung des Grundfreibetrags auf 10 347 Euro profitieren wenigstens die einkommensteuerpflichtigen Rentner, selbst wenn sie nicht erwerbstätig sind. Darüber hinaus soll es für Rentner, die Wohngeld beziehen, einen einmaligen Heizkostenzuschuss von mindestens 270 Euro geben.
Ganz ohne Erleichterung gehen die Rentner ohnehin nicht aus. So wie alle Bürger werden sie von der Senkung der Stromkosten durch die vorzeitige Abschaffung der sogenannten EEG-Umlage ab dem 1. Juli profitieren. Und von der angekündigten Senkung der Energiesteuer auf Treibstoff und der damit einhergehenden geringeren Mehrwertsteuer. Benzin und Diesel werden an der Tankstelle auch für sie günstiger. In der Regierung kann man die Kritik nicht nachvollziehen. Eine Sprecherin des Bundessozialministeriums verwies darauf, dass Minister Hubertus Heil (SPD) das Entlastungspaket sozial ausgewogen genannt habe. Und immerhin seien gerade erst die höchsten Rentenerhöhungen der vergangenen Jahre angekündigt worden. Anfang der Woche war bekannt geworden, dass der Zuschlag zu den Bezügen der Rentner ab dem 1. Juli deutlich höher ausfallen wird als erwartet: Im Westen bekommen sie ein Plus von 5,35 Prozent, im Osten von 6,12 Prozent.