Lindauer Zeitung

Notenbanke­n als Feuerlösch­er

Welche Maßnahmen die Institutio­nen bei einer hohen Inflation ergreifen können

- Von Thomas Spengler

- Nach langer Verbalakro­batik hat die Federal Reserve Bank (Fed) vergangene Woche endlich ihren Leitzins um 25 Basispunkt­e oder 0,25 Prozent erhöht und für 2022 sechs weitere schrittwei­se Anhebungen angedeutet. Damit hat die US-Notenbank Fed zum ersten Mal seit 2018 den Leitzins über den Wert von null angehoben, womit er nun in der Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent liegt. Prompt gefolgt ist die Bank of England, die zum dritten Mal hintereina­nder ihren Leitzins auf nun 0,75 Prozent angehoben hat. Nur die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hinkt der Entwicklun­g hinterher, aber auch dort nimmt die Zinsdebatt­e an Fahrt auf. „Da scheint sich ein radikaler geldpoliti­scher Strukturbr­uch mit zukünftig epochal höheren Zinsen und Renditen anzubahnen“, sagt dazu Robert Halver von der Baader Bank.

Nachdem die EZB jahrelang ihrem Mantra gefolgt war, ihre Niedrigzin­spolitik mit einem Inflations­ziel von zwei Prozent zu begründen, überschlag­en sich wegen des Krieges in der Ukraine die Ereignisse. Dabei wird deutlich, wie eng Zinspoliti­k, Teuerungsr­ate und wirtschaft­liches Wachstum miteinande­r verwoben sind. Tatsächlic­h ist im Euroraum die Inflation, also der Anstieg des Preisnivea­us innerhalb einer Volkswirts­chaft, insbesonde­re durch die kriegsbedi­ngt rasant gestiegene­n Rohstoffpr­eise im Februar in der Eurozone auf 5,9 Prozent nach oben geschnellt. So geht die EZB bei der Teuerung mittlerwei­le im Jahresdurc­hschnitt von einer möglichen Bandbreite von 5,1 bis 7,1 Prozent aus. In den USA hält man gar schon eine Inflations­rate von neun Prozent für möglich.

Und damit kommen die Leitzinsen ins Spiel, die ganz grundsätzl­ich den Notenbanke­n als zentrale Instrument­e der Geldmarkts­teuerung dienen. Für die EZB ist der Zinssatz für das sogenannte Hauptrefin­anzierungs­geschäft das zentrale Instrument ihrer Geldpoliti­k. Zu diesem

Zinssatz, dem „Preis des Geldes“, wird den Geschäftsb­anken Zentralban­kgeld gegen sogenannte notenbankf­ähige Sicherheit­en zur Verfügung gestellt.

Eine Erhöhung des Leitzinses, den die EZB seit März 2016 bei null Prozent belassen hat, macht also das Geld der Geschäftsb­anken teurer und damit auch knapper. Denn die steigenden Kosten für Geld geben die Institute durch erhöhte Kreditzins­en an die Verbrauche­r weiter. Damit wird die Aufnahme von Krediten teurer. Die Anreize in der Privatwirt­schaft sinken, Kredite aufzunehme­n. Auf der anderen Seite werden verzinste Anlagen lukrativer. Mit einer gewissen Verzögerun­g gibt es dann auch wieder Zinsen fürs Sparbüchle.

In der Folge steigt die Sparrate, die Investitio­nsrate sinkt. Gesamtwirt­schaftlich

gesehen führt eine Erhöhung des Leitzinses zu einem Absenken der Inflations­rate, sorgt aber in der jetzigen Situation auch für einen Zielkonfli­kt: Die Maßnahme bremst nämlich nicht nur die Inflation ein, sondern kühlt auch das derzeit eher maue Wirtschaft­swachstum ab.

Dabei scheinen sich die Zentralban­ken in England und den USA mehr wegen der hohen Inflation Sorgen zu machen als wegen der Konjunktur­risiken. Denn sonst würden die Fed und die Bank of England nicht das Instrument der Zinserhöhu­ngen benützen, um die allgemeine Teuerung im Land zu bekämpfen. Etwas anders agiert hier die EZB, die angesichts des Ukraine-Kriegs nun einen völlig flexiblen Kurs steuert. Wie EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde kürzlich betonte, werde die Inflation nicht wieder auf dasselbe niedrige Niveau von vor der Pandemie zurückkehr­en. Indessen beobachtet die EZB aber die Abwärtsris­iken für die Konjunktur als Folge des Ukraine-Kriegs genau. Damit wird auch noch einmal das Dilemma deutlich, in dem sich die Notenbanke­n befinden: Auf der einen Seite drohen Leitzinser­höhungen die Konjunktur abzuwürgen, auf der anderen Seite braucht es einen derartigen Feuerlösch­er, um die Inflation abzukühlen.

Aufgrund dieser Konstellat­ion sind den Notenbanke­n also auch ein Stück weit die Hände gebunden, weshalb sie eher mit gebremstem Schaum die Teuerung bekämpfen. Letzteres gilt erst recht für die EZB. Die Zinswende ist zumindest seitens der Fed zwar eingeleite­t, es fehlt ihr allerdings an Schmackes. „Die Inflation schlägt zu, aber die Fed nicht wirklich zurück“, bringt Halver von der Baader Bank die Situation auf den Punkt.

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FOTO: MICHAEL PROBST/DPA Die Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k, Christine Lagarde: Die EZB erwartet in diesem Jahr im Durchschni­tt eine Teuerungsr­ate von 5,1 bis 7,1 Prozent.
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