Bundestrainer Flick macht seinen Kandidaten Druck
(SID) - Hansi Flick richtete sein Mikrofon und nahm verbal ein bisschen Anlauf. Dann machte der Bundestrainer bei der Pressekonferenz am Freitag seinen Wackelkandidaten zum Start ins „extrem wichtige Jahr 2022“eine knallharte Ansage. „Wir gucken ganz genau hin: Wer hat die Qualität, für dieses Team wichtig sein zu können“, betonte Flick. Zur Titelmission in die Wüste Katars will er nur Profis mitnehmen, „die die mentale Entwicklung machen, bei solchen Spielen ihre Leistung abzurufen“.
Der Auftakt im WM-Jahr, an dessen Ende Flick den fünften Stern erringen will, wird so zum Schaulaufen der Stars: Wer schon gegen Israel am Samstag (20.45 Uhr/ZDF) bei Flicks „Heimspiel“in Sinsheim und drei Tage später in den Niederlanden durchfällt, kann sein WM-Ticket abschreiben. Doch ist die Chance in Abwesenheit zahlreicher fester Säulen wie Abwehrchef Niklas Süle oder Mittelfeldboss Joshua Kimmich groß. Flick fehlen insgesamt zehn Profis. Das ist den Katar-Kandidaten bewusst. „Man muss es so ernst angehen, als wäre man beim Turnier“, sagte Ilkay Gündogan. In Zeiten des UkraineKriegs sei es zwar „nicht so einfach, sich auf Fußball zu konzentrieren“, so Flick. Aber: „Wir wollen überprüfen, ob wir alles richtig gemacht haben oder nachjustieren müssen.“Der Auftakt am Samstagabend in Sinsheim gegen Israel vor ausverkauftem Haus mit 25 600 Fans und Flicks Familie auf der Tribüne wird für den Bundestrainer, der aus dem nahen Bammental stammt, „etwas ganz Besonderes. Ich liebe die Region und die Menschen.“Doch sein „absoluter Fokus liegt auf der Leistung“.
Die Entscheidung könnte auch den VfB Stuttgart betreffen, der gerade im Aufwind ist. Wird nun im Abstiegskampf neu durchgemischt? Ich persönlich hatte den VfB Stuttgart zwischendurch schon abgeschrieben. Weil sie großartige Spiele gemacht und nicht gewonnen haben. Ich wusste nicht, wie sie den Dreh noch kriegen wollten. Ich habe aber gesehen, dass sie bedingungslos zu Trainer Pellegrino Matarazzo gestanden haben und das musste ja etwas bedeuten. Für mich waren die letzten drei Spiele des VfB auch die Topereignisse des Spieltages. Dabei waren die Partien nicht großartig anders als vorher, aber erfolgreicher. Jetzt nimmt die Mannschaft Esprit mit und ich glaube, dass sie auf der Welle weiterschwimmen werden und die Klasse halten. Beim FC Augsburg haben sie ja zwischendurch durch das Revival von Michael Gregoritsch durchgeatmet und eine Linie gefunden, sind aber auch noch unten dabei. Das Ding gegen Stuttgart ist ja hammerhart gewesen.
Hammerhart werden auch andere Themen diskutiert. Das Thema Geld ist ja seit Jahren der größte Zankapfel der Fußballbranche. Wann sind denn die Grenzen dieses Höher, Schneller, Weiter erreicht? Die sind schon längst überschritten. Das ist einfach ein Trauerspiel, was für Transfers bezahlt wird. Diese Ablösesummen machen auf Dauer den Fußball im ursprünglichen Sinn kaputt – auch den Profifußball. Natürlich geht es hier vordergründig um Profit. Aber wenn man dann sieht, dass etwa der FC Barcelona mit 1,4 Milliarden Schulden weiterspielen kann und nicht das Financial Fairplay greift, dann ist da ja Ethik und Moral komplett beiseitegeschoben.
Aktuell kommen noch Grundsatzentscheidungen bezüglich Investoren dazu. Stichwort FC Chelsea. Spricht das für ein Zukunftsmodell à la 50+1?
Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Nehme ich alles in Kauf, um sportlich erfolgreich zu sein oder sondiere ich nach ethischen und moralischen Gesichtspunkten? Die Verbindung der UEFA und Schalke 04 mit Gazprom und damit Wladimir Putin war ja 2004 noch ein durchaus beklatschenswerter Zustand. Er kam rüber wie ein demokratieoffener Präsident eines Staates, der sich immer mehr öffnete. Doch das waren alles Lügengebäude und nun steht man da, denn die Frage, woher das Geld kommt ist ja essentiell. Das sieht man aktuell beim FC Chelsea mit Roman Abramowitsch. Generell lebt der Profifußball in der Spitze in einer Blase, die zu platzen droht.
In der Bundesliga sorgen die eigenen Fans wie bei Ihrem Ex-Verein VfL Bochum mit einem Becherwurf selber dafür, dass der Ruf leidet. Wie kann man das verhindern? Da muss man differenzieren. Das ist kein Fan, das ist ein krimineller Idiot. Bier ist zum Trinken da und nicht zum Schmeißen. Auch die Art und Weise, wie manchmal mit Gegner, Schiedsrichter und der eigenen Leistung der Spieler umgegangen wird,