Notenbanken als Feuerlöscher
Welche Maßnahmen die Institutionen bei einer hohen Inflation ergreifen können
- Nach langer Verbalakrobatik hat die Federal Reserve Bank (Fed) vergangene Woche endlich ihren Leitzins um 25 Basispunkte oder 0,25 Prozent erhöht und für 2022 sechs weitere schrittweise Anhebungen angedeutet. Damit hat die US-Notenbank Fed zum ersten Mal seit 2018 den Leitzins über den Wert von null angehoben, womit er nun in der Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent liegt. Prompt gefolgt ist die Bank of England, die zum dritten Mal hintereinander ihren Leitzins auf nun 0,75 Prozent angehoben hat. Nur die Europäische Zentralbank (EZB) hinkt der Entwicklung hinterher, aber auch dort nimmt die Zinsdebatte an Fahrt auf. „Da scheint sich ein radikaler geldpolitischer Strukturbruch mit zukünftig epochal höheren Zinsen und Renditen anzubahnen“, sagt dazu Robert Halver von der Baader Bank.
Nachdem die EZB jahrelang ihrem Mantra gefolgt war, ihre Niedrigzinspolitik mit einem Inflationsziel von zwei Prozent zu begründen, überschlagen sich wegen des Krieges in der Ukraine die Ereignisse. Dabei wird deutlich, wie eng Zinspolitik, Teuerungsrate und wirtschaftliches Wachstum miteinander verwoben sind. Tatsächlich ist im Euroraum die Inflation, also der Anstieg des Preisniveaus innerhalb einer Volkswirtschaft, insbesondere durch die kriegsbedingt rasant gestiegenen Rohstoffpreise im Februar in der Eurozone auf 5,9 Prozent nach oben geschnellt. So geht die EZB bei der Teuerung mittlerweile im Jahresdurchschnitt von einer möglichen Bandbreite von 5,1 bis 7,1 Prozent aus. In den USA hält man gar schon eine Inflationsrate von neun Prozent für möglich.
Und damit kommen die Leitzinsen ins Spiel, die ganz grundsätzlich den Notenbanken als zentrale Instrumente der Geldmarktsteuerung dienen. Für die EZB ist der Zinssatz für das sogenannte Hauptrefinanzierungsgeschäft das zentrale Instrument ihrer Geldpolitik. Zu diesem
Zinssatz, dem „Preis des Geldes“, wird den Geschäftsbanken Zentralbankgeld gegen sogenannte notenbankfähige Sicherheiten zur Verfügung gestellt.
Eine Erhöhung des Leitzinses, den die EZB seit März 2016 bei null Prozent belassen hat, macht also das Geld der Geschäftsbanken teurer und damit auch knapper. Denn die steigenden Kosten für Geld geben die Institute durch erhöhte Kreditzinsen an die Verbraucher weiter. Damit wird die Aufnahme von Krediten teurer. Die Anreize in der Privatwirtschaft sinken, Kredite aufzunehmen. Auf der anderen Seite werden verzinste Anlagen lukrativer. Mit einer gewissen Verzögerung gibt es dann auch wieder Zinsen fürs Sparbüchle.
In der Folge steigt die Sparrate, die Investitionsrate sinkt. Gesamtwirtschaftlich
gesehen führt eine Erhöhung des Leitzinses zu einem Absenken der Inflationsrate, sorgt aber in der jetzigen Situation auch für einen Zielkonflikt: Die Maßnahme bremst nämlich nicht nur die Inflation ein, sondern kühlt auch das derzeit eher maue Wirtschaftswachstum ab.
Dabei scheinen sich die Zentralbanken in England und den USA mehr wegen der hohen Inflation Sorgen zu machen als wegen der Konjunkturrisiken. Denn sonst würden die Fed und die Bank of England nicht das Instrument der Zinserhöhungen benützen, um die allgemeine Teuerung im Land zu bekämpfen. Etwas anders agiert hier die EZB, die angesichts des Ukraine-Kriegs nun einen völlig flexiblen Kurs steuert. Wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde kürzlich betonte, werde die Inflation nicht wieder auf dasselbe niedrige Niveau von vor der Pandemie zurückkehren. Indessen beobachtet die EZB aber die Abwärtsrisiken für die Konjunktur als Folge des Ukraine-Kriegs genau. Damit wird auch noch einmal das Dilemma deutlich, in dem sich die Notenbanken befinden: Auf der einen Seite drohen Leitzinserhöhungen die Konjunktur abzuwürgen, auf der anderen Seite braucht es einen derartigen Feuerlöscher, um die Inflation abzukühlen.
Aufgrund dieser Konstellation sind den Notenbanken also auch ein Stück weit die Hände gebunden, weshalb sie eher mit gebremstem Schaum die Teuerung bekämpfen. Letzteres gilt erst recht für die EZB. Die Zinswende ist zumindest seitens der Fed zwar eingeleitet, es fehlt ihr allerdings an Schmackes. „Die Inflation schlägt zu, aber die Fed nicht wirklich zurück“, bringt Halver von der Baader Bank die Situation auf den Punkt.