Abwahl des kompletten PEN-Präsidiums gefordert
Kritik am Umgangsstil des Vorsitzenden Deniz Yücel – Mitglieder werfen ihm „rüpelhafte Beleidigungen“vor
(dpa) - Nach heftigen Auseinandersetzungen in der Führung des deutschen PENZentrums liegt gegen das komplette Präsidium ein Abwahlantrag vor. Über die erst im Oktober eingesetzte Spitzenriege unter dem zum Präsidenten gewählten Journalisten Deniz Yücel soll eine Mitgliederversammlung der Schriftstellervereinigung im Mai in Gotha entscheiden. Nach PEN-Angaben reicht eine einfache Mehrheit für den Antrag aus.
In dem Antrag ist von „rüpelhaften Beleidigungen, der Frontstellung zwischen ,jüngeren’ und ,älteren’ Mitgliedern und Mobbingversuchen an zwei
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Mitgliedern des Vorstands“die Rede. Zudem herrsche seit der Neuwahl „ein harscher Ton gegenüber der Geschäftsstelle mitsamt Beleidigungen“. Die Vorwürfe beziehen sich auf einen umfassenden Mailwechsel im Präsidium, der der dpa vorliegt. Die zwei Dutzend Antragsteller sehen ein in der Mitgliederschaft geäußertes „Erschrecken über den Umgangsstil“und „eine tiefgreifende, systemische Störung des Anstands und der Würde unserer Schriftstellervereinigung“.
In einem Brief an die Mitglieder sprach das PEN-Zentrum in der Folge von einem „internen Konflikt“und bedauert den „Ton unserer internen Korrespondenz“, der „zu persönlichen Kränkungen geführt hat“. Der am Mailwechsel beteiligte Yücel selbst wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern.
Zuletzt hatten mit Gert Heidenreich, Christoph Hein, Johano Strasser, Josef Haslinger und Regula Venske fünf ehemalige Präsidenten des PEN-Zentrums den Rücktritt Yücels gefordert. Begründet wurde dies damit, dass sich Yücel während des Literaturfestivals Lit.Cologne für eine Flugverbotszone in der Ukraine und somit für ein direktes militärisches Eingreifen der Nato ausgesprochen habe. Mit den Äußerungen habe er seine Befugnisse überschritten und gegen die Charta des Internationalen PEN verstoßen.
- Zeitgenössische Kunst gibt oft Rätsel auf. Das ist ihr Wesen, weil sie dem Betrachter die Rätselhaftigkeit der Welt immer neu vor Augen führen will. Ebenfalls zu ihrem Wesen gehört, dass sie ihre Mittel dank technologischer Entwicklungen laufend erweitert. Für den Betrachter bedeutet dies, sich selbst immer wieder auf ein Experiment einzulassen. Das gilt besonders für die neue Ausstellung im Kunsthaus Bregenz (KUB) mit Arbeiten der in New York lebenden Kroatin Dora Budor. Unter dem Titel „Continent“, der sowohl für „Landmasse“als auch für „etwas enthalten können“steht, löst die 37-jährige Künstlerin ganz bewusst Irritationen aus. So untersucht sie den eigentlichen Baukörper mit einer Reihe von Eingriffen, wobei sie Abläufe in den Blickpunkt rückt, die normalerweise im Verborgenen geschehen. Doch der Reihe nach.
Im ersten Stock des KUB versperren drei Wände die Eingänge. Diese sogenannten Kollektorgänge bilden quasi einen Raum im Raum. Ihre Außenseiten sind mit Latex beschichtet, die steinerne Sedimente und Rückstände enthalten, während die Innenseiten aus Pappmachee bestehen. An manchen Stellen sind noch geschredderte Schriftstücke zu erkennen. In der zweiten Etage liegen unzählige schwarze Scheiben auf dem Boden. Im Hintergrund sind Geräusche zu hören, zu welchen das Wort sphärisch passt. Hinzu kommt hinten in der Ecke ein Video von einer Baustelle mitten in Manhattan. Oben unterm Dach greift die 37-jährige Künstlerin schließlich mithilfe einer Soundinstallation in die Architektur ein. „Termites“stimuliert kontinuierlich mit einem leichten Surren das Gehör. Woher es kommt, bleibt offen. Auf der linken Seite im Raum stapeln sich Formen aus Holz, deren silberne Bemalung Gebrauchsspuren aufweist. An den Wänden hängen kleine gestische Zeichnungen; die Künstlerin nennt sie „Love Streams“(Liebesströme).
Im Vergleich zu den opulenten Arbeiten von Otobong Nkanga in der letzten KUB-Ausstellung ist die jetzige stark reduziert – und vor allem äußerst rätselhaft. Es sei denn, man konsultiert das Begleitheft oder bucht eine Führung. Die Erklärungen zum Werk überraschen und frustrieren zugleich. Denn sie führen dem Betrachter vor Augen, dass sein Sehen und auch sein Hören bei Weitem nicht zur Entschlüsselung reichen.
Auf der nordöstlichen Seite des KUB befindet sich in einem Abstand von einem Meter zur Fassade eine Einstiegsöffnung. Durch diese Luke erreicht man einen unterirdischen Gang, der sich um das Fundament des gesamten Gebäudes zieht. Die sogenannten Schlitzwände haben eine doppelte Funktion: Sie sollen erstens ein Einstürzen der angrenzenden Häuser vermeiden und zweitens durch einen Kollektorgang das Versickern des Grundwassers vom nahegelegenen Pfänder sowie aus dem Bodensee kontrollieren. Der Kollektorgang ist insgesamt 29 Meter lang, was exakt der Länge und Breite der Grube entspricht, die für das Fundament des Gebäudes ausgehoben wurde. Drei Latexabdrücke dieser
Schlitzwände sind jetzt im ersten Stock versammelt. Die Einbauten zeichnen den Saal neu und scheinen aus der Distanz mit den Betonwänden zu verschmelzen.
Auch bei den „Pucks“kommt der Besucher schnell an seine Grenzen – bis er erfährt, was es mit diesen Scheiben auf sich hat. Dora Budor hatte die Mitarbeiter des benachbarten KUB-Cafés gebeten, Kaffeereste zu sammeln. Der Kaffeesatz wurde anschließend mit Wachs und Polymer zu robusten Scheiben gepresst, die den Maßen eines Hockey-Pucks entsprechen. Diese „Pucks“lenken jetzt den Blick auf den glatt polierten Boden des Hauses und verwandeln ihn in ein Feld, auf das jeden Moment die Spieler einlaufen könnten.
Oben unterm Dach ist Budors Eingriff in den Raum subtiler. Architekt Peter Zumthor hat alle potenziell störenden Einrichtungen der Haustechnik, wie Belüftung und Regulierung der Raumtemperatur, dem Blick entzogen und in der Architektur versteckt. Ferngesteuerte Sexspielzeuge versetzen jetzt das in die Wände verlegte Belüftungssystem in Schwingung. Die so erzeugten Vibrationen werden mit der Luft, die durch rings um den Fußboden verlaufende schmale Schlitze einströmt, in den Ausstellungsraum transportiert. Tatsächlich wahrnehmen tut man dieses non-verbale Geräusch aber erst, wenn man bewusst darauf hingewiesen wird.
Die Holzobjekte mit dem Titel „Male Molds“(Männliche Formen) stammen ursprünglich aus einer Eisengießerei in Berlin, wo sie als Negativformen beim Guss von Maschinenteilen gedient haben. Ihr Reiz liegt in der silbrig-glänzenden Oberfläche, die Bezug auf die grauen Wände nimmt, sowie in ihren Formen, die an weibliche Torsi erinnern. Die Zeichnungen wiederum sind mithilfe von Schleifpapier entstanden. Dora Budor hat Tabletten, die ihr zur Behandlung einer Depression und Angststörung verschrieben wurden, zerbröselt und dann mit Sandpapier auf dem Fußboden ihres Atelier verrieben. Anschließend wurde der Abrieb, der voller Tablettenpartikel war, im Frottageverfahren auf die Bildträger gebracht.
Das alles erfährt nur, wer liest oder sich durchs Haus führen lässt, was in Ordnung geht. Die Erklärung der Kunst gehört zu ihr wie der Rahmen zum Bild. Reine Betrachtung reicht heute meist nicht mehr aus zur Kunsterfahrung. Es braucht das Wechselspiel von Lesen und Schauen. Jeder Papierschnitzel und jedes Farbpigment haben hier ihre Bedeutung. So wird der Kunsthaus-Besuch zu einem Arbeitsakt. Wer begreifen will, muss beharrlich sein. Das ist ein zwiespältiges Erlebnis. Vor allem weil sich die Erläuterungen trotz aller Komplexität als banal entpuppen. Was man aber am meisten vermisst in dieser Ausstellung ist das Sinnliche, etwas, das die Seele berührt. So verlässt der Besucher diesmal ziemlich enttäuscht das Haus.
Dauer: bis 26. Juni, Öffnungszeiten: Di.-So. 10-18 Uhr, Do. 1020 Uhr, Katalog zur Schau kostet 42 Euro. Weitere Infos unter: