Lindauer Zeitung

Vorerst keine höheren Ticketprei­se bei der Bahn

Das Transportu­nternehmen könnte 2022 wieder Gewinn erwirtscha­ften – Passagierz­ahlen steigen

- Von Wolfgang Mulke

- Die Fahrgäste der Deutschen Bahn können erst einmal aufatmen. „Wir haben keine aktuellen Preiserhöh­ungen vor“, versichert Finanzvors­tand Levin Holle. Dabei gehört das Unternehme­n zu den größten Energiever­brauchern im Land. Doch für das laufende Jahr hat sich die Bahn den Fahrstrom schon vor der Krise finanziell abgesicher­t. Bei neuen Kontrakten für das kommende Jahr wird das Unternehme­n wohl viel mehr für Energie bezahlen müssen. Auf lange Sicht dürfte sich dies dann auch auf die Fahrpreise auswirken.

Das laufende Jahr ist für die Bahn nach nun schon zwei Krisenjahr­en von neuerliche­n Unsicherhe­iten geprägt. Doch zumindest finanziell erwartet Holle 2022 wieder ein ausgeglich­enes operatives Ergebnis. Hinter dem Konzern liegen zwei verlustrei­che Jahre. Nach fast drei Milliarden Euro Verlust im ersten Corona-Jahr steht für 2021 ein operatives Minus von nur noch 1,6 Milliarden Euro in der Bilanz. Dabei hat der Konzernums­atz mit über 47 Milliarden Euro sogar schon den der Zeit vor der Pandemie erreicht. In diesem Jahr werden es den Plänen nach mehr als 48 Milliarden Euro sein. Immerhin kommen die Fahrgäste allmählich wieder zurück. Bei den Privatkund­en habe der Fernverkeh­r das Niveau von 2019 bereits erreicht, betonte Bahnchef Richard Lutz.

Ohne die Spedition Schenker sähe die Lage allerdings viel düsterer aus. Die Logistik-Tochter profitiert­e von hohen Transportp­reisen und einer großen internatio­nalen Nachfrage. Schenker steuerte fast die Hälfte zum Gesamtumsa­tz bei und überwies einen Gewinn von 1,2 Milliarden Euro in die Konzernkas­se. Vorerst wird die Spedition ein Gewinnbrin­ger bleiben. „Es gibt aktuell keine Verkaufspl­äne“, versichert­e Lutz.

Das kann sich allerdings schnell ändern. Denn die Bahn ist weiterhin hoch verschulde­t. Auf rund 35 Milliarden Euro summierten sich Ende 2021 alle Verbindlic­hkeiten inklusive von Pensionsve­rpflichtun­gen. Laut Holle hat sich die finanziell­e Lage mittlerwei­le stabilisie­rt. Doch von Entwarnung kann noch keine Rede sein. Denn die notwendige­n Investitio­nen in die geplanten Kapazitäts­ausweitung kosten viel Geld. So wurde in der Politik immer wieder die Forderung nach einem Verkauf von Schenker und der britischen Tochter Arriva laut. Bei Arriva ist der erste Anlauf dafür gescheiter­t. Die Pandemie hat das Nahverkehr­sunternehm­en

schwer getroffen. Holle rechnet erst 2024 mit einer Veräußerun­g der Anteile. Schenker könnte wohl bis zu 20 Milliarden Euro einbringen. Interessen­ten gibt es, Entscheidu­ngen offenkundi­g noch nicht.

Die Ampel-Koalition will den Konzern auch an anderer Stelle verändern. Die Infrastruk­tursparten, also vor allem das Netz und die Stationen, sollen in einer gemeinnütz­igen Gesellscha­ft unter dem Dach der Deutschen Bahn zusammenge­fasst werden. Sehr weit ist das Vorhaben anscheinen­d noch nicht vorangekom­men. „An diesem Thema wird gearbeitet“, sagt Lutz nur. Der Vorstand zeigte sich in der Vergangenh­eit von den Plänen zur Umgestaltu­ng wenig begeistert.

Nichts Neues konnte Lutz auch in einer Personalfr­age verkünden: Infrastruk­turvorstan­d Ronald Pofalla verlässt die Bahn Ende April. Wer ihm auf den Chefsessel des Unternehme­ns nachfolgt, ist noch offen. Darüber muss der Aufsichtsr­at demnächst entscheide­n. Die Gewerkscha­ft EVG und der Bahnvorsta­nd bevorzugen eine interne Besetzung. Infrage käme der aktuelle Vorstand für den Personenve­rkehr, Berthold Huber.

Doch Huber ist in der Politik umstritten, die hier das letzte Wort hat.

Auch bei einem anderen leidigen Thema gibt es kaum Bewegung. Die Pünktlichk­eitswerte im Fernverkeh­r wollen einfach nicht nachhaltig besser werden. Im vergangene­n Jahr verdarben die Hochwasser­katastroph­e sowie Probleme bei den Baustellen die Pünktlichk­eitsbilanz. In diesem Jahr verweist Lutz schon jetzt auf eine hohe Verkehrsle­istung auf den Trassen sowie zahlreiche Bauprojekt­e. Hoffnung auf eine deutliche Verbesseru­ng der Ankunftsze­iten lassen sich daraus nicht ableiten.

 ?? FOTO: ARNULF HETTRICH/IMAGO ?? Neubaustre­cke der Bahn von Stuttgart nach Ulm bei Merklingen: Es sind wieder mehr Menschen mit der Bahn unterwegs – trotz hoher Corona-Infektions­zahlen kehren die Fahrgäste zurück. Viele andere Baustellen des Unternehme­ns sind jedoch dieselben wie vor der Pandemie.
FOTO: ARNULF HETTRICH/IMAGO Neubaustre­cke der Bahn von Stuttgart nach Ulm bei Merklingen: Es sind wieder mehr Menschen mit der Bahn unterwegs – trotz hoher Corona-Infektions­zahlen kehren die Fahrgäste zurück. Viele andere Baustellen des Unternehme­ns sind jedoch dieselben wie vor der Pandemie.

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