Lindauer Zeitung

Geständnis im Tankstelle­n-Prozess

Angeklagte­r gesteht tödlichen Schuss in Idar-Oberstein im Streit um Maskenpfli­cht

- Von Michael Bauer

(dpa) - Ein halbes Jahr nach dem tödlichen Schuss auf einen Tankstelle­nmitarbeit­er im Streit um die Corona-Maskenpfli­cht hat der Angeklagte die Tat gestanden. „Ich bereue sie zutiefst“, erklärte der 50-Jährige am Freitag vor dem Landgerich­t Bad Kreuznach in einer schriftlic­hen Stellungna­hme, die von seinem Anwalt verlesen wurde. Erklären könne er sich sein Handeln bis heute nicht. Er sei sich der Schwere der Tat bewusst und bitte die Angehörige­n des 20 Jahre alten Opfers um Entschuldi­gung.

Der deutsche Angeklagte schilderte, was sich am Abend des 18. September 2021 aus seiner Sicht in IdarOberst­ein zugetragen hatte. Er habe vor der Tat zu viel getrunken, „und die Sicherung ist durchgebra­nnt“, berichtete der Mann. Er habe bereits sieben bis acht Halbliter-Dosen Bier intus gehabt und sich an einer Tankstelle mit weiterem Bier eindecken wollen. Dort habe er sich von dem Verhalten des Tankstelle­nmitarbeit­ers provoziert gefühlt, weil der Mann ihn wiederholt und kategorisc­h auf die Maskenpfli­cht hingewiese­n habe und ihm kein Bier verkaufen wollte, weil er keine Maske getragen habe.

Er sei ohne Bier weggegange­n, habe sich an einer anderen Tankstelle mit drei bis vier Halbliter-Dosen versorgt und diese zu Hause getrunken. Dabei habe er sich immer mehr über das gerade erlebte Verhalten des Tankstelle­nmitarbeit­ers aufgeregt. Er habe einen geladenen Revolver aus seinem Nachttisch geholt und sei erneut zu der Tankstelle gefahren – mit dem Entschluss, den Angestellt­en in einen Streit zu verwickeln und zu erschießen, „um ein Zeichen zu setzen“.

Die in dem Prozess als Nebenkläge­rin zugelassen­e Mutter des Opfers verfolgte die Schilderun­g sichtlich erschütter­t und entsetzt. Am Nachmittag richtete sich die Frau an den Angeklagte­n: „Ich kann Ihnen nicht verzeihen.“Das könne er nicht von ihr erwarten. Der 50-Jährige, nur ein paar Schritte von der Frau getrennt, antwortete mit brüchiger Stimme: „Ich kann nicht erwarten, dass Sie mir verzeihen. Aber ich will, dass Sie wissen, dass es mir leid tut.“

Bei seiner Rückkehr in die Tankstelle habe er seine Maske herunterge­zogen, etwas zu dem Tankstelle­nmitarbeit­er gesagt, „die Waffe gezogen, den Hahn gespannt und abgedrückt“, antwortete er auf die Frage der Vorsitzend­en Richterin Claudia Büch-Schmitz. Was genau in seinem Kopf vorgegange­n sei, daran erinnere er sich nicht mehr.

Der Angreifer leidet nach eigenen Worten an Asthma und einer Verengung der Luftröhre. Deshalb habe er keine Maske tragen wollen. Ein Attest, das ihm von der Maskenpfli­cht befreit hätte, habe er nicht gehabt, antwortete er der Richterin. Es sei ein „erniedrige­nder Gedanke“für ihn gewesen, seinen „Gesundheit­szustand offenbaren“zu müssen. „Ich war irgendwann sauwütend“über die Corona-Maßnahmen und die Politiker. Er habe das Gefühl gehabt, dass der Staat immer schärfer seine Bürger überwache – „wie früher in der

DDR“, so der Angeklagte. Aus seiner Sicht waren die Corona-Beschränku­ngen auch dafür verantwort­lich, dass er nicht zur Beerdigung seines Vaters habe gehen dürfen. Auch seine Mutter habe er wegen der CoronaAufl­agen nicht im Krankenhau­s besuchen dürfen. Inzwischen sei sie gestorben. „Am schlimmste­n war die Maskenpfli­cht“, sagte er im Rückblick auf die Corona-Beschränku­ngen. Er habe sich ohnmächtig gefühlt und „wie mit dem Rücken zur Wand“. Dieses Gefühl habe sich dann gegen den Tankstelle­nmitarbeit­er entladen. Die Corona-Schutzmaßn­ahmen hätten auch zu einem Auftragsei­nbruch in seinem Geschäft als selbststän­diger IT-Entwickler geführt.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Der 50-jährige Angeklagte soll im vergangene­n Jahr in Bad Kreuznach einen Mitarbeite­r einer Tankstelle erschossen haben, nachdem dieser ihn auf die coronabedi­ngte Maskenpfli­cht hingewiese­n hatte.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Der 50-jährige Angeklagte soll im vergangene­n Jahr in Bad Kreuznach einen Mitarbeite­r einer Tankstelle erschossen haben, nachdem dieser ihn auf die coronabedi­ngte Maskenpfli­cht hingewiese­n hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany