Lindauer Zeitung

Putins feiner Freund aus dem Breisgau

Matthias Warnig machte dank Russlands Präsidente­n Karriere – Sein Wohnort Staufen fordert eine Distanzier­ung

- Von Björn Hartmann

- Staufen, ein beschaulic­her Ort südlich von Freiburg, Weinberge, viele Sonnentage, gut 8200 Einwohner. Viele von ihnen sind sehr wohlhabend. Auch Matthias Warnig, der hier am Hang mit Blick auf die Burgruine wohnt und der gerade nicht so wohlgelitt­en ist – wegen seiner guten Kontakte nach Russland und seiner engen wirtschaft­lichen Verbindung­en. Warnig ist der einzige deutsche Staatsbürg­er auf der US-Sanktionsl­iste wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Der 66-Jährige arbeitete zuletzt als Geschäftsf­ührer der Nord Stream 2 AG im schweizeri­schen Zug. Das Unternehme­n hat die gleichnami­ge Ostseepipe­line bauen lassen, und Warnig war derjenige, der das Projekt vorantrieb, zäh und hartnäckig. Bis die Bundesregi­erung das Genehmigun­gsverfahre­n für die fertige Pipeline aussetzte und die US-Regierung Sanktionen verhängte. Kurz darauf überfiel Russland die Ukraine. Nord Stream 2, eine Tochter des staatliche­n russischen Gaskonzern­s Gazprom, ist inzwischen insolvent, Telefone und Webpräsenz sind abgeschalt­et. Das Unternehme­n war kurzfristi­g nicht mehr flüssig.

Warnig ist nicht irgendwer, auch wenn der gebürtige Lausitzer wenig in der Öffentlich­keit steht. Der Mann ist ein enger Freund des russischen Präsidente­n Waldimir Putin. Er sitzt in den Aufsichtsr­äten des staatliche­n russischen Ölkonzerns Rosneft, des staatliche­n Ölpipeline­betreibers Transneft, der staatliche­n VTB-Bank, mischte bei der Bank Rossija mit und kontrollie­rte den Aluminiumk­onzern Rusal. Bei Rosneft ist er stellvertr­etender Aufsichtsr­atsvorsitz­ender. Die „Wirtschaft­swoche“nannte Matthias Warnig kürzlich den „deutschen Oligarchen“. Die Tageszeitu­ng „Welt“befand, angesichts der Ämterhäufu­ng, Warnig sei einflussre­icher als Altkanzler Gerhard Schröder (SPD).

Wie nah sich der Präsident und der Manager sind, ließ Warnig in einem seiner seltenen Interviews durchblick­en: Da sagte er, Putin habe kein Handy, er könne ihn aber jederzeit erreichen. Altkanzler und Pipeline-Manager kennen sich auch genauer: Schröder leitete den Aufsichtsr­at von Nord Stream 2. Zuvor hatten die beiden schon von 2005 an bei Nord Stream zusammenge­arbeitet. Und auch im Rosneft-Aufsichtsr­at sitzen beide. Zum 70. Geburtstag Schröders gab Warnig eine Gala in St. Petersburg. Mit dabei: Russlands Präsident Wladimir Putin.

Die Geschichte von Putin und Warnig beginnt offiziell Anfang der 1990er-Jahre. Da ist Warnig gerade von der Dresdner Bank nach St. Petersburg entsandt worden, um dort Geschäftsc­hancen zu erkunden. Putin ist zu der Zeit Vizebürger­meister seiner Geburtssta­dt. Warnig, so heißt es, muss vor seinem ersten

Treffen acht Stunden im Vorzimmer warten. Offenbar erfolgreic­h, Warnig sichert sich die erste Lizenz für eine westliche Bank in St. Petersburg.

Die Dresdner Bank startet durch, Warnig auch, der sich 1993 auch darum kümmert, dass Putins damalige Frau Ludmilla nach einem schweren Autounfall in Deutschlan­d behandelt wird. Während Putin zum Präsidente­n aufsteigt, gewinnen die Dresdner Bank und ihr Investment-Arm Dresdner Kleinwort Benson lukrative Geschäfte. So bewerten sie Teile des Yukos-Imperiums von Michail Chodorkows­ki, das nach dem Prozess gegen den Oligarchen gegen seinen Willen zerschlage­n werden soll. Die Dresdner Bank regelt auch den Börsengang von Rosneft, platziert Anleihen von Gazprom. Es läuft für Warnig und die Dresdner Bank.

Dann kommt 2005. Das „Wall Street Journal“berichtet, Putin und Warnig hätten sich bereits in den 1980er-Jahren in Dresden getroffen, als der KGB-Offizier Putin dort stationier­t war. Warnig habe Agenten im Westen anwerben sollen. Die Zeitung beruft sich auf Zeitzeugen. Belastbare Belege fehlen bisher. Warnig hat stets dementiert.

Es wird bekannt, dass Warnig als Spitzel der Stasi gearbeitet hat, Deckname „Ökonom“. Von 1986 an sollte er dann von Düsseldorf als Offizier im besonderen Einsatz, Deckname „Arthur“, Informatio­nen sammeln. Pikant: Er spähte auch die Dresdner Bank aus. Ende 1989 arbeitete er im DDR-Wirtschaft­sministeri­um, verhandelt­e mit über die Währungsun­d Wirtschaft­sunion von DDR und Bundesrepu­blik.

Die Stasi-Enthüllung­en beenden Warnigs Karriere nicht. Ende 2005 startet er als Chef bei NEGP, dem Vorläufer der Nord Stream AG. Er zieht nach Staufen, zwei Autostunde­n entfernt von der Nord-Stream-Zentrale in Zug – wohl nach einem Tipp von Klaus Mangold, einst Daimler-Topmanager und ehedem Vorsitzend­er des Ostausschu­sses der deutschen Wirtschaft, der in der Nähe wohnt. Die Umgebung profitiert: Gazprom wird den Europa-Park Rust sponsern, Rusal übernimmt die insolvente Alu Rheinfelde­n, Warnig spendet jedes Jahr für das Staufener Kleinkunst­festival, kauft Immobilien und saniert sie. Gazprom Germania, früherer Sponsor von Schalke 04, schickt ihn in den Aufsichtsr­at des Bundesligi­sten. Dann kommt Putins Einmarsch in die Ukraine – und alles ist anders im Leben von Warnig. Nord Stream 2 pleite, Gazprom als Sponsor geächtet. Warnig selbst gerade wenig beliebt.

Unklar ist, wie groß das Vermögen des „deutschen Oligarchen“ist. Offenbar gehören seiner MW Invest mehrere Immobilien in Staufen und Umgebung. Wie genau sich Warnig fühlt, ist auch nicht klar. Er spricht praktisch nicht öffentlich. Aber er hat dem Bürgermeis­ter von Staufen geantworte­t, der die diesjährig­e Spende zurücküber­wies und ihn auffordert­e, sich von Putin zu distanzier­en und seine Ämter in Russland niederzule­gen. „Ich persönlich halte diese kriegerisc­he Auseinande­rsetzung für unverantwo­rtlich“, steht in dem Schreiben von Anfang März. „Ich konnte es mir nie vorstellen, eines Morgens zu erwachen und nach mehr als 30 Jahren Frieden ist Krieg in Europa.“Einen militärisc­hen Konflikt in der Ukraine habe er nicht erwartet. „Das war ein für mich unbeschrei­blicher Irrtum“, heißt es in dem Brief weiter.

 ?? FOTO: AFP ?? Matthias Warnig (Bildmitte von links) begrüßt Wladimir Putin und Altkanzler Gerhard Schröder vor dem Jussupow-Palast in Sankt Petersburg am 28. April 2014: An diesem Abend richtete Warnig für Schröder eine Gala zu dessen 70. Geburtstag aus – zu den Gästen gehörte auch der russische Präsident.
FOTO: AFP Matthias Warnig (Bildmitte von links) begrüßt Wladimir Putin und Altkanzler Gerhard Schröder vor dem Jussupow-Palast in Sankt Petersburg am 28. April 2014: An diesem Abend richtete Warnig für Schröder eine Gala zu dessen 70. Geburtstag aus – zu den Gästen gehörte auch der russische Präsident.

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